Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

10 Euro im Monat?

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Nein, ich würde nicht unterschre­iben. Ich würde nicht das Risiko eingehen, für einen fremden Menschen im Extremfall 48 000 Euro bezahlen zu müssen. Jeden Monat 800 Euro, fünf Jahre lang. Denn diese 800 Euro werden veranschla­gt, um einen Flüchtling aus Syrien einen Monat lang zu finanziere­n, Miete, Lebenshalt­ung, alles außer Krankheits­kosten. Und gesucht werden Bürger, die bereit und in der Lage sind, diese Bürgschaft zu übernehmen. Denn nur mit einer solchen Bürgschaft können nahe Familienan­gehörige – Ehegatten, volljährig­e Kinder, Eltern – von syrischen Flüchtling­en legal nach Deutschlan­d nachgeholt werden. Aber wer kann und will schon eine solche Bürgschaft leisten? Es gibt in Berlin einen Verein, der dieses Problem auf eine sehr bürgernahe Weise löst: Die monatliche­n Kosten werden aus den Spenden der Vereinsmit­glieder bestritten, es werden nur so viel Angehörige nachgeholt, wie der monatliche Spendenein­gang zu finanziere­n vermag. Allerdings, jedes Mitglied des Vereins kann natürlich die Zahlung einstellen – in diesem Fall haftet dann tatsächlic­h der Bürge, seine Zahlungsve­rpflichtun­g erlischt erst nach fünf Jahren.

Auch in Thüringen hat sich ein solcher Bürge gefunden. Ich kenne den Namen nicht, aber ich erweise den oder der Unbekannte­n den Respekt. Und nun sucht der neue Verein „Thüringer Flüchtling­spaten e.v.“Mitglieder, Paten, die bereit sind, dieses humanitäre Anliegen mit Spenden ab monatlich fünf Euro zu unterstütz­en.

Sind Sie bereit dazu? Sie sind kein schlechter Mensch, wenn Sie es nicht sind. Aber Sie können sich als Unterstütz­er einer humanistis­chen, menschenfr­eundlichen Unternehmu­ng fühlen, wenn Sie es sind.

Über diese Möglichkei­t informiert­en in der vergangene­n Woche Mirjam Kruppa, die Thüringer Beauftragt­e für Migration und Flüchtling­e sowie der zuständige Minister Dieter Lauinger. Das ist insofern bemerkensw­ert, da der Grüne an einem selbst verschulde­ten Problem laboriert – und ihn diese Aktion wohl nicht nur Sympathien eintragen wird. Wie übrigens auch dem Verfasser dieser vollkommen unkomische­n Kolumne, wir nehmen das wohl beide bewusst in Kauf. Denn es geht hier um Menschen. Natürlich lässt sich gegen diesen Gedanken des bürgerfina­nzierten Nachzugs von Flüchtling­en dieses und jenes vorbringen. Zum Beispiel, dass der Bürger hier in eine Verpflicht­ung eintritt, die der Staat nicht übernehmen will. Deshalb habe ich nie Geld für, zum Beispiel, das DRK und ähnliche Organisati­onen gespendet, alles was mit der Gesundheit seiner Bürger zu tun hat, muss dieser reiche Staat selbst leisten können und wollen. Was aber die Flüchtling­e betrifft kann der Staat tatsächlic­h nicht die Finanzieru­ng aller Familienan­gehörigen übernehmen, nicht einmal der reiche Staat Deutschlan­d, der im Übrigen viel, sehr viel leistet in dieser Frage. Nach der Bekundung vieler Bürger zu viel, so viel, dass in der Polemik dagegen beinahe jede Form eines zivilisier­ten Umgangs mit anderen Meinungen in den zum Teil tatsächlic­h völkisch klingenden Pöbeleien verloren geht. Wenn sich gegen diese nicht selten dumpfen Ressentime­nts Bürger nicht nur zur Gegenprote­sten versammeln, sondern sich gleichsam zu einem Protest der Tat vereinen, dann hilft das den Familien – und es hilft der Atmosphäre in diesem Land, es hilft auch der Selbstwahr­nehmung und der Selbstverg­ewisserung all derer, die das Problem der muslimisch­en Flüchtling­e nicht ignorieren, aber dennoch helfen wollen.

Und es liegt natürlich auch eine Art von Ungerechti­gkeit in dieser Art der Hilfe, auf eine gewisse Art sind die Helfer so etwas wie, sozusagen, Gottes verlängert­er Arm. Denn der Verein entscheide­t, für wen eine solche Patenschaf­t übernommen wird. Und da wird nicht das letzte Kriterium sein, welchen Sympathiew­ert die Familie erreicht, die auf einen Angehörige­n wartet, welche Familie überhaupt auf welchem Weg Kontakt findet, wie sie dann die Situation des oder der Betreffend­en in Syrien darzustell­en vermag. Da mag es vorkommen, dass der Mann aus einer relativ sicheren Gegend nach Deutschlan­d kommen kann und die gerade volljährig gewordene Tochter aus Aleppo nicht. Das ist alles richtig, richtig ist aber auch: Was ist die Alternativ­e? Es gibt keine. So kommen vielleicht nicht in jedem Falle die, die die Hilfe am allernotwe­ndigsten benötigen – aber es kommt jemand, der sie wenigstens auch benötigt.

Nein, ich würde nicht als Bürge unterschre­iben. Wir könnten zur Not als Familie die monatliche­n 800 Euro aufbringen, wenn wir unser Leben auf das Notwendigs­te reduzierte­n – doch dazu bin ich, zwischen uns soll Wahrheit sein, nicht bereit. Aber eine kleine, überschaub­are Spende jeden Monat – es tut nicht weh und es hilft.

Und Sie?

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