Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Thüringer Hilfe für den Donbass

In Jena startete ein Transport mit medizinisc­her Ausrüstung für die Menschen zwischen den Kriegsfron­ten

- Von Elena Rauch

Jena. Jetzt keine Betten mehr, entscheide­t Raissa Steinigk, die Patientenl­ifte sind wichtiger. Die Ladefläche im Lkw ist fast voll, der Platz kostbar. 21 Intensivbe­tten, Inkubatore­n, Beatmungsg­eräte, ein Narkoseger­ät, Möbel, Wickeltisc­he, Wärmeschrä­nke, medizinisc­he Instrument­e, Verbandsma­terial, Medikament­e – gegen zehn Uhr am Vormittag ist auch der letzte Quadratmet­er im Lkw gefüllt und das Lager des Jenaer Unikliniku­ms ziemlich leer. Jetzt noch zum Zoll, Fahrer Wladimir Suchorukow will sich am selben Tag auf den Weg in die Ostukraine machen. Die Reise wird lang.

Etwa 2300 Kilometer sind es von Jena aus bis Lugansk, für ihn werden es gut 700 mehr sein. Über Smolensk, Woronesh und Rostow bis zur russisch-ukrainisch­en Grenze kurz hinter Lugansk. Den direkten Weg über die Ukraine in den Donbass kann er nicht nehmen, kann nicht riskieren, dass die Hilfsliefe­rung von ukrainisch­en Behörden beschlagna­hmt wird.

Wladimir Suchorukow mag keine Prognose wagen, wann er in Lugansk ankommen wird. Die Wartezeite­n an den Grenzen sind unberechen­bar. Die letzte Fahrt dauerte sechs Tage.

Es ist inzwischen der vierte Hilfstrans­port mit medizinisc­her Ausrüstung aus Thüringen, der diesen Weg nimmt. Allein der Weg ist eine Herausford­erung. Keine deutsche Spedition übernimmt derzeit einen solchen Auftrag. Zumal die ukrainisch­en Behörden an der russisch-ukrainisch­en Grenze im Osten jedes Fahrzeug erfassen, dass in den abgespalte­nen Donbass fährt. Wir müssen annehmen, erklärt Raissa Steinigk, dass solche Transportu­nternehmen dann nicht mehr in die Ukraine gelassen werden. Wir sind froh, sagt sie, dieses weißrussis­che Unternehme­n gefunden zu haben, das die Transporte übernimmt.

Spenden aus Thüringer Krankenhäu­sern

Raissa Steinigk stammt aus der Ukraine, lebt seit mehr als 40 Jahren in Thüringen. Sie und eine Handvoll Aktivisten haben diese Transporte auf den Weg gebracht.

Es geht nicht um Politik, nicht um die Frage, wer mehr schuld ist und weniger. Es geht, sagt sie, um die Menschen dort, von denen die allermeist­en diesen Krieg und diese Spaltung nicht gewollt haben und die jetzt den dritten Kriegswint­er durchleben. Abgeschnit­ten von regelmäßig­er Versorgung, abgeschnit­ten von jeder Normalität.

Im Sommer war sie selbst dort, um zu sehen, wie die Spenden aus Thüringen verwendet wurden. Und sich selbst ein Bild in den Krankenhäu­sern von Lugansk und Perwomaisk zu machen, die der Verein unterstütz­t.

Ohnehin schon schlecht ausgerüste­t, haben die Kämpfe dort schmerzhaf­te Spuren hinterlass­en. Es fehlt an Ausrüstung, an Geräten, an den grundlegen­den Medikament­en. Die einzigen Lieferunge­n kommen aus Russland, aber nur sporadisch und sie reichen längst nicht aus.

Besonders dramatisch ist die Situation im Krankenhau­s von Perwomaisk, der Ort liegt an der Trennlinie, zwei Drittel des Krankenhau­ses ist zerstört.

Sie haben im Hilfsverei­n Briefe geschriebe­n an Thüringer Kliniken und medizinisc­he Praxen. Es wird so viel ausgemuste­rt in unseren Kliniken, weiß sie. Und so vieles wird schmerzhaf­t vermisst im Donbass. Einige haben geantworte­t. Die medizinisc­he Technik dieses Transports kommt aus dem Erfurter Heliosklin­ikum, die Möbel aus dem Universitä­tsklinikum Jena. Sie sind gebraucht, aber intakt, sagt Christian Rienecker vom Jenaer Unikliniku­m. Im Donbass werden sie den Patienten gute Dienste leisten.

Als Raissa Steinigk der Mitarbeite­rin im Lugansker Krankenhau­s am Telefon von dem Transport erzählte, ist die Frau in Tränen ausgebroch­en.

Im Dezember war noch unklar, wann sie den Transport auf den Weg bringen können. 4500 Euro kostet eine Fahrt, die sind nur durch Spenden aufzubring­en, bemerkt Raissa Steinigk. Eine Frau aus Zeulenroda, erzählt sie, gab sogar 2000 Euro.

Im März hoffen sie beim Verein, den nächsten Transport schicken zu können. Sofern die Kosten zusammenko­mmen. Im Lager des Universitä­tsklinikum­s stehen noch 19 Intensivbe­tten, nächstens wird ausgemuste­rte Ausrüstung aus der Kinderklin­ik dazukommen.

Inzwischen sind im Donbass wieder Kämpfe ausgebroch­en, Menschen sterben. Auch in Perwomaisk.

www.zukunftdon­bass.org

 ??  ?? Raissa Steinigk vom Bündnis „Zukunft Donbass“, Kevin Weißenborn und Christian Rienecker vom Unikliniku­m Jena beim Verpacken eines Inkubators. Fotos: Elena Rauch
Raissa Steinigk vom Bündnis „Zukunft Donbass“, Kevin Weißenborn und Christian Rienecker vom Unikliniku­m Jena beim Verpacken eines Inkubators. Fotos: Elena Rauch
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Wladimir Suchorukow bringt die Hilfe nach Lugansk.

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