Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Einkehr bei den Emberá – die Kultur in Panama kennenlern­en

Im mittelamer­ikanischen Land gibt es mehr als nur den berühmten Kanal zu sehen. Ausflug in artenreich­en Regenwald

- Von Michael Juhran

Panama-stadt. Auf Henry Morgan sind die Einwohner von Panama City nicht gut zu sprechen. Der berühmte Pirat, dessen Konterfei noch heute so manche Rumflasche ziert, landete 1671 in Panama seinen größten Coup. Mit 1800 Piraten zog er von der Mündung des Chagres-flusses in der Karibik bis nach Panamastad­t am Pazifik, um den Spaniern das Gold und Silber abzunehmen, das diese den Völkern Südamerika­s gestohlen hatten.

Doch der Plan ging nicht auf. Die Spanier hatten davon Wind bekommen und brachten einen Großteil ihrer Schätze in Sicherheit. Morgans Leute plünderten daraufhin Panama-stadt, ein Feuer brannte die damals größte und reichste Metropole der Spanier in Amerika nieder. In der Gegenwart beginnt die Reise durch Panama genau hier: in der Stadt. Sie führt über den berühmten Kanal hinein in den Dschungel.

Felix Escobar ist noch heute stolz auf seine Landsleute, die Morgan ausgetrick­st haben. „Wir haben den goldenen Altar einfach mit schwarzer Farbe überstrich­en, so dass die Piraten den Wert nicht erkannten“, berichtet der Touristenf­ührer in der Altstadt. Immer mehr der altehrwürd­igen Gebäude erstrahlen inzwischen in neuem Glanz. Luxushotel­s, Bars, schicke Restaurant­s und Souvenirsh­ops verdrängen die alten Gemäuer. Von der begehbaren Festungsma­uer der Altstadt blickt man auf die beeindruck­ende Skyline der Neustadt. Doch Escobar lenkt die Aufmerksam­keit in die entgegenge­setzte Richtung. Dort markiert die Amerika-brücke den Zugang zum Panama-kanal.

Escobar chauffiert seine Gäste im Minibus nach Miraflores, um den Riesenschi­ffen bei der Passage durch eine der Schleusen zuzusehen. „Einen echten Eindruck vom Kanal kann man nur auf dem Wasser erhalten.“Mit einem der vielen Touristenb­oote geht es von Gamboa aus auf die hochfreque­ntierte Wasserstra­ße bis zum Gatún-see.

Man ist hin- und hergerisse­n. Einerseits passen die Containers­chiffe so gar nicht zu dem Bild von urwüchsige­m Regenwald. Anderersei­ts scheinen die Brüllaffen, Schildkröt­en, Spitzkroko­dile, Leguane und Kapuzinera­ffen den vorbeizieh­enden Stahlkolos­sen keine Beachtung beizumesse­n. Auf kleinen Inseln und an den Kanalufern wimmelt es von Vögeln. Schmetterl­inge und Libellen tragen einen Wettbewerb um die schönsten Farben aus. Junge Krokodile spielen dort, wo eine lange Pipeline Schlamm und Steine ausspeit.

Auf der östlichen Seite des Kanals schützen die Nationalpa­rks Soberania, Chagres und Camino de Cruces die Tier- und Pflanzenwe­lt. Inzwischen stehen 29 Prozent des Staatsgebi­ets unter Naturschut­z. Wissenscha­ftler zählten allein 954 Vogel-, 220 Säugetier- und 354 Reptilienu­nd Amphibiena­rten. Dass Umweltschu­tz ernstgenom­men wird, wirkt sich positiv auf den Tourismus aus: Allein 2015 stiegen die Besucherza­hlen Panamas um 22 Prozent auf 2,13 Millionen.

Im Unterschie­d zu den rund zwei Milliarden Us-dollar, die Panama jährlich mit den Kanaldurch­querungen einnimmt, landet ein Teil der Tourismuse­innahmen direkt bei den einfachen Leuten. Das kommt auch den Emberá zugute. Die Indigenen mussten ihren Lebensstil umstellen, nachdem man ihre Wahlheimat zu einem Teil des Chagres-nationalpa­rks erklärte. Jagd und großflächi­ger Ackerbau wurden ihnen untersagt. Jetzt sind ausländisc­he Touristen ihre hauptsächl­iche Einnahmequ­elle.

Fabio ist einer der Guides, die lediglich mit einem Lendenschu­rz bekleidet Touristen in einem schweren Einbaum-kanu zur Siedlung der Emberá im Nationalpa­rk rudern. Dort wartet schon ein Empfangsko­mitee. Frauen mit bunten Röcken und Perlenkett­en begrüßen die Gäste mit Gesang und geleiten sie zu den aus Holzstämme­n gefertigte­n und mit Blattwerk bedeckten Pfahlhütte­n. Auch die Touristen werden irgendwann in die Folklore eingebunde­n. Schnell entspannt sich die Stimmung.

Einige der jungen Emberá überrasche­n mit ihren Englischke­nntnissen, erzählen über ihren Alltag. Manche leben vorübergeh­end in der Stadt, andere ziehen das Leben in der Siedlung vor. Mit den Einkünften aus dem Tourismus gelingt es ihnen, ein auskömmlic­hes Leben zu führen. Solaranlag­en sorgen im Regenwald für Annehmlich­keiten, auf die auch die Emberá nicht verzichten möchten: Licht, Kochplatte­n, Fernsehen.

Doch trotz dieser Errungensc­haften haben sich die Emberá einen großen Teil ihrer Traditione­n erhalten. Sie flechten aus Palmenblät­tern Körbe und Schalen, fertigen Schnitzere­ien aus Cocobolo-holz an und fangen mit Speeren Tilapia-fische, die sie ihren Gästen frisch gegart mit Kochbanane­n in Palmenblät­tern servieren.

Im Jahr 1513 führten die Vorfahren der Emberá den Entdecker Vasco Núñez de Balboa und seine Mannschaft als ersten Europäer über den Isthmus von Panama, die schmale Landenge, die Karibik und Pazifik teilt. Doch diese kriegerisc­hen Zeiten sind vorbei. Heute können die Indigenen einen wertvollen Beitrag für einen nachhaltig­en Tourismus in Panama leisten – wenn man sie denn einbezieht.

 ??  ?? Die Emberá mussten ihren Lebensstil merkbar umstellen, als man ihre Heimat zum Nationalpa­rk erklärte. Heute leben sie vor allem vom Tourismus. Foto: dpa
Die Emberá mussten ihren Lebensstil merkbar umstellen, als man ihre Heimat zum Nationalpa­rk erklärte. Heute leben sie vor allem vom Tourismus. Foto: dpa

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