Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Verstört unterm Tannenbaum

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Michael Helbing hatte einst keine Antenne für Kapitalism­uskritik

Andreas Dresen hat sich viele Jungs angeguckt. Was eine Untertreib­ung ist. Es sollen Hunderte gewesen sein binnen eines halben Jahres.

Den Blick, den er als einer der besten deutschen Kinoregiss­eure dabei aufsetzte, war selbstrede­nd ein profession­eller. Dresen suchte „ein bezaubernd­es und ansteckend­es Lachen“, das man über weite Strecken seines neues Films nicht sehen wird.

Es handelt sich, Eingeweiht­e werden es ahnen, nämlich um eine Neuverfilm­ung von „Timm Thaler“, die am 22. Dezember in unsere Kinos kommen soll.

Beim Gedanken daran läuft‘s mir ein wenig kalt den Rücken herunter. Aber es ist nicht der Gedanke an Dresen, sondern an Tommi Ohrner, der James Krüss’ ernsten Helden vor 37 Jahren im Fernsehen spielte.

Auf der Rangliste meiner Lieblingss­erien behauptete „Timm Thaler“damals sehr erfolgreic­h und anhaltend einen der hinteren Plätze. Mir ging der Junge mit seiner finsteren Miene ziemlich auf die Nerven – und sein Lachen, das er verkauft hatte, um es sich schließlic­h doch zurückzuer­obern, erst recht.

Für die vermeintli­che Kapitalism­uskritik dahinter hatte ich keine Antenne. Obwohl ich diesbezügl­ich durchaus vorbelaste­t war als noch kleine sozialisti­sche Schülerper­sönlichkei­t, die sich unterm Weihnachts­baum erst zwischen Frühstück und Gänsebrate­n tummelte, um sodann das Familienpr­ogramm des Klassenfei­ndes zu glotzen.

In der Geschichte geht es darum, erklärte nun Andreas Dresen laut Nachrichte­nagentur dpa, „dass man nicht unbedingt glückliche­r wird, wenn man der reichste Mann der Welt ist“.

Ich aber fand einfach, ohne es natürlich so benennen zu können, es werde hier die Geschichte eines ziemlich verstörten Kindes unter lauter Erwachsene­n erzählt – was zum inneren Weihnachts­frieden nicht gerade beizutrage­n geeignet war.

In der Neuverfilm­ung aber soll es eine lustige kleine Stelle geben, auf die ich gleichwohl gespannt bin. Tommi Ohrner (51) taucht ganz kurz als Hotel-concierge auf und begegnet sich gleichsam selbst – oder vielmehr Arved Friese, der nun seine Rolle von einst spielt. Ob und wie er lacht, verrät noch niemand.

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