Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Bauernland in Spekulantenhand: Auch Kirche treibt die Preise hoch
Der Landesbauernverband sagt: Bei uns beklagen sich immer wieder Bauern über die hohen Pachtpreise
Erfurt. Milchkrise, 70-prozentiger Ertragseinbruch bei Weizen – Thüringer Landwirte haben es nicht leicht. Und jetzt durchbrechen auch noch weiter steigende Bodenpreise eine Schallmauer: Erstmals seit der Wende kostet ein Hektar Agrarland in Thüringen im Durchschnitt mehr als 10 000 Euro: genau 10 450 Euro. Um zehn Prozent ist der Preis geklettert – in nur einem Jahr. Seit dem Jahr 1993 hat sich der Preis sogar verdoppelt.
Die Ursache liegt für Walter Pfeifer auf der Hand. „Landwirtschaftliche Fläche ist zum Spekulationsobjekt geworden. Es gibt einen knallharten Wettbewerb“, sagt Pfeifer, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Thüringer Bauernverbands. Das sei eine Folge der Finanzkrise von 2007, heißt es dort. „Denn Boden verliert zumindest nicht an Wert.“Ganz im Gegenteil zu hochspekulativen und Geld vernichtenden Finanztransaktionen an den Börsen.
Also lockt das Ackerland – zunehmend auch Interessenten, die beruflich nie mit Landwirtschaft zu schaffen hatten, aber eine sichere Kapitalanlage suchen. „Ärzte, Anwälte, Unternehmer, Menschen, die Geld haben oder einen Kredit bekommen“, sagt Rechtsanwalt Martin Hirschmann vom Landesbauernverband. Eigentlich dürfte das nicht sein. Denn es gibt rechtliche Hürden. Das bundesdeutsche Grundstücksverkehrsgesetz sieht vor, dass Ackerland grundsätzlich in Bauernhand verbleiben soll. Deshalb haben Landwirte ein Vorkaufsrecht. Doch wer raffiniert genug ist, umgeht die gesetzlichen Grenzen auf „grauen Wegen“, so verlockend erscheint das Geschäft. „Es gibt Strohmänner“, sagt Bauernverbands-vize Pfeifer. Das sind Landwirte, die sich von Investoren dafür bezahlen lassen, dass sie ihnen Agrarland beschaffen.
Der andere Weg ist der: Geldanleger, die keine Bauern sind, gründen Kapitalgesellschaften, die dann wiederum landwirtschaftlich tätig werden. Der Mechanismus der Wertsteigerung ist simpel: Die Nachfrage wächst – und da der Boden sich nicht vermehren kann, steigt also der Preis.
Eine nicht unbeträchtliche Rolle bei dieser Entwicklung spielt die evangelische Kirche Mitteldeutschland (EKM). „Bei uns beklagen sich immer wieder Bauern über die hohen Pachtpreise, die die Kirche verlangt“, sagt eine Bauernverband-juristin. Preise von 6,40 Euro und mehr je Bodenpunkt seien hier keine Seltenheit. Zum Vergleich: Der übliche Pachtpreis in Thüringen pendelt um die 1,50 Euro. In seltenen Fällen erreicht er auch schon mal 4 Euro.
Der Bodenpunkt ist eine Maßeinheit der Bodenqualität. Magere Böden haben 25 Punkte, gute 40 bis 50, besondere Böden erreichen mehr als 70 Punkte. Im Durchschnitt zahlt der Landwirt 250 bis 400 Euro Pacht für einen Hektar Boden. Von der Kirche verpachtete Flächen sind entsprechend teurer. Und da die evangelische Kirche Mitteldeutschland zu den größten Landeigentümern gehört und in Thüringen knapp 18 000 Hektar Agrarland verpachtet, entfaltet ihre Preispolitik eine gewisse Breitenwirkung.
Allerdings: „Es gibt immer viele Bewerber für das Pachtland“, so Kirchensprecher Friedemann Kahl. Eine Reduzierung des Pachtpreises sei deshalb nicht geplant. Allerdings werde die „Evaluation des Pachtvergabeverfahrens“bei der Synode im November ein Thema sein.
Ein anderer Preistreiber ist, so wie der Bauernverband es wahrnimmt, die Windenergiebranche. Sie biete schon mal 2000 Euro Pacht pro Hektar. „Einen solchen Betrag kann man als landwirtschaftlicher Betrieb auf der Fläche niemals erwirtschaften“, sagt Hirschmann.
Eine Gefahr, die in Brandenburg oder Mecklenburg-vorpommern droht, hat Thüringen bisher nicht erreicht: dass ausländische Unternehmen riesige Gebiete aufkaufen. Die Flächen hierzulande seien zu kleinteilig verteilt, um für Großanleger interessant zu sein, erklärt Antje Hellmann, Sprecherin des Thüringer Infrastrukturministeriums. Das belegen auch die Zahlen: Von den 4271 Agrarflächen, die vergangenes Jahr in Thüringen den Eigentümer wechselten, waren 2471 kleiner als ein Hektar.
Gesetzliche Grenzen mit Strohmännern umgehen