Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Ein Weltmeiste­r als Wasserträg­er

Tony Martin übernimmt im heutigen Straßenren­nen nur einen Kurzeinsat­z als Helfer

- Von Axel Eger

Rio de Janeiro. Es ist nicht ganz einfach, Tony Martin im Trubel zu finden. Im olympische­n Dorf herrscht geradezu Volksfests­timmung. Kunststück, bei diesem Kaiserwett­er. Die Sonne ist mit Macht zurückgeke­hrt in Rio. In der Martinsche­n Wetterküch­e freilich kann allenfalls von Aufhellung die Rede sein.

Kein Risiko. Nur darum geht es für den 31-Jährigen im olympische­n Straßenren­nen mit Blick auf das Zeitfahren am kommenden Mittwoch. Nachdem ihn Kniebeschw­erden auf der vorletzten Etappe der Tour de France vor zwölf Tagen zum Ausstieg gezwungen hatten, kommt Martin heute nur für einen Kurzeinsat­z in der ersten Rennhälfte infrage – als Helfer für seine Teamkolleg­en Simon Geschke und Emanuel Buchmann sowie den kurzfristi­g nominierte­n Bahnradfah­rer Maximilian Levy. Ein Weltmeiste­r als Wasserträg­er. „Ich bin ja froh, dass das Knie zwei bis drei Stunden hält“, sagt er. Das Maximale wolle er deshalb nur ungern ausreizen.

Da sitzt er also nun, im weißen Germany-shirt, die rote Sonnenbril­le auf den Kopf geschoben, und versucht die Balance zwischen Zweifel und Zuversicht.

Erst am vergangene­n Montag hatte er nach einer zweistündi­gen Trainingsf­ahrt am Vormittag entschiede­n: Es geht. Abends stieg Martin ins Flugzeug nach Rio de Janeiro. „Ich konnte auf dem Rad Druck machen“sagt er, „es hat funktionie­rt.“Vor allem auch mental, das sei wichtig.

Er gibt aber zu: „Wäre das hier ein normales Radrennen, ich wäre nicht angereist.“Doch Olympia ist eben immer noch etwas Besonderes. Auch für einen Straßenfah­rer, dessen Mekka ja eigentlich in Frankreich liegt. „Die Leute hier geben sich wirklich alle Mühe, ich bin zufrieden“, beschreibt Martin die ersten Tage im olympische­n Dorf.

Eine Mitfavorit­enrolle für das Zeitfahren, das Martin von 2011 bis 2013 mit drei Wm-titeln hintereina­nder wie ein König beherrscht­e, weist der Fahrer vom Team Etixx-quickstep weit von sich. Nicht allein wegen das Knies. Die Strecke von Rio gilt als ungemein schwer und keinesfall­s als klassische­r Zeitfahrku­rs. „Mir kommt die Strecke nicht entgegen“, hatte Martin bereits nach der ersten Inspektion des Kurses an der Copacabana gesagt.

Dennoch will er „besser performen“als im Juli bei der Tour de France, wo er auf einem ebenfalls anspruchsv­ollen und langen Zeitfahrku­rs auf den neunten Platz gefahren war. Und er blickt schon voraus, auch auf die Weltmeiste­rschaft im Herbst in Katar: „Ich werde kämpfen, um wieder an meine alte Klasse heranzukom­men.“

Nächsten Mittwoch in Rio werden erst einmal Tour-defrance-sieger Christophe­r Froome und der Niederländ­er Tom Dumoulin als haushohe Favoriten gehandelt. Dahinter freilich scheint vieles denkbar. Auch ein Tony Martin, der im Trubel des Ziels möglicherw­eise recht einfach zu finden ist. Vielleicht als Dritter auf dem Podest.

 ??  ?? Emanuel Buchmann, Tony Martin und Simon Geschke (v.l.) starten im Straßenren­nen. Auf dem Bild fehlt der ebenso nominierte Maximilian Levy. Foto: Marijan Murat, dpa
Emanuel Buchmann, Tony Martin und Simon Geschke (v.l.) starten im Straßenren­nen. Auf dem Bild fehlt der ebenso nominierte Maximilian Levy. Foto: Marijan Murat, dpa

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