Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Wunderbare Entdeckungen im Herbst des Lebens
Parallelen zwischen der Natur und uns Menschen sind im Lauf der Jahreszeiten kaum zu übersehen
Vor wenigen Tagen erlebte ich im Garten den ersten Herbstnebel. Ich fühlte mich wie die Natur im Herbst meines Lebens.
Buntes Laub fällt von den Bäumen, uns Menschen fallen im Alter Haare und Zähne aus. Überall zwickt und zwackt es, immer öfter besuchen wir den Orthopäden.
Und wie es in der Natur zu schönen Herbsttagen kommt, so gibt es auch im Herbst des menschlichen Lebens Wunderbares zu entdecken. Wenn ich die Entwicklung der Enkel beobachten kann, Wanderungen erlebe oder Zeit für andere Menschen habe. Das bedeutet für mich Glück!
Der Frühling ist gekennzeichnet von Erwartung und Vorfreude auf das Neue – in der Natur und im menschlichen Leben. Ein Embryo entwickelt sich optimal, wenn die Eltern sich achten, lieben und verstehen und wenn auch die äußeren Bedingungen passen. Kleinkinder sind empfindlich, sie benötigen viel Liebe und Zuwendung.
Ein Samenkorn in der Erde braucht Licht, Wärme und Feuchtigkeit, um zu keimen. Die Basis, also gute Erde, ist Voraussetzung zum Gedeihen. Erst im Lauf der Entwicklung wird aus einem zerbrechlichen Spross eine gestärkte Pflanze oder ein kräftiges Tier.
Der Sommer ist erfüllt von Üppigkeit, Schönheit und Überfluss – überall blüht und gedeiht es prächtig. Gärten und Natur werden zu beliebten Oasen der Erholungssuchenden, die durch die warme Sonne strömen.
Wie auch in der Blüte unseres Lebens – wir haben Familie, einen Beruf, erleben Urlaube und Reisen und sind gern mit Freunden zusammen.
Doch der Herbst kommt gewiss – siehe oben.
Und der Winter kündigt sich mit Kälte, Nässe, Stürmen und Schnee an – es legt sich eine weiße Decke über die Natur, wir meinen, alles schläft…
Dabei ist die Natur nur weniger aktiv. Denken wir an die vielen Winterschläfer, an Rosenblüten im Dezember, die Vögel an den Futterstellen oder an die vielen winterharten Gewächse, die lediglich schlummern.
Auch wir haben in der kalten Jahreszeit aufgrund der wenigen Lichtstunden seltener Zeit für Garten, Natur oder Sport (Ausnahmen sind die aktiven Wintersportler). Ich vergleiche den Winter in der Natur aber auch mit unserem nahenden Lebensende.
Der Tod oder das Absterben in der Natur und im menschlichen Leben sind notwendig, damit Neues entstehen kann.
Der Gedanke, dass ich mit meinen Kindern etwas Wertvolles in die Welt gebracht habe, erfreut und beruhigt mich. Sie gehen selbstständig ihren Weg, geben Liebe und Geborgenheit an ihre Kinder weiter und achten das Leben, egal, ob in Natur oder in menschlicher Gemeinschaft!
So, wie die vier Jahreszeiten zusammengehören und jede für sich ihre Schönheiten und Besonderheiten hat, so wertvoll sind die menschlichen Lebensphasen, jede für sich und doch alle gemeinsam – ein Leben.
Heidemarie Türk ist Veterinärmedizinerin und gehört zur Seniorenredaktion der TA.