Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Bach und der Terrorist
Der niederländische Schriftsteller Leon de Winter kommt erneut nach Erfurt. Auch in seinem neuen Thriller geht es um politisch motivierte Gewalt. Dabei ist Osama bin Laden noch immer am Leben
hätte? Was wäre, wenn das berühmte Foto aus dem „Situation Room“des Weißen Hauses, das Barack Obama und Hillary Clinton zeigt, die sich im Moment des Zugriffs vor Schreck die Hand vor den Mund hält, eine Fälschung wäre?
Kill or capture – töten oder gefangen nehmen – lautete der offizielle Auftrag der Soldaten in der Operation Neptun’s Spear. Bei Leon de Winter steht indes fest, dass die Elitesoldaten den geheimen Zusatzbefehl haben, Geronimo, so das Codewort für bin Laden, auf gar keinen Fall am Leben zu lassen.
So berichtet es Tom, der Icherzähler des Romans. Er ist eine tragische Figur. So stark dieser ehemalige Cia-agent mit jüdischen Wurzeln bei seinen Einsätzen auch ist, so schwach ist er im Herzen. Bei den Terrorschlägen auf die Züge in Madrid hat er im Jahre 2004 seine kleine Tochter verloren. Seine Ehe zerbrach danach.
Ihm blieb nur Bach – die Musik, die ihm seine Eltern mitgegeben haben und die ihn bis nach Afghanistan begleitet.
Im Militär-camp ist auch das afghanische Mädchen Apana untergebracht. Bachs Klänge berühren sie wie der Flügelschlag eines Engels. Fortan verzehrt sie sich nach dieser Musik. Doch als die Taliban das Lager überfallen, gilt dies als teuflische Musik. Apana muss dafür büßen; sie wird grausam verstümmelt.
Es ist Ironie, und es ist ein literarischer Trick, was dann passiert: Ausgerechnet Osama bin Laden nimmt sich des geschändeten Mädchens an. Zeitgleich versucht Tom, das Mädchen wieder aus den Händen der Taliban zu befreien. Dabei muss er mit seinen Freunden noch ein weiteres Problem lösen. Was als Schnapsidee beim Barbecue begann, den Top-terroristen in einem Gerichtsverfahren am Ground Zero zu verurteilen, ist zur Realität geworden. Toms Kumpel von den Navy Seals haben UBL – wie bin Laden im Militärjargon genannt wird – nicht getötet, sondern dessen Doppelgänger. Der echte bin Laden wird von verbündeten Tadschiken bewacht. Die wollen Geld sehen, statt guter Worte.
Das Buch entwickelt eine Spannung, die stark an die Usfernsehserie „Homeland“erinnert. Man kann sich dem Sog nicht immer entziehen. Und Leon de Winter bleibt seinem Genre treu. Schon vor drei Jahren hat er mit dem Roman „Ein gutes Herz“ein Szenario entfaltet, das ganz nah an der politischen Gegenwart ist. Aus deutscher Sicht erscheint uns das zu grell, zu provokant – aber auch nur, weil deutsche Autoren ein derartiges Sujet noch nicht niedergeschrieben haben.