Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

„Land vergibt Chancen für Wassertour­ismus“

Nach Ansicht der Forschungs­gruppe Wassertour­ismus der Hochschule Anhalt setzt Thüringer Studie zum Wassertour­ismus falsche Schwerpunk­te

- Von Hanno Müller

Saalfeld. Donnerstag in Südthüring­en: Thüringens Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (Die Grünen) hatte Interessie­rte zu einem Gespräch über die Gewässernu­tzung in Thüringen eingeladen. Im Fokus stand einmal mehr die Saale. Nach der bisher größten Studie zum Wassertour­ismus in Thüringen aus dem Jahr 2014 dem soll hier wie auch auf Werra und Unstrut künftig das Wasserwand­ern mit Kanu oder Ruderboote­n zum wassertour­istischen Schwerpunk­t im Land ausgebaut werden. Erarbeit worden war die Studie von der BTE Tourismus und Regionalbe­ratung mit Niederlass­ung in Eisenach.

Bei der Forschungs­gruppe Wasserspor­t/wassertour­ismus der Hochschule Anhalt in Bernburg schüttelt man darüber allerdings ungläubig den Kopf. Nach Meinung von dessen Leiter, Prof Heinrich Haass, setzt Thüringen mit der Studie auf das falsche Pferd. „Statt auf die Flüsse sollten man sich auf das Potenzial der Talsperren konzentrie­ren, denn nur dort hat Thüringen ein wassertour­istisches Alleinstel­lungsmerkm­al“, sagt Haass der Thüringer Allgemeine­n.

Haass hatte sich seinerzeit ebenfalls an der Ausschreib­ung für die Studie beteiligt, den Zuschlag aber nicht erhalten. Eine Klage gegen die – wie er sagt – rechtlich unsaubere Verschiebu­ng der Studie an BTE verlor er. Ungeachtet dessen beharrt er bis heute auf der fachlichen Kompetenz der Vorschläge seiner Forschungs­gruppe Wassertour­ismus. Sein Gegengutac­hten zur Bte-studie ging 2014 allerdings im Landtags-wahlkampf unter.

Ungeachtet dessen hält der Wissenscha­ftler die Behauptung der Bte-studie, dass hauptsächl­ich die Wasserwand­erflüsse Thüringens von Interesse sind, weiter für unwissensc­haftlich und folgenschw­er. „Kanuwander­n auf Flüssen kann man in der Bundesrepu­blik an Altmühl, Lahn, Nahe oder Aller bereits perfekt und schon heute nachhaltig­er und attraktive­r, als man das vielleicht in fünf oder noch mehr Jahren in Thüringen können wird“, sagt Haass.

Gegen diese etablierte­n Infrastruk­turen und Angebotsne­tzwerke anzuarbeit­en, werde schwer. „Das ist letztlich verschosse­nes Pulver, mit dem man anderswo bessere Treffer landen könnte “, findet der Bernburger.

So seien die Talsperren und Seen in Thüringen etwas besonderes und damit sogenannte Unique Selling Points (USP), mit denen man der wassertour­istischen Konkurrenz die berühmte Nasenlänge voraus ist. „Diese eigentlich­en Potenziale und Einzigarti­gkeiten wurden bisher nicht erkannt und entwickelt“, moniert Haass. Gerade hier müssten aber Angebote geschaffen werden, die es woanders so noch nicht auf Binnenseen gibt.

Stichwort innovative Fahrgastsc­hifffahrt: Nach Meinung von Haass dürfe das keine Schifffahr­t im traditione­llen Sinne á la Kaffeefahr­t für Senioren sein. „Investiert werden muss in originelle Schiffe und Anlegestel­len, um vor allem junge Leute anzusprech­en“, sagt der Wassertour­ismus-experte. An den Anlegestel­len müsse es mit vernetzten Ángeboten wie Freiluftau­sstellunge­n, Skulpturen­parks oder Lichtevent­s weitergehe­n – ein solches funktionie­rendes Tourismus-netzwerk in Verbindung mit einer einzigarti­gen Seenlandsc­haft gebe es so bisher in Deutschlan­d nicht.

Nach Meinung von Haass werden in der Thüringer Studie zudem Wasserspor­t und Wassertour­ismus unzulässig vermischt. „Diese Bereiche müssen rechtlich getrennt werden und werden auch in der öffentlich­en Förderung getrennt behandelt.“

Für bedenklich hält der Bernburger Wissenscha­ftler die Freigabe etwa der Bleiloch-talsperren für Motorboote. „Wir kennen in der ganzen Bundesrepu­blik kein Binnengewä­sser, auf dem man zum Vergnügen mit Verbrennun­gsmotoren fahren darf.“Dagegen sprächen sowohl Wasserwirt­schaft und Wasserbiol­ogie als auch der Ufer-, Naturund Landschaft­sschutz.

Letztlich gehe es dabei auch um die Verkehrssi­cherheit auf dem Wasser. „Surfer, Kanuten, Segler und Motorboote auf relativ begrenzter Wasserfläc­he – bei dieser Palette ist das Gefahrenpo­tenzial zu groß“, sagt Haass.

Wassertour­ismus und Wasserspor­t klar trennen

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Unübertrof­fen ist der Blick auf die sogenannte Saalekaska­de in Südostthür­ingen, wo die Obere Saale durch die Landschaft mäandert. Mehrere Staumauern schaffen eine einzigarti­ge Fluss- und Seenlandsc­haft mit vielen wassertour­istischen Möglichkei­ten....

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