Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Das Kreuz aus der Schulmauer
Die Voigtstedter passten auf und stellten ihr Steinkreuz und den „Schulzenstein“sicher
Eine beträchtliche Anzahl von Steinkreuzen ist irgendwann einmal in Mauern und sogar in Hauswände eingefügt worden. Bei manchen zierlichen Grabsteinkreuzen von Kirch- und Friedhöfen ist das nicht weiter verwunderlich; sind sie doch von vornherein nie für eine freie Aufstellung vorgesehen gewesen. Ansonsten sind die Gründe, weshalb ein womöglich frei stehendes Steinkreuz plötzlich als (billiges) Baumaterial in einen Mauerverbund geriet, in keinem einzigen Fall mehr sicher nachvollziehbar. Auch sehr frühe Einmauerungen sind belegt wie zum Beispiel die ursprünglich sieben oder acht Kreuze der Nordhäuser Cyriaki-kapelle, die schon 1701 als von altersher „eingemauret“beschrieben werden. Weil es oft auch nur Steinkreuz-reste sind, könnte hinter dem Einmauern auch der Wille einer Bewahrung vor dem gänzlichen Verlust ein nicht außer Acht zu lassender Gesichtspunkt sein. Nicht ohne Not vergriff man sich in früherer Zeit an einem (Stein-)kreuz, dem christlichen Zeichen höchster Symbolik. Ein solcher Steinkreuz-rest, dem der tragende Schaft fehlt, war im nordthüringischen Voigtstedt in die Außenwand eines Nebengebäudes (Toiletten, vorher Stall) der Schule in Fußbodenhöhe eingefügt. Als es 1997 abgerissen wurde, achteten die Einwohner auf die Bergung „ihres“Steinkreuzes und brachten es in die nur 50 Meter entfernte Kirche. Immerhin war das Kreuz altbekannt und trotz des widrigen Umstandes, jahrzehntelang überputzt und dadurch dem Blick verborgen zu sein, nie wirklich in Vergessenheit geraten. Der Eislebener Gymnasiallehrer und Heimathistoriker Hermann Größler (1840-1910) erwähnt es in einer Zeit, als das Interesse an diesen merkwürdigen Steinsetzungen gerade aufkam, 1890 als erster. Da war es schon längst eingemauert an der Stelle, „wo früher ein Dorfthor war“, wie er hinzufügt. Ein halbes Jahrhundert später, 1938, fertigte Gustav Adolf Spengler junior (1900-1993), der Sohn des Sangerhäuser Museumsgründers, eine Zeichnung des eingemauerten Kreuzes an.
Auch eine Sagenüberlieferung gibt es, die für das Kreuz eine Erklärung über die früheren Rittergüter im Ort herzuleiten versucht: „Vom Kreuz erzählt man sich, dass sich zwei in Fehde lebende Ritter in Voigtstedt aussöhnen wollten. Bei ihrem Treffen überwältigte Zorn und Hass den einen, sodass er den anderen erschlug. Dafür kam es zur Setzung des Kreuzes. Andere wollen wissen, dass hier zwei Ritter einen Zweikampf ausgefochten haben.“Der Steinkreuz-rest besteht aus rötlichem Kyffhäuser-sandstein und ist ohne seinen Schaft, der nicht gefunden wurde und schon lange fehlt, nur noch 51 Zentimeter hoch und 72 Zentimeter breit.
Das höchstens 500 Jahre alte Steinkreuz hat seit dem Abbruch der Hauswand eine Bleibe im Inneren der St.-marienkirche gefunden. Es ist eines von den Kleindenkmalen des Ortes, die von der Interessengemeinschaft Heimatstube Voigtstedt betreut werden.
Sehenswert ist auch der „Schulzenstein“, der vor 45 Jahren durch einen beherzten Einwohner der Zerstörung entging und nun in der Schenkstraße neben dem Brunnen steht. An der Steinplatte wurden Dinge des dörflichen Alltags, des Zusammenlebens besprochen und kleinere Streitigkeiten beigelegt.
Kreuz erinnert an die Fehde zweier Ritter