Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Großeinsatz der Polizei nach Terror-alarm in Chemnitz
Verdächtiger Syrer konnte fliehen, nach ihm wird bundesweit gefahndet. Kritik an Verfassungsschutz in Thüringen
Erfurt. Polizei- und Sicherheitskräfte haben am Wochenende in Chemnitz möglicherweise einen Terroranschlag verhindert. Nach Hinweisen des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom Freitag soll ein 22-jähriger Syrer in einer Wohnung einen Bombenanschlag vorbereitet haben. Das Wohngebiet wurde daraufhin weiträumig evakuiert.
Nach der Erstürmung der Wohnung fand die Polizei Hunderte Gramm Sprengstoff, der Verdächtige konnte fliehen. Nach dem mutmaßlichen Islamisten, der Kontakte zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben soll, wurde bundesweit gefahndet. Drei Landsleute des Gesuchten wurden festgenommen.
Im Zuge der Anti-terror-ermittlungen ließ die Polizei in Chemnitz auch den Hauptbahnhof teilweise sperren. Die für Flughäfen und Bahnhöfe zuständige Bundespolizei erhöhte nach den Vorfällen in Chemnitz die Sicherheitsvorkehrungen. Am Flughafen Berlin-tegel wurde ein Mann aus einem Flugzeug geholt, der dem Verdächtigen ähnlich sehen soll.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft in Thüringen (DPOLG) hat nach dem Anti-terror-einsatz in Chemnitz ihre Forderung nach einer deutlichen Aufstockung der Polizeierneuert. „Um gegen Gefahren wie in Chemnitz gerüstet zu sein, muss Thüringen bei der Polizei in diesem Jahr mindestens 30 und im kommenden Jahr 300 zusätzliche Stellen schaffen“, sagte Gewerkschaftschef Jürgen Hoffmann der Thüringer Allgemeinen. Thüringen sei das einzige Bundesland, das bisher noch nicht auf die erhöhte Gefahrenlage reagiert habe.
„Unsere Sorge besteht darin, dass Thüringen in einem ähnlichen Fall nicht so gut aufgestellt wäre wie die Sicherheitskräfte in Sachsen“, sagte Dpolg-landeschef Hoffmann. Der Verfassungsschutz im Land dürfe sich nicht nur auf die Gefahr von Rechts fokussieren, sondern müsse das gesamte Spektrum möglicher Bedrohnungen in den Blick nehmen.
Konzepte für die Zusammenarbeit aller Sicherheitskräfte forderte der Sicherheitsexperte der Cdu-landtagsfraktion, Wolfgang Fiedler. „Thüringen hängt hier Welten hinterher. Das Zusammenspiel von Sicherheitsund Rettungsdiensten, Katastrophenschutz sowie Bundeswehr darf kein Tabu sein und muss für den Ernstfall geübt werden“, forderte der Abgeordnete.
Von der rot-rot-grünen Landesregierung forderte Fiedler mehr Unterstützung für den Verfassungsschutz. „Wir brauchen V-leute in den Erstaufnahmeeinrichtungen, um an die entsprechenden Informationen heranzukommen“, sagte Fiedler.
Im Zuge des Großeinsatzes in Chemnitz waren in Thüringen Sicherheitskräfte und Innenministerium in Rufbereitschaft versetzt worden. „In diesem Fall müssen die Betroffenen telefonisch erreichbar sein. Zu einer darüber hinausgehenden Alarmbereitschaft bestand nach eingehender Gefahrenabschätzung aber zu keiner Zeit Veranlassung“, sagte Ministeriumssprecher Oliver Löhr gestern auf Nachfrage unserer Zeitung.
Derzeit gebe es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Verdächtige nach seiner Flucht aus Chemnitz möglicherweise in Thüringen aufhalten könnte.