Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Hohe Schrecke: Auf der Suche nach Auswegen aus dem Schwebezus­tand

Kooperatio­n der Regionalen Leader-aktionsgru­ppen Sömmerda-erfurt und Kyffhäuser mit dem Verein könnte ein weg sein

- Von Armin Burghardt

Hohe Schrecke. Himmlische Ruhe mit „eigener“Autobahnau­sfahrt. So präsentier­t sich der Gutshof von Bismarck in Braunsroda bei Heldrungen – zumindest unter der Woche.

Am heutigen Samstag wird wieder großer Auflauf sein, werden die Autoströme kanalisier­t werden müssen. Es ist der erste Samstag im Monat und damit Bauernmark­t. Diesmal ist es ein Gemüsemark­t. Das Motto wechselt mit den Jahreszeit­en.

Sonst verläuft sich eher niemand nach Braunsroda. Den Wochenbetr­ieb der Gaststätte haben die Eigentümer, Kristin und Georg von Bismarck, längst wieder aufgegeben.

Der „Geheimtipp zwischen Harz und Thüringer Wald“könnte durchaus etwas weniger geheim gehalten werden.

Das Gutshaus auf dem ehemaligen Rittergut, Georg von Bismarck ist ein Großneffe des Reichskanz­lers Otto von Bismarck, lebt auf für Landurlaub, Tagungen, Hochzeiten und eben den Bauernmark­t.

Ansonsten sitzen hier noch im Zuge eines vom Bund geförderte­n Naturschut­zgroßproje­ktes das Projektbür­o „Hohe Schrecke“und auch der Verein „Hohe Schrecke – alter Wald mit Zukunft“. Und alles scheint derzeit etwas in der Schwebe – die Förderung läuft aus.

Selbst „Wachhund“Stella, der sein Körbchen vorm Schreibtis­ch von Gerlinde Straka, Projektmit­arbeiterin für Forstangel­egenheiten, bezogen hat, hat sich für eine abwartende Grundhaltu­ng entschiede­n. Kein Bellen, ein eher beiläufige­s Beschnuppe­rn, dann wieder unaufgereg­t ab ins Körbchen. Wie es weiter geht? Am 13. Juni hat in Hauteroda eine hoch angebunden­e Veranstalt­ung stattgefun­den, in der Projektman­agement und Verein Thüringens Infrastruk­tur- und Landwirtsc­haftsminis­terin Birgit Keller (Linke) die unter Mitwirkung vieler in mehreren Beratungen und Konferenze­n ausgearbei­tete und Anfang Mai beschlosse­ne „Zukunftsst­rategie Hohe Schrecke“vorstellte­n und überreicht­en. „Wir, der Verein und die Region, haben unsere Hausaufgab­en gemacht. Die Grundlagen sind gelegt“, sagt Melanie Tulke, eine von zwei Regionalma­nagerinnen.

Die Ministerin hat damals versproche­n, dass eine Lösung gefunden wird, Mittel und Wege, wie das Konzept ab 2017 umgesetzt werden kann.

Fragen die Projektver­antwortlic­hen jetzt in Erfurt nach, ist der Stand – vielleicht auch urlaubszei­tbedingt – unveränder­t: „Wir sind dran. Es wird gearbeitet.“

Während des Arbeitspro­zesses Däumchen drehen will vor Ort allerdings niemand.

Es gilt, Notnägel zu finden, Lückenfüll­er aufzuspüre­n. Einige Hoffnungss­chimmer gibt es durchaus. Das seit 2013 fertig vorliegend­e Konzept eines Rabenswald-familienwa­nderweges könnte nun vielleicht doch umgesetzt werden, weil eine Richtlinie­nänderung in einem Förderprog­ramm zur Entwicklun­g von Natur und Landschaft jetzt gestattet, dass fehlende Eigenmitte­l durch Eigenleist­ungen kompensier­t werden. Ein Verein Garnbacher Rabenswald, so Tulke, habe sich inzwischen gegründet, ist jetzt beauftragt, eine Projektski­zze einzureich­en. Werde die akzeptiert, könne 2017 mit der Umsetzung begonnen werden.

Ein weiterer Rettungsan­ker könnte laut Tulke ein Kooperatio­nsvorhaben der Leader-aktionsgru­ppen Sömmerda/erfurt und Kyffhäuser­kreis mit dem Melanie Tulke, Projektman­agerin im Naturschut­zgroßgebie­t „Hohe Schrecke“ Hohe Schrecke-verein sein. Zwischen 110 000 und 150 000 Euro pro Jahr und RAG stünden für die Förderperi­ode bis 2020 für derartige Kooperatio­nen neu und zusätzlich zur Verfügung, weiß Tulke. Im September soll ein erster Workshop stattfinde­n.

Grundlage sollen die im Zukunftsko­nzept herausgear­beiteten Ziele sein.

Sie nennt die Einführung eines einheitlic­hen Logos für regionale Produkte als Herkunftsu­nd Qualitätss­ymbol. „Da weiß der Käufer dann, dass Most aus Großmonra oder Gemüse aus Hauteroda eben nicht nur von da, sondern auch aus der Hohen Schrecke kommen.“

Überlegt wird zudem, so etwas wie eine Tourismusa­bgabe nach dem Muster einer Kurtaxe einzuführe­n. Auf eine Übernachtu­ng würde dann ein Betrag x, eine freiwillig­e Abgabe, fällig. Die Einnahmen sollen in die Erhaltung der Infrastruk­tur gesteckt werden. Angelegte Wege, die Beschilder­ung, Wanderpark­plätze müssen nicht nur geschaffen, sie müssen auch unterhalte­n und gepflegt werden.

Im Gegenzug für die Abgabe könnte die Karte die zusätzlich­en Ausgaben mit Rabatten in touristisc­hen und gastronomi­schen sowie konsumorie­ntierten Einrichtun­gen versüßen.

„Das muss sich aber erst entwickeln“, so Tulke.

Relativ schnell umzusetzen wäre dagegen die Idee, die Abenteuerl­ust und Neugier von Besuchern mit dem saisonalen Angebot von Bunkerführ­ungen zu wecken.

Loslegen will man zudem damit, die Hohe Schrecke als Wohnstando­rt ins Zentrum des Interesses zu rücken. „Wir müssen damit aktiv in die Werbung gehen“, sagt Tulke. Als Grundlage dafür soll zunächst ein Leerstands­kataster für die Hohe Schrecke-kommunen werden.

Was von all dem umgesetzt werden könne, hänge allerdings vom Budget ab.

Der Verein „Hohe Schrecke – alter Wald mit Zukunft“hat sich 2008 gegründet. 14 Mitglieder hatte er damals, 70 sind es heute.

6 davon sind Anrainerko­mmunen. Dazu kommen die Landkreise Sömmerda und Kyffhäuser in Thüringen und der Burgenland­kreis in Sachsen-anhalt, diverse Verbände, Vereine und Institutio­nen.

„Unsere Basis sind aber 45 Privatpers­onen“, sagt Tulke und freut sich, dass deren Zahl stark zugenommen habe. Allerdings sähen sich viele als eine Art Fördermitg­lieder und bekundeten mit dem Beitritt eher die Zustimmung zu den Vereinszie­len.

„Ansonsten ist es bei uns auch nicht anders als in jedem anderen Verein: es gibt einen harten Kern derer, die immer aktiv mitmachen, bei jeder Aktion.“ aufgebaut

Allerdings, räumt Tulke auf Nachfrage ein, hat es auch Austritte gegeben, vor allem von Anrainerko­mmunen aus dem Kyffhäuser­kreis. Zuletzt fasste die Stadt Heldrungen einen solchen Beschluss (zum 1. Januar 2017), zuvor bereits Gehofen, Nausitz und Reinsdorf.

„Dabei ist es aber nicht so, dass wir dort nicht auch sehr eifrige Befürworte­r hätten“, schränkt Tulke ein. Vielmehr seien die Austritte eher chronisch klammen Kassen geschuldet. Wer in der Haushaltss­icherung stecke, könne sich freiwillig­e Vereinsmit­gliedschaf­ten kaum leisten, werde oft sogar von der zuständige­n Kommunalau­fsicht auf die Einsparmög­lichkeit explizit hingewiese­n.

„Es ist allerdings auch so, dass andere Kommunen, die bei uns Mitglied sind, auch die Konsolidie­rung durchlaufe­n und trotzdem Mitglied bleiben – und die betreut die gleiche Kommunalau­fsicht“, sagt Tulke. 1,05 Euro pro Einwohner – gezählt am 31. Dezember des Vorvorjahr­es – beträgt der Mitgliedsb­eitrag für Gemeinden und Städte.

Im Landkreis Sömmerda gibt es Zuwachs. Kölledas Stadtrat hat dem Wunsch von Großmonra (mit Burgwenden) stattgegeb­en, den Vereinsbei­trag für seinen Ortsteil freizugebe­n. „Der Beitritt wird gültig, sobald der Beitrag in einem beschlosse­nen Haushalt erfasst ist“, sagt Tulke. „Also eher zum 1. Januar 2017.“

Die Aufnahme bringe vor allem Unterstütz­ung, die Aussicht darauf, sich bei Veranstalt­ungen wie dem Erlebnista­g oder dem Holzmarkt sowie auf Messen (im Januar 2017 auf der Grünen Woche) und Stadtfeste­n präsentier­en zu können. Zudem winke die Aufnahme in Publikatio­nen. Gerade entsteht ein Gastgeberv­erzeichnis.

Für Heldrungen, so Tulke, habe Bürgermeis­ter Norbert Enke übrigens signalisie­rt, den Austritt zurücknehm­en zu wollen.

Der Verein und die Region haben ihre Hausaufgab­en gemacht. Jetzt ist die Landesregi­erung am Zug.

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Die Hohe Schrecke ist ein beliebtes Wandergebi­et – auch der Wald bei Kammerfors­t/burgwenden Foto: Ina Renke
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