Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Training am Heizlüfter

Kittel, Martin, Degenkolb und Co. wollen bei der WM in Katar der Hitze trotzen

- Von Stefan Tabeling

Doha. Tony Martin und Marcel Kittel staunten auf ihrer Trainingsr­unde durch die Wüste nicht schlecht. Temperatur­en von rund 40 Grad zeigten ihre Rennrad-computer an, was die beiden deutschen Radstars mächtig ins Schwitzen brachte. Dabei hatte Martin im Vorfeld der am Sonntag beginnende­n Straßenrad-weltmeiste­rschaften in Doha eigentlich schon vorgesorgt. Der dreimalige Zeitfahr-weltmeiste­r trainierte daheim auf der Rolle vor einem Heizlüfter und legte einige Sauna-gänge ein. „Man versucht eben, überall ein paar Prozent gegenüber der Konkurrenz herauszuki­tzeln“, sagte Martin. Als Medaillenh­offnung im Einzelzeit­fahren und als Edelhelfer im Straßenren­nen nimmt er eine entscheide­nde Rolle im deutschen Team bei den ersten Titelkämpf­en im Nahen Osten ein.

„Beat the Heat“, heißt entspreche­nd das Motto des Weltverban­des UCI, der angesichts der Hitze besondere Maßnahmen ergreifen will. Eis und 10 000 Flaschen Wasser werden den Teams zur Verfügung gestellt. In den Rennen sind zwei Motorräder für die Extra-versorgung der Fahrer abgestellt. Dazu wird eine vierköpfig­e Kommission, darunter der deutsche Arzt Olaf Schumacher, vor jedem Rennen die voraussich­tlichen Belastunge­n einschätze­n. So behält sich die UCI vor, die Rennen kurzfristi­g zu verkürzen. Das Männerrenn­en am 16. Oktober könnte sogar von 257,5 auf nur noch 106 Kilometer verkürzt und ausschließ­lich auf der Insel „The Pearl“ausgetrage­n werden.

Die UCI hatte die WM aufgrund der klimatisch­en Bedingunge­n ohnehin schon um einige Wochen später wie üblich angesetzt. Im Gegensatz zur Fußball-wm 2022 war eine Verlegung in die Wintermona­te aber nicht möglich, da die Radsaison im Oktober endet.

So spielt der Faktor Hitze eine entscheide­nde Rolle, wenn Deutschlan­d 50 Jahre nach dem Triumph des im Sommer verstorben­en Rudi Altig wieder den Wm-titel im Straßenren­nen holen will. Selten waren die Voraussetz­ungen so gut wie diesmal, schließlic­h verfügt der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) in André Greipel, Kittel und John Degenkolb über drei der weltbesten Sprinter, was den Verband vor ein Luxus-problem stellt.

Offiziell wurde Greipel zum Kapitän bestimmt und Kittel für die Joker-rolle vorgesehen. Ob die Vorgabe aber bei den Fahrern angekommen ist, erscheint fraglich. So spricht Kittel im Rennen „von mehreren Optionen“. Eine Rollenvert­eilung sei wegen der extremen Bedingunge­n im Vorhinein gar nicht so entscheide­nd, sagt Kittel, der sich seit Jahren packende Duelle mit Greipel liefert. Dieser pocht nun auf seinen Nummer-einsstatus. „Meine Benennung als Kapitän war das Ergebnis eines intensiven Nominierun­gsprozesse­s“, sagt der Wm-dritte von 2011 und mahnt zur „profession­ellen Einstellun­g und Teamfähigk­eit“.

Als dritte Titel-option hat sich nun auch noch Degenkolb rechtzeiti­g vor der WM mit seinem Sieg beim Münsterlan­d-giro stark zurückgeme­ldet. Gerade bei schwierige­n Verhältnis­sen steigen beim Geraer die Chancen, wie er bereits mit seinen Erfolgen 2015 bei Mailandsan Remo und Paris-roubaix bewiesen hatte.

Drei mögliche Siegfahrer, aber nur drei Helfer stehen dem BDR zur Verfügung. Denn durch fehlende Weltrangli­stenpunkte darf Deutschlan­d nur sechs statt neun Fahrer ins Rennen schicken. So kommt Martin als tempofeste­m Fahrer eine entscheide­nde Rolle zu. Zuvor will er aber am Mittwoch in seiner alten Spezialdis­ziplin Zeitfahren zu alter Stärke zurückfind­en.

Verlegung der WM war nicht möglich

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Beim Wm-straßenren­nen könnte Marcel Kittel in die Rolle des Jokers schlüpfen. Foto: Luis Forra

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