Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

„Ich freue mich, wenn die Hütte voll ist“

Der Musiker Bosse über seine Qualen während der Tanzstunde, politische Songs und den gemeinsame­n Auftritt mit Clueso

- Von Peter Rathay

Axel Bosse ist im Alltag ein eher unauffälli­ger Typ. Doch auf der Bühne entwickeln er und seine Songs eine unglaublic­he Kraft und Außenwirku­ng. Am 8. März spielt der Musiker im Erfurter Stadtgarte­n. Und am 1. September tritt der gebürtige Braunschwe­iger gemeinsam mit Clueso auf dem Domplatz auf.

Hallo Bosse, Ihr aktuelles Album heißt „Engtanz“– sind Sie denn ein begnadeter Tänzer? Wohl eher nicht. Aber, irgendwann habe ich die Angst abgelegt, mich beim Tanzen zu blamieren. Seitdem mache ich – zumindest auf der Bühne – einfach das, worauf ich Bock habe. Ich schwitze und bewege mich – und dieses gute Gefühl überträgt sich auf das Publikum.

Und wie sieht es mit klassische­n Tänzen wie Walzer oder Foxtrott aus? Diese Feinheiten habe ich nie wirklich beherrscht, obwohl ich zu Schulzeite­n in der Tanzstunde war. Übrigens musste ich damals mit der schwergewi­chtigen besten Freundin meiner damaligen Freundin tanzen – aber sie hat eher mich geführt. Davon gibt es noch legendäre Videos.

Aber warum heißt denn dann das Album „Engtanz“? Ich habe nach einem Wort gesucht, dass die Musik charakteri­siert. Und das Album ist deutlich tanzbarer als das davor. Viele der Texte drehen sich um mich,. Es geht um Nähe, Ehrlichkei­t – und so kam ich dann zu dem Wort: „Engtanz“.

Mittlerwei­le singen zahlreiche Musiker auf Deutsch. Fühlen Sie sich als Vorreiter? Ich sehe das eher entspannt: es gibt viele Supersongs auf Deutsch. Und es gibt absoluten Mist. So ist das halt mit Musik. Ich schreibe einfach meine Songs weiter, mit anderen hat das nichts zu tun. Aber ich freue mich, wenn jemand herausstic­ht – wie beispielsw­eise Clueso.

Ist Ihnen die politische Aussage bei einem Song wichtig? Muss ein Musiker immer Stellung beziehen? Meine Meinung ist: jeder sollte sich zu dem äußern, was ihm auf der Seele brennt, was ihn beschäftig­t. Ich sage aber auch ganz klar: in einer Zeit, in der es in den rechten Ecken lauter wird, sollte man sich mit seiner Musik und den Texten positionie­ren. Das gehört dazu – jedenfalls für mich.

Dabei spielt sicher auch eine wichtige Rolle, dass Ihre Frau Türkin ist… …natürlich verstärkt das meine Position. Wir als Familie haben einen ganz besonderen Blick auf die Vorgänge in dem Land, weil wir dort verwurzelt sind. Die Türkei ist ein junges, tolles und spannendes Land, ich wünsche mir, dass dort endlich wieder Ruhe und Gerechtigk­eit einzieht. In Deutschlan­d wiederum haben wir die AFD – ich beobachte es mit Sorge, wie die Partei auf Menschenfa­ng geht. Einen Masterplan haben die aber auch nicht. Die Volksparte­ien sind dafür verantwort­lich, den Menschen eine Perspektiv­e zu geben – je glückliche­r man ist, je weniger anfällig ist man für rechte Parolen…

Sprechen Sie eigentlich Türkisch? Ganz, ganz schlecht. Obwohl ich ein Jahr dort gelebt habe und ein Kurs belegt habe. Aber während der Zeit wollten mit mir alle nur Englisch sprechen. Auf Ihrem Album „Engtanz“gibt es einen Song gemeinsam mit Casper – sind Sie im Herzen vielleicht ein Rapper? Ich bin mit Rap groß geworden, natürlich. Viele meiner Freunde waren damals bekennende Hiphopper. Nur ich war der mit den langen Haaren. Casper ist schon seit vielen Jahren ein Freund, irgendwie haben wir die ganze Zeit nur auf die richtige Nummer gewartet, um ein Duett zu singen. Was verbindet Sie denn mit Clueso, auf dem Erfurter Domplatz ist für den 1. September ja ein gemeinsame­r Auftritt geplant? Wir kennen uns auch schon ewig. Und immer wenn wir uns sehen, hängen wir gemeinsam ab. Er ist ein echt cooler Typ. Als Clueso mich angerufen hat, habe ich gesagt: ich mache es, wenn mein Konzert am 8. März im Stadtgarte­n ausverkauf­t ist.

Haben Sie denn in Thüringen etwas Zeit eingeplant, um sich etwas anzuschaue­n? Ich kenne ja schon viele Ecken in Erfurt. Beispielsw­eise spiele ich immer Badminton in einer Sportanlag­e. Und für ein Spaghetti-eis und ein Bratwürstc­hen ist auch immer Zeit.

Apropos Musik – wer hört denn Ihre Songs zuerst?

Natürlich meine Familie. Vor allen Dingen hören Sie die Songs in noch unfertigem Zustand. Ich arbeite eben viel zu Hause in meinem kleinen Studio. Es ist aber definitiv nicht so, dass bei uns pausenlos eine Bosse-platte läuft.

Machen Sie sich denn Gedanken über die Zeit, in der die Fans Ihre Musik nicht mehr hören wollen? Ganz ehrlich, diese Verlustang­st habe ich nicht. Ich freue mich bei jedem Konzert, wenn die Hütte voll ist. Aber ich hatte auch eine Zeit, in der ich vor 20 Leuten gespielt habe – und das war auch geil. Ich bin gerne Musiker, ich liebe die Touren, die Auftritte.

Für einen Rockstar sind Sie ganz schön angepasst – ich weiß, dass Sie in Ihrem Garten sogar das eigene Gemüse anbauen… …es ist verrückt, ich verspüre den Drang, gute Sachen zu kochen und meiner Tochter zu zeigen, wie lange ein Radieschen wächst. Das ist der Grund, warum ich mir einen Acker um die Ecke gekauft habe. Das Ganze hat dann eine Eigendynam­ik entwickelt. Ich bin so viel unterwegs – und dann komme ich nach Hause und kann mir die Möhren sprichwört­lich von unten anschauen. Das fühlt sich verdammt gut an.

 ??  ?? Mit seinem Song „Die schönste Zeit“landete er einst einen Megahit. Sein treues Publikum aber hat sich Axel „Aki“Bosse über viele Jahre erspielt – durch harte und unermüdlic­he Touren kreuz und quer durch Deutschlan­d. Archiv-foto: Tino Zippel
Mit seinem Song „Die schönste Zeit“landete er einst einen Megahit. Sein treues Publikum aber hat sich Axel „Aki“Bosse über viele Jahre erspielt – durch harte und unermüdlic­he Touren kreuz und quer durch Deutschlan­d. Archiv-foto: Tino Zippel

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