Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Mehr als 80 scharfe Waffen im Besitz von Thüringer Reichsbürgern
Kriminalist und Dpolg-chef Hoffmann ist entsetzt und warnt vor Sicherheitsgefahr. Politiker für sofortige Entwaffnung
Erfurt. Die Reichsbürger in Thüringen sind stärker bewaffnet, als bisher bekannt ist. Mindestens 53 Gewehre und 29 Pistolen sind auf 22 Personen registriert, die vor allem eines eint: Sie lehnen die Bundesrepublik ab und damit Beamte, Polizisten, Gerichtsvollzieher und Richter. Eine Abfrage der Thüringer Allgemeinen, auf der diese Daten basieren, ist die erste landesweite Gesamtschau, die erkennbar macht, welche Gefahr von Reichsbürgern hierzulande ausgehen kann. Spätestens seit der Erschießung eines Polizeibeamten im bayerischen Georgensgmünd im Oktober 2016 weiß man, wie erschreckend die Bedrohung sein kann.
Über Parteigrenzen hinweg haben Thüringer Landtagsabgeordnete gestern auf die Ta-zahlen reagiert und eine „sofortige Entwaffnung“der Reichsbürger gefordert. „Wir müssen alle Instrumente nutzen, die der Rechtsstaat hat“, sagte die Spd-abgeordnete Eleonore Mühlbauer aus dem Ilm-kreis. „Das von Reichsbürgern ausgehende Risiko ist nicht kalkulierbar.“
Die Sicherheitsexperten der Cdu-fraktion im Landtag, Wolfgang Fiedler und Raymond Walk, verlangen dies ebenso. „Es muss endlich etwas passieren“, sagt Fiedler, mit Blick auf Georgensgmünd. Walk will nicht noch mehr Zeit verlieren. „Sollen Reichsbürger doch gegen solche Entwaffnung klagen und vor Gericht ziehen.“
Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) hatte Anfang des Jahres eine Entwaffnung der Reichsbürger in Thüringen ebenfalls angekündet. Doch die Praxis sieht noch anders aus.
35 Verfahren zum Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis – sowohl für scharfe als auch Schreckschusswaffen – sind bisher eingeleitet worden, doch zum Entzug einer Waffe ist bisher offenkundig nicht gekommen – abgesehen von einem Fall 2015, wie die landesweite Abfrage der TA ergab.
Eichsfeld-landrat Werner Henning sieht die Landesregierung hier in der Pflicht. „Ich will keine Ratschläge, sondern eine Verantwortungsübernahme durch das Land. Bisher gibt es keine klaren Handreichungen“, sagt der Cdu-politiker.
Das wäre immerhin ein Anfang. „Wir brauchen außerdem dringend eine Informationsstelle beim Land“, sagte Henning.
Große Sorgen hat man bei der Polizei. „In allen Dienststellen benötigen die Kollegen endlich eine Liste mit folgenden Angaben: Name des Reichsbürgers, Adresse und Waffentyp“, sagt Jürgen Hoffmann, Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft DPOLG. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass Polizeibeamte nichts ahnend „ins offene Messer laufen“, wie in Bayern.
Hoffmann erwartet von der Regierung noch mehr: „Wir brauchen eine zentrale Stelle, die alle Reichsbürgerdaten ermittelt und Handlungsanleitungen gibt – wie in Brandenburg.“Diese Stelle muss nach Hoffmanns Vorstellung beim Thüringer Amt für Verfassungsschutz angesiedelt werden und mit ausreichend Personal ausgestattet werden.
Landrat fordert konkrete Hilfe von der Regierung