Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Das Kreuz aus der Schulmauer

Die Voigtstedt­er passten auf und stellten ihr Steinkreuz und den „Schulzenst­ein“sicher

- Von Frank Störzner

Eine beträchtli­che Anzahl von Steinkreuz­en ist irgendwann einmal in Mauern und sogar in Hauswände eingefügt worden. Bei manchen zierlichen Grabsteink­reuzen von Kirch- und Friedhöfen ist das nicht weiter verwunderl­ich; sind sie doch von vornherein nie für eine freie Aufstellun­g vorgesehen gewesen. Ansonsten sind die Gründe, weshalb ein womöglich frei stehendes Steinkreuz plötzlich als (billiges) Baumateria­l in einen Mauerverbu­nd geriet, in keinem einzigen Fall mehr sicher nachvollzi­ehbar. Auch sehr frühe Einmauerun­gen sind belegt wie zum Beispiel die ursprüngli­ch sieben oder acht Kreuze der Nordhäuser Cyriaki-kapelle, die schon 1701 als von altersher „eingemaure­t“beschriebe­n werden. Weil es oft auch nur Steinkreuz-reste sind, könnte hinter dem Einmauern auch der Wille einer Bewahrung vor dem gänzlichen Verlust ein nicht außer Acht zu lassender Gesichtspu­nkt sein. Nicht ohne Not vergriff man sich in früherer Zeit an einem (Stein-)kreuz, dem christlich­en Zeichen höchster Symbolik. Ein solcher Steinkreuz-rest, dem der tragende Schaft fehlt, war im nordthürin­gischen Voigtstedt in die Außenwand eines Nebengebäu­des (Toiletten, vorher Stall) der Schule in Fußbodenhö­he eingefügt. Als es 1997 abgerissen wurde, achteten die Einwohner auf die Bergung „ihres“Steinkreuz­es und brachten es in die nur 50 Meter entfernte Kirche. Immerhin war das Kreuz altbekannt und trotz des widrigen Umstandes, jahrzehnte­lang überputzt und dadurch dem Blick verborgen zu sein, nie wirklich in Vergessenh­eit geraten. Der Eislebener Gymnasiall­ehrer und Heimathist­oriker Hermann Größler (1840-1910) erwähnt es in einer Zeit, als das Interesse an diesen merkwürdig­en Steinsetzu­ngen gerade aufkam, 1890 als erster. Da war es schon längst eingemauer­t an der Stelle, „wo früher ein Dorfthor war“, wie er hinzufügt. Ein halbes Jahrhunder­t später, 1938, fertigte Gustav Adolf Spengler junior (1900-1993), der Sohn des Sangerhäus­er Museumsgrü­nders, eine Zeichnung des eingemauer­ten Kreuzes an.

Auch eine Sagenüberl­ieferung gibt es, die für das Kreuz eine Erklärung über die früheren Rittergüte­r im Ort herzuleite­n versucht: „Vom Kreuz erzählt man sich, dass sich zwei in Fehde lebende Ritter in Voigtstedt aussöhnen wollten. Bei ihrem Treffen überwältig­te Zorn und Hass den einen, sodass er den anderen erschlug. Dafür kam es zur Setzung des Kreuzes. Andere wollen wissen, dass hier zwei Ritter einen Zweikampf ausgefocht­en haben.“Der Steinkreuz-rest besteht aus rötlichem Kyffhäuser-sandstein und ist ohne seinen Schaft, der nicht gefunden wurde und schon lange fehlt, nur noch 51 Zentimeter hoch und 72 Zentimeter breit.

Das höchstens 500 Jahre alte Steinkreuz hat seit dem Abbruch der Hauswand eine Bleibe im Inneren der St.-marienkirc­he gefunden. Es ist eines von den Kleindenkm­alen des Ortes, die von der Interessen­gemeinscha­ft Heimatstub­e Voigtstedt betreut werden.

Sehenswert ist auch der „Schulzenst­ein“, der vor 45 Jahren durch einen beherzten Einwohner der Zerstörung entging und nun in der Schenkstra­ße neben dem Brunnen steht. An der Steinplatt­e wurden Dinge des dörflichen Alltags, des Zusammenle­bens besprochen und kleinere Streitigke­iten beigelegt.

Kreuz erinnert an die Fehde zweier Ritter

 ??  ?? Der Steinkreuz-rest war sehr lange Zeit eingemauer­t und zeitweise sogar überputzt. Foto: Frank Störzner
Der Steinkreuz-rest war sehr lange Zeit eingemauer­t und zeitweise sogar überputzt. Foto: Frank Störzner

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