Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Der Landschaft des Saaletals verbunden
Das Gedicht besteht aus nur zwei Stanzen. Die Stanze hat in unserer Dichtung den Ruch des Höheren, des Anspruchsvollen. Hier wird allerdings eine lockerer wirkende Variante genutzt; sie erinnert daran, dass Ortlepp in der Zeit, da das Gedicht entstand, an seinen Übertragungen englischer Dichtung arbeitete.
Wie nicht selten bei diesem Dichter können wir die Entstehungszeit nur ungenau bestimmen. Ortlepp veröffentlichte das Gedicht in dem Band „Schillerlieder“, der 1839 erschien, einem der ersten Bände der Stuttgarter Jahre. Hier hatte er, nachdem in Sachsen Metternich höchstpersönlich für seine Verfolgung aktiv geworden war, eine Zuflucht und einige Unterstützung gefunden.
Ortlepp war der Landschaft des Saaletals sehr verbunden, und Schiller war ihm immer ein Vorbild gewesen. Hier stimmte Ortlepp mit den meisten seiner Mitbürger überein. Das zeigte sich auch darin, dass man Schiller schon ein Vierteljahrhundert nach seinem frühen Tod ein recht eindruckvolles Denkmal dort errichtete, wo seine fruchtbarste Wirkungszeit begonnen hatte, in der Umgebung Rudolstadts. Das „Bild“, das dort in einem Steilhang aufgestellt wurde, ist ein Nachguss der allgemein geschätzten Porträtskulptur, die Schillers Mitschüler Johann Heinrich Dannecker schuf, und das eigentliche Thema des Gedichts hat der aus der Heimat verjagte Ortlepp nicht nur hier behandelt: Die Mitwelt ist bereit, mit ihren Künstlern freundlich umzugehen – wenn sie tot sind.
Das Gedicht lehnt sich an eins der schönsten Gedichte Schillers an. Auch in Ortlepps Gedicht liest der Wanderer die Landschaft. Hier ist aber alles schön, alles erinnert an etwas, in dem wir Gestalt gewordene Vollkommenheit sehen dürfen, die ganz von gestern ist. Wo von der Schillerbüste gesprochen wird, tönt leise Ironie durch die Verehrung: „ein Bild … als wie von hoher Leidenschaft erfüllt.“
Rüdiger Ziemann ist Literaturwissenschaftler und im Vorstand der Ortlepp-gesellschaft. Er lebt in Wiehe.