Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Großes Feuer in Rialto

„Ensemble Lucidarium“besingt das jüdische Leben in Venedig zu der Zeit der Renaissanc­e

- Von Ursula Mielke

Weimar. Das touristisc­he Traumziel Venedig mit seiner berühmten Rialto-brücke im beliebten Stadtteil San Polo präsentier­te der Yiddish Summer Weimar am Donnerstag­abend von seiner musikalisc­hen Seite. „Jiddisch in Rialto – Klänge aus Elye Bokhers Venedig“war der Titel eines Konzertes in der Weimarer Notenbank mit dem „Ensemble Lucidarium“.

Das Ensemble, dessen Name sich auf ein frühes Musiktrakt­at bezieht, ließ das Venedig des 16. Jahrhunder­ts stilsicher aufblühen. Dafür wurden die Stücke des Programms rekonstrui­ert und transkribi­ert, so dass manch eine Note erst jetzt wieder nach jahrhunder­telangem Dornrösche­nschlaf erklang.

Der interessan­te Grenzgang in die Geschichte des multikultu­rellen Venedig zur Zeit der Renaissanc­e erinnerte daran, dass für deutsche, italienisc­he und spanische Juden in diesem Schmelztie­gel verschiede­nster Musiktradi­tionen auch Ghettos existierte­n. Zum Leben in speziellen Stadtviert­eln oder zum Konvertier­en gezwungen, hinterließ­en die Juden von Venedig ein reiches kulturelle­s Erbe. Darunter dasjenige von Elye Bokher (1469–1549), der nicht nur hebräische, jiddische und lateinisch­e Wörterbüch­er, Psalmen und Bibelkomme­ntare verfasste, sondern sich auch unter dem Einfluss italienisc­her Vorbilder als Dichter hervortat. Das „Sreyfe Lid“, ein kleines Melodram über ein großes Feuer in Rialto, ist ein bekanntes Beispiel.

Ansonsten handeln die Lieder, liturgisch­en Gesänge und Tänze von dem, was das jüdische Leben in Venedig ausmachte: Religion, Hochzeit, Karneval. Rhythmisch motiviert, zartbesait­et, ausgewogen in Gesangs- und Instrument­alstimmen offerierte das in Genf und Mailand beheimatet­e „Ensemble Lucidarium“dem begeistert­en Publikum eine stimmige Klangwelt, so bunt wie das Leben selbst. Unter den kleinen musikalisc­hen Edelsteine­n fand sich auch Kurioses, wie das Lied „Ecco la ninph Ebraica chiamata“(Hier ist die jüdisch genannte Nymphe), und die soll dem karnevalis­tischen Spott nach hässlich gewesen sein.

Die Festivalwo­che des Yiddish Summer Weimar endet heute mit dem großen Straßenfes­t „Oma feiert“. Von 14 bis 23 Uhr werden rund um die Other Music Academy unter anderem Auszüge aus dem Theaterstü­ck „Bobe Mayses“und dem Tanzprojek­t „Gilgul“gezeigt, gibt es eine Klezmer Jam Session, Angebote für Kinder, köstliches Essen. Ein Tag zum Genießen!

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Rialto-brücke in Venedig. Foto: W. Grubitzsch

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