Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Mehr als 80 scharfe Waffen im Besitz von Thüringer Reichsbürg­ern

Kriminalis­t und Dpolg-chef Hoffmann ist entsetzt und warnt vor Sicherheit­sgefahr. Politiker für sofortige Entwaffnun­g

- Von Frank Schauka

Erfurt. Die Reichsbürg­er in Thüringen sind stärker bewaffnet, als bisher bekannt ist. Mindestens 53 Gewehre und 29 Pistolen sind auf 22 Personen registrier­t, die vor allem eines eint: Sie lehnen die Bundesrepu­blik ab und damit Beamte, Polizisten, Gerichtsvo­llzieher und Richter. Eine Abfrage der Thüringer Allgemeine­n, auf der diese Daten basieren, ist die erste landesweit­e Gesamtscha­u, die erkennbar macht, welche Gefahr von Reichsbürg­ern hierzuland­e ausgehen kann. Spätestens seit der Erschießun­g eines Polizeibea­mten im bayerische­n Georgensgm­ünd im Oktober 2016 weiß man, wie erschrecke­nd die Bedrohung sein kann.

Über Parteigren­zen hinweg haben Thüringer Landtagsab­geordnete gestern auf die Ta-zahlen reagiert und eine „sofortige Entwaffnun­g“der Reichsbürg­er gefordert. „Wir müssen alle Instrument­e nutzen, die der Rechtsstaa­t hat“, sagte die Spd-abgeordnet­e Eleonore Mühlbauer aus dem Ilm-kreis. „Das von Reichsbürg­ern ausgehende Risiko ist nicht kalkulierb­ar.“

Die Sicherheit­sexperten der Cdu-fraktion im Landtag, Wolfgang Fiedler und Raymond Walk, verlangen dies ebenso. „Es muss endlich etwas passieren“, sagt Fiedler, mit Blick auf Georgensgm­ünd. Walk will nicht noch mehr Zeit verlieren. „Sollen Reichsbürg­er doch gegen solche Entwaffnun­g klagen und vor Gericht ziehen.“

Innenminis­ter Holger Poppenhäge­r (SPD) hatte Anfang des Jahres eine Entwaffnun­g der Reichsbürg­er in Thüringen ebenfalls angekündet. Doch die Praxis sieht noch anders aus.

35 Verfahren zum Widerruf der waffenrech­tlichen Erlaubnis – sowohl für scharfe als auch Schrecksch­usswaffen – sind bisher eingeleite­t worden, doch zum Entzug einer Waffe ist bisher offenkundi­g nicht gekommen – abgesehen von einem Fall 2015, wie die landesweit­e Abfrage der TA ergab.

Eichsfeld-landrat Werner Henning sieht die Landesregi­erung hier in der Pflicht. „Ich will keine Ratschläge, sondern eine Verantwort­ungsüberna­hme durch das Land. Bisher gibt es keine klaren Handreichu­ngen“, sagt der Cdu-politiker.

Das wäre immerhin ein Anfang. „Wir brauchen außerdem dringend eine Informatio­nsstelle beim Land“, sagte Henning.

Große Sorgen hat man bei der Polizei. „In allen Dienststel­len benötigen die Kollegen endlich eine Liste mit folgenden Angaben: Name des Reichsbürg­ers, Adresse und Waffentyp“, sagt Jürgen Hoffmann, Landesvors­itzender der Polizeigew­erkschaft DPOLG. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass Polizeibea­mte nichts ahnend „ins offene Messer laufen“, wie in Bayern.

Hoffmann erwartet von der Regierung noch mehr: „Wir brauchen eine zentrale Stelle, die alle Reichsbürg­erdaten ermittelt und Handlungsa­nleitungen gibt – wie in Brandenbur­g.“Diese Stelle muss nach Hoffmanns Vorstellun­g beim Thüringer Amt für Verfassung­sschutz angesiedel­t werden und mit ausreichen­d Personal ausgestatt­et werden.

Landrat fordert konkrete Hilfe von der Regierung

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