Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Thüringens erste Porzellankapelle
Mit einem ökumenischen Festgottesdienst wird an diesem Samstag um 12.30 Uhr auf der Leuchtenburg bei Kahla Thüringens erste Porzellankapelle eröffnet und geweiht
Kahla. Vor 270 Jahren, am 7. August 1746, lud der Orlamünder Pfarrer zur Kirchweihe der damaligen Gefängniskapelle auf die Leuchtenburg ein. Heute wiederholt sich dieser feierliche Akt an gleichem Ort, nur mit anderen Personen. Erneut steht ab 12.30 Uhr in der kleinen Kapelle mit einem ökumenischen Festgottesdienst die Kirchweihe an, und das Protokoll von damals wird sich nahezu wiederholen. 70 Plätze bietet der Innenraum – zum Festgottesdienst vorwiegend für geladene Gäste. Unter anderem wird heute Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow erwartet und der Architekt und Designer Michael J. Brown, der für sein erstes Kirchenprojekt aus Los Angeles auf die Leuchtenburg reist.
Mit dem evangelischen Regionalbischof Propst Diethard Kamm, der die Kapelle weiht, dem katholischen Pfarrer Dekan Klaus Schreiter aus Gera, der ebenfalls den Altar weiht und segnet, dem evangelischen Superintendenten Arnd Kuschmierz und den evangelischen Pfarrern Matthias Schubert aus Kahla, Wolfgang Freund aus Orlamünde sowie dem evangelischen Diakon Michael Serbe werden auch die entsprechenden Kirchenvertreter anwesend sein.
Für alle Interessierten, die dem Festakt auf der Leuchtenburg ebenfalls beiwohnen wollen und keinen Platz in der Kapelle finden, wird der Gottesdienst je nach Wetterlage in den Rittersaal oder Burghof übertragen. Die Weihe der Kapelle bildet den Abschluss einer wechselvollen Geschichte dieses Ortes und ist zugleich das letzte Puzzleteil der sieben interaktiven Porzellanwelten, die auf der Leuchtenburg seit 2014 zu erleben sind. Nach all den Superlativen und spektakulären Ausstellungsräumen ist nun auf der Burg noch ein Ort der Ruhe dazu gekommen.
Erstmals ist eine Kapelle auf der Leuchtenburg in einer Inventarauflistung von 1489 belegt. Östlich an den 800 Jahre alten Bergfried anschließend hat sich Größe, Ausstattung und Nutzung des Raumes allerdings über die Jahrhunderte verändert. 1658 brannte die Kapelle ab, wurde wieder aufgebaut, 1770 letztmalig umgebaut, zweckentfremdet und blieb doch immer eine kleine bezaubernde Kapelle.
In den 150 Jahren Zuchthausgeschichte auf der Leuchtenburg von 1724 bis 1871 wurden 5200 Häftlinge registriert, denen der Raum als Gefängniskirche diente, sogar mit insgesamt 17 Burgpfarrern, auch wenn die meist nicht lang blieben. Schon damals wurde auf Seelsorge gesetzt und Gottesdienste, Orgelmusik und Andachten in den zermürbenden Arbeitsalltag der Inhaftierten eingebaut. Die schweren Ketten der Fußfesseln rasselten vermutlich über den Boden, wenn sich die Häftlinge in die Kirche schleppten, Kranke wurden sogar auf einer Trage zum Gottesdienst gebracht, weiß die Burgdirektorin Ulrike Kaiser zu erzählen. Als 1871 das Zuchthaus geschlossen wurde, kam das gesamte Kircheninventar inklusive Orgel nach Altenburg. Die kleine Kapelle wurde saniert, stand leer, sollte Ehrendenkmal werden, fungierte als Museum und wurde 100 Jahre lang nicht als Kirche genutzt. Gottesdienste fanden dennoch statt – wenn auch eher provisorisch zwischen Vitrinen, Truhen, Kanonen und einem großen Burgmodell. Es war zudem kalt und eng. An dem Zustand musste sich etwas ändern. Nach Überführung der Burganlage 2007 in eine Stiftung durch Sven-erik Hitzer verbesserten sich auch die Voraussetzungen für neue Pläne, und aus dem Kreis des Stiftungskuratoriums verkündete Wolfgang Fiedler schließlich die Idee, die Kapelle wieder dauerhaft als solche zu nutzen, was natürlich im Sinne der regionalen Kirchgemeinden ist. 2008 findet noch inmitten musealer Exponate der erste Regionalgottesdienst in der Kapelle statt, Karfreitag im Jahr 2009 dann der erste Kreuzweg auf die Leuchtenburg. Der erste Vorstoß ist gemacht.
„Zunächst haben wir nach einer Orgel für unsere Kapelle gesucht und im bayerischen Valley eine passende von 1930 aus der Orgelbauwerkstätte Steinmeyer gefunden“, erzählt Direktorin Ulrike Kaiser. Am 1. September 2013 wird das Instrument, das heute auf der Empore der neuen Kapelle seinen Platz gefunden hat, geweiht. Ab 2015 beginnen die Planungsarbeiten für die Kapelle. Dass dafür mit Michael J. Brown aus Los Angeles ein weltweit gefragter Architekt und Schüler von Daniel Libes-kind gewonnen werden konnte, ist für die Stiftung ein Glücksgriff. Brown, der bis vor Kurzem auch in Europa tätig war, hat auf der Leuchtenburg bereits seine klare Handschrift mit einer Porzellanlounge und der Ausstellung „Das Kostbare“als Teil der Porzellanwelten hinterlassen. Seit heute kommt die von ihm entworfene erste Porzellankirche Thüringens dazu.
Zunächst wird ab November 2015 Baufreiheit geschaffen, Exponate eingelagert, das Raumklima verbessert, eine Wandheizung eingezogen, die wiederum an die moderne Pellets- und Hackschnitzel-heizung der Burg angeschlossen ist, die Elektrik erneuert, die Empore stabilisiert und der Muschelkalkfußboden aufgearbeitet. Um einen sakralen Charakter im Raum zu erzeugen, hat sich der Architekt für einen Vorhang, bestehend aus 30 deckenhohen Lamellen aus matt-weißem technischem Porzellan entschieden. Jede Lammelle ist 5,53 Meter hoch, 90 Kilogramm schwer und von einer spanischen Firma hergestellt.
Die Porzellanplatten sind drei Millimeter dick und wurden vor Ort auf der Burg auf Holz aufgeklebt und mit Chromschienen und Spiegelfolie versehen.
Nutzung der Kapelle über Jahrhunderte variiert
Tausende Lichtpunkte für Umriss der Burg
Ein in die Decke eingelassenes und beleuchtetes Kreuz bildet den oberen Abschluss des Raumes, für Sitzmöbel und Altar wurde auf schlichtes Holz zurückgegriffen, das perfekt zum Grau der Wände und dem hellen Boden passt. Insgesamt belaufen sich die Baukosten auf 150 000 Euro. Davon hat der Saale-holzland-kreis 50 000 Euro für die Innenraumsanierung beigesteuert und der Freistaat 72 000 Euro für die künstlerische Ausgestaltung. Der Rest wurde aus Eigenleistungen der Stiftung Leuchtenburg finanziert. Als besonderen Höhepunkt möchte der Architekt den einstigen 5200 Häftlingen ein Denkmal setzen. Projiziert auf die Porzellanlamellen soll der Umriss der Burg entstehen, bestehend aus 5200 Lichtpunkten.