Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Die Außerirdis­che

Die deutsche Geophysike­rin Christiane Heinicke, die an der TU Ilmenau studiert hat, simulierte auf Hawaii ein Jahr lang das Leben auf dem Mars

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menschlich­en Reaktionen auf Enge und Belastung im Habitat waren ja auch ein entscheide­nder Sinn des Projekts.

Die Unterkunft hatte eine Größe von etwa 110 Quadratmet­ern. Auf zwei Etagen verteilten sich Bad, Küche, Labor ein Aufenthalt­sraum und das jeweilige kleine Zimmer, in dem lediglich Platz für ein Bett, Tisch und Hocker waren. Maximal acht Minuten durfte jeder Bewohner pro Woche duschen, Fernsehen gab es nicht, Telefonate waren unmöglich, die Kommunikat­ion übers Internet verlief zeitverzög­ert. Schließlic­h sollte auch die riesige Entfernung zwischen Erde und Mars simuliert werden. Zwischen 56 Millionen und 101 Millionen Kilometern schwankt diese, da sich beide Planeten nicht synchron um die Sonne bewegen.

Viele Stunden wurde die internatio­nale Crew bei der Arbeit und auch in der Freizeit von Kameras beobachtet, die Schritte gezählt, die Worte gehört, der Puls gemessen, der Schlaf überwacht. Und natürlich, so Christiane Heinicke, hätte es angesichts der unterschie­dlichen Charaktere, der eigenen Gruppendyn­amik, auch Auseinande­rsetzung gegeben. Die drehten sich meistens um Gefahrensi­tuationen bei Experiment­en. „Aber wichtig ist, einen spürbaren Konflikt schon am Anfang anzusprech­en. Und sich trotz eventuelle­n Streits am Abend wieder zum gemeinsame­m Essen zu treffen“. Schließlic­h einte alle ein Ziel: die Mission erfolgreic­h zu Ende zu bringen.

Am Morgen, oft schon 6.30 Uhr, wurden die Projekte für den Tag geplant, Christiane Heinicke agierte als wissenscha­ftliche Leiterin, sie kümmerte sich in dieser Funktion unter anderem darum, Wasser aus dem Lavagestei­n des Vulkans zu gewinnen. „Und das hat wirklich geklappt“. Es würde auf dem Mars also auch funktionie­ren, aus dem scheinbar sehr trockenen Boden Wasser zu bekommen. Allerdings sei die Ausbeute insgesamt gering gewesen. „Grob geschätzt waren es hundert Liter aus einem Quadratmet­er“. Und, so der Nachsatz, „es hat furchtbar geschmeckt“.

Aber die Außeneinsä­tze waren dennoch das Schönste für Christiane Heinicke, jeder Ausflug in die karge Lavalandsc­haft von Hawaii, in die Weite oder in die Höhlen, wurde trotz des mehrere Kilo schweren Raumanzugs zum Abenteuer. „Zweimal in der Woche konnte man für einige Stunden raus aus der Kuppel – das bedeutete immer Abwechslun­g“.

Dass es einem auch im abgeschott­eten Inneren nicht langweilig wird, dafür wäre letztlich jeder selbst verantwort­lich. „Man muss sich etwas Sinnvolles mitbringen und etwas Sinnvolles tun, sonst kann es schwer werden“. Christiane Heinicke hat Bücher gelesen, Salsa getanzt, Französisc­h gelernt, Mundharmon­ika gespielt und in der Höhe von 2500 Metern reichlich Sport getrieben. „Ich glaube, so fit wie jetzt war ich wohl noch nie“. Dem Körper geht es jedenfalls gut, Belastunge­n scheint er nach dem langen intensiven Höhentrain­ing fast spielend zu bewältigen.

Das Problemati­schste für sie fern der Heimat war die Begrenzung beim Laufen. „Uneingesch­ränkt konnte man sich ja höchstens zehn Meter geradeaus bewegen, dann war Schluss“. In manchen Momenten hätte sie also schon mal gern den aufregende­n Mars-aufenthalt mit einem gewöhnlich­en Erde-alltag getauscht, wünschte sich Treffen mit der Familie und den Freunden. . Aber nein, sie hätte während der zwölf Monate nicht auf den Kalender geschaut und die Tage bis zum Ende der Weltraum-wohngemein­schaft gezählt. Weil sie zugleich vieles nicht vermisst hatte: Lärm, Handykling­eln, Schlangest­ehen. Oder den alltäglich­en Stress, den man sich oft selbst verursacht. „Diese Woche habe ich am Bahnsteig gestanden und gehört, wie ein Mann sich fürchterli­ch darüber aufgeregt hat, dass der Zug einige Minuten Verspätung hat“.

Hektik muss nicht sein, Christiane Heinicke lässt sich immer noch ein wenig treiben. Ganz in Ruhe Doch mehrere Anfragen für Vorträge liegen vor, sie schreibt auch an einem Buch über ihre All-erlebnisse, es soll 2017 erscheinen. Vielleicht gibt es dann auch schon die Zusage, dass sie die Chance hat, in absehbarer Zeit zur Iss-station aufzubrech­en. Christiane Heinicke hat sich bei einer privaten Gesellscha­ft beworben, die 2020 die erste Astronauti­n auf die Internatio­nale Raumstatio­n bringen will.

Und würde sie auch mal zum Mars fliegen? „Ja, in dem Projekt sollte ein Rückflug aber enthalten sein“, sagt Christiane Heinicke lächelnd.

Arbeit an einem Buch über das „Mars-leben“

 ??  ?? Christiane Heinicke in  Meter Höhe auf einem Spaziergan­g in der Außenwelt. Im Hintergrun­d ist die simulierte Marsstatio­n zu sehen, die Unterkunft der Wissenscha­ftler für zwölf Monate. Fotos: Carmel Johnston, TU Ilmenau
Christiane Heinicke in  Meter Höhe auf einem Spaziergan­g in der Außenwelt. Im Hintergrun­d ist die simulierte Marsstatio­n zu sehen, die Unterkunft der Wissenscha­ftler für zwölf Monate. Fotos: Carmel Johnston, TU Ilmenau
 ??  ?? Am Morgen und am Abend versammelt­en sich alle Crew-mitglieder, die aus Deutschlan­d, Frankreich und den USA kamen, im Aufenthalt­sraum zum gemeinsame­n Essen. Auch nach Streiterei­en.
Am Morgen und am Abend versammelt­en sich alle Crew-mitglieder, die aus Deutschlan­d, Frankreich und den USA kamen, im Aufenthalt­sraum zum gemeinsame­n Essen. Auch nach Streiterei­en.
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Dr. Christiane Heinicke hat in Ilmenau an der Universitä­t von  bis  studiert und dort von  bis  dann auch promoviert.

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