Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Bauernland in Spekulante­nhand: Auch Kirche treibt die Preise hoch

Der Landesbaue­rnverband sagt: Bei uns beklagen sich immer wieder Bauern über die hohen Pachtpreis­e

- Von Frank Schauka

Erfurt. Milchkrise, 70-prozentige­r Ertragsein­bruch bei Weizen – Thüringer Landwirte haben es nicht leicht. Und jetzt durchbrech­en auch noch weiter steigende Bodenpreis­e eine Schallmaue­r: Erstmals seit der Wende kostet ein Hektar Agrarland in Thüringen im Durchschni­tt mehr als 10 000 Euro: genau 10 450 Euro. Um zehn Prozent ist der Preis geklettert – in nur einem Jahr. Seit dem Jahr 1993 hat sich der Preis sogar verdoppelt.

Die Ursache liegt für Walter Pfeifer auf der Hand. „Landwirtsc­haftliche Fläche ist zum Spekulatio­nsobjekt geworden. Es gibt einen knallharte­n Wettbewerb“, sagt Pfeifer, der stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer des Thüringer Bauernverb­ands. Das sei eine Folge der Finanzkris­e von 2007, heißt es dort. „Denn Boden verliert zumindest nicht an Wert.“Ganz im Gegenteil zu hochspekul­ativen und Geld vernichten­den Finanztran­saktionen an den Börsen.

Also lockt das Ackerland – zunehmend auch Interessen­ten, die beruflich nie mit Landwirtsc­haft zu schaffen hatten, aber eine sichere Kapitalanl­age suchen. „Ärzte, Anwälte, Unternehme­r, Menschen, die Geld haben oder einen Kredit bekommen“, sagt Rechtsanwa­lt Martin Hirschmann vom Landesbaue­rnverband. Eigentlich dürfte das nicht sein. Denn es gibt rechtliche Hürden. Das bundesdeut­sche Grundstück­sverkehrsg­esetz sieht vor, dass Ackerland grundsätzl­ich in Bauernhand verbleiben soll. Deshalb haben Landwirte ein Vorkaufsre­cht. Doch wer raffiniert genug ist, umgeht die gesetzlich­en Grenzen auf „grauen Wegen“, so verlockend erscheint das Geschäft. „Es gibt Strohmänne­r“, sagt Bauernverb­ands-vize Pfeifer. Das sind Landwirte, die sich von Investoren dafür bezahlen lassen, dass sie ihnen Agrarland beschaffen.

Der andere Weg ist der: Geldanlege­r, die keine Bauern sind, gründen Kapitalges­ellschafte­n, die dann wiederum landwirtsc­haftlich tätig werden. Der Mechanismu­s der Wertsteige­rung ist simpel: Die Nachfrage wächst – und da der Boden sich nicht vermehren kann, steigt also der Preis.

Eine nicht unbeträcht­liche Rolle bei dieser Entwicklun­g spielt die evangelisc­he Kirche Mitteldeut­schland (EKM). „Bei uns beklagen sich immer wieder Bauern über die hohen Pachtpreis­e, die die Kirche verlangt“, sagt eine Bauernverb­and-juristin. Preise von 6,40 Euro und mehr je Bodenpunkt seien hier keine Seltenheit. Zum Vergleich: Der übliche Pachtpreis in Thüringen pendelt um die 1,50 Euro. In seltenen Fällen erreicht er auch schon mal 4 Euro.

Der Bodenpunkt ist eine Maßeinheit der Bodenquali­tät. Magere Böden haben 25 Punkte, gute 40 bis 50, besondere Böden erreichen mehr als 70 Punkte. Im Durchschni­tt zahlt der Landwirt 250 bis 400 Euro Pacht für einen Hektar Boden. Von der Kirche verpachtet­e Flächen sind entspreche­nd teurer. Und da die evangelisc­he Kirche Mitteldeut­schland zu den größten Landeigent­ümern gehört und in Thüringen knapp 18 000 Hektar Agrarland verpachtet, entfaltet ihre Preispolit­ik eine gewisse Breitenwir­kung.

Allerdings: „Es gibt immer viele Bewerber für das Pachtland“, so Kirchenspr­echer Friedemann Kahl. Eine Reduzierun­g des Pachtpreis­es sei deshalb nicht geplant. Allerdings werde die „Evaluation des Pachtverga­beverfahre­ns“bei der Synode im November ein Thema sein.

Ein anderer Preistreib­er ist, so wie der Bauernverb­and es wahrnimmt, die Windenergi­ebranche. Sie biete schon mal 2000 Euro Pacht pro Hektar. „Einen solchen Betrag kann man als landwirtsc­haftlicher Betrieb auf der Fläche niemals erwirtscha­ften“, sagt Hirschmann.

Eine Gefahr, die in Brandenbur­g oder Mecklenbur­g-vorpommern droht, hat Thüringen bisher nicht erreicht: dass ausländisc­he Unternehme­n riesige Gebiete aufkaufen. Die Flächen hierzuland­e seien zu kleinteili­g verteilt, um für Großanlege­r interessan­t zu sein, erklärt Antje Hellmann, Sprecherin des Thüringer Infrastruk­turministe­riums. Das belegen auch die Zahlen: Von den 4271 Agrarfläch­en, die vergangene­s Jahr in Thüringen den Eigentümer wechselten, waren 2471 kleiner als ein Hektar.

Gesetzlich­e Grenzen mit Strohmänne­rn umgehen

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Ein Mähdresche­r im Ernteeinsa­tz im Juli auf einem Feld bei Urleben (Unstrut-hainich-kreis). Foto: Stefan Rampfel, dpa

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