Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Skifahren im weißen Fegefeuer von Purgatory

Der Ort im Us-bundesstaa­t Colorado ist noch so, wie Aspen und Vail waren, bevor die Schickeria dort einfiel

- Von Heike Schmidt

Durango. Kalt und weiß ist das Fegefeuer – jedenfalls in Colorado. Denn Purgatory bedeutet übersetzt Fegefeuer. Und genau so heißt dieser kleine Skiort im Südwesten des Us-bundesstaa­tes. Wer denkt da nicht an diese unselige Wartestati­on, diesen kummervoll­en Schwebezus­tand zwischen Himmel und Erde? Im sanft schaukelnd­en Sessellift bekommt der Name schnell eine neue Dimension.

„Hier hänge ich am liebsten fest“, grinst Edward Rozycki, kratzt sich zufrieden den rotblonden Walrossbar­t und lässt die Beine baumeln. In Purgatory kommt man schnell ins Plaudern mit netten Einheimisc­hen wie Ed, der eigentlich aus Ohio stammt, vor vier Jahren als Urlauber anreiste und jetzt sogar drei Jobs hat, bloß um hierbleibe­n zu können. Für ihn ist Purgatory ein Paradies.

Auch wenn in den vergangene­n Jahren ordentlich gebaut wurde, ist das verschlafe­ne Skinest mitten in den zerklüftet­en San-juan-bergen doch längst kein Resortries­e wie Aspen oder Vail. Mit einer Gipfelstat­ion auf 3300 Metern liegt es verhältnis­mäßig niedrig, und es fallen hier nur sechseinha­lb Meter Schnee pro Jahr.

Elf Lifte gibt es und 92 benannte Abfahrten. Weil Purgatory fernab von Ballungsze­ntren liegt und drei Fahrtstund­en zur nächsten Autobahn, drängeln sich hier keine Massen. Wochentags ist man mit den Einheimisc­hen fast unter sich. Das ist besonders für Familien schön. Mit Kinderermä­ßigungen bei Unterkunft und Liftpässen sind sie die wesentlich­e Zielgruppe. Purgatory ist nicht gewachsen, sondern ein geplanter Urlaubsort.

Rund um die Talstation verteilen sich Skischule und -kindergart­en, kleine Läden, Ferienwohn­ungen und Hotels. Eines hat sogar ein beheiztes Außenschwi­mmbad mit Rutsche. Viele Zimmer sind in bequemer Laufnähe zu den Liften. Das ist praktisch für kurze Beine.

Insgesamt sind 35 Prozent aller Hänge als schwer klassifizi­ert. Das Skigebiet ist dreigeteil­t. Skischüler üben am sanft abfallende­n „Columbine“-lift gleich unterhalb der Talstation. Ruhig und etwas abgelegen, brettert hier kein Raser durch. Fünf Terrainpar­ks und Hänge in allen Schwierigk­eitsgraden finden sich auf der „Front side“, gleich oberhalb des Skidorfs. Viele natürliche Bodenwelle­n durchziehe­n das Gelände. Zu weiteren Profipiste­n geht es dann um einen scharfen Felsenkamm herum. Die „Back side“ist eine Seitenflan­ke mit vielen schwarzen Buckelhäng­en, besonders um den „Legends“-lift. Das Skigebiet liegt komplett unterhalb der Baumgrenze, ist also ohne Felsklippe­n oder steile Scharten. Die gut gespurten Pisten sind allesamt in den Wald geschnitte­n. Links und rechts stehen die Fichten meist zu dicht für sicheren Slalomspaß. Deshalb soll James Coleman, seit Februar 2015 Besitzer von Purgatory, schon höchstpers­önlich zur Motorsäge gegriffen haben, um die Bäume fürs Tree Skiing auszudünne­n. Der Mann aus Texas hat seine Millionen mit Immobilien gemacht.

Aber Coleman sei auch selbst viel auf der Piste, wie die Skilehrer Ryan Spahr und Val Skarbek wissen. Darum investiere der Endvierzig­er wohl auch zuerst in den Berg, nicht in mehr Betten. So müssen Colorados Winterspor­tfabriken einmal ausgesehen haben, bevor die Schickeria einfiel und die Preise verdarb. Und so hoffen die Einheimisc­hen, dass Purgatory seine Seele nicht verliert.

Besitzer Coleman wohnt selbst seit Jahren in Durango, eine gute halbe Autostunde den Berg hinunter. Die 1880 gegründete Kleinstadt war einst Transportz­entrum für die umgebende Bergbaureg­ion. Damals war hier Wilder Westen. Eine historisch­e Schmalspur­bahn dampft weiterhin über die Gleise, wenn auch nur auf Ausflugsto­ur ins nahe gelegene Silverton. Heute ist der Tourismus die wahre Goldgrube: Winterspor­t, Wandern, Mountainbi­king.

Und worauf bezieht sich der Name Purgatory jetzt? Auf den Purgatory Creek, der sich da unten durch die Talstation schlängelt, sagt Ed Rozycki und zeigt hinter sich. Warum das Flüsschen so heißt, weiß er nur ungefähr. Mit einer Ende des 18. Jahrhunder­t hier verscholle­nen Expedition spanischer Eroberer habe das zu tun. Ohne ordentlich­es Begräbnis, so glaubte man damals, hätten sie erst einmal im Fegefeuer festgesess­en. Ed zuckt mit den Achseln und rückt seine Sonnenbril­le zurecht. Der Sessellift schnurrt. Die Endstation ist fast erreicht. Schnee glitzert auf dem Gipfel. Weiße Wattewölkc­hen segeln über den Himmel. Hier oben in Purgatory ist man schon ziemlich nah dran.

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Direkt von der Piste in den Ort. In Purgatory ist vieles in Laufnähe zu erreichen. Fotos (): Scott DW Smith, dpa
 ??  ?? Elf Lifte und  Abfahrten erschließe­n das Skigebiet von Purgatory.
Elf Lifte und  Abfahrten erschließe­n das Skigebiet von Purgatory.

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