Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Uni-leitung fällt bei Abstimmung durch
Studenten lehnen Kompromiss zur Anwesenheitspflicht ab. 71 Prozent der Befragten waren gegen den Vorschlag
Erfurt. Die Studenten der Universität Erfurt haben sich offenbar mehrheitlich gegen einen Kompromissvorschlag der Universitätsleitung zur Anwesenheitspflicht ausgesprochen. Mehr als 71 Prozent der Abstimmenden waren gegen den Vorschlag, wie der Studierendenrat am Mittwoch mitteilte. Aufgerufen waren alle 5700 Studenten der Universität Erfurt, 1200 beteiligten sich an der Abstimmung am Dienstag.
Zahlreiche Studenten hätten kritisiert, dass die Neuregelung nicht konkret genug und zu „schwammig“sei. Genaue Kriterien seien nicht formuliert worden. Vorgesehen sei, die Anwesenheitspflicht in Ausnahmefällen einzuführen.
Die neue Formulierung sah folgenden Passus vor: Eine verpflichtende Anwesenheit der Studierenden in Lehrveranstaltungen darf als Voraussetzung für die Zulassung zu Prüfungen nicht überprüft werden. Für Exkursionen, Sprachkurse, Praktika, künstlerischen Einzel- und Gruppenunterricht sowie praktische Übungen bestehe indes eine Anwesenheitspflicht. Darüber hinaus könne eine verpflichtende Anwesenheit geregelt werden, wenn das mit der Lehrveranstaltung verfolgte Lernziel nur durch die Anwesenheit des Studierenden, und nicht auf andere Weise, erreicht werden kann.
Felix Fleckenstein, studentischer Vertreter im Hochschulrat der Universität, erklärte hingegen: „Nicht nur Krankheit – Ehrenamt, Elternschaft, Erwerbstätigkeit, Pflege oder andere Verpflichtungen lassen Fehlstunden anfallen. Auch ein selbstbestimmtes Lernen und die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Studierenden gehören zum Idealbild emanzipierter Studierender.“Das Prinzip der Gemeinschaftlichkeit von Lehrenden und Lernenden könne man nicht auf Zwang aufbauen.
Hintergrund ist eine Debatte, die seit zwei Jahren an der Universität geführt wird. Bis 2015 sei die Anwesenheit an Lehrveranstaltungen strikt kontrolliert worden, hieß es. Wenn Studenten zweimal unentschuldigt fehlten, konnte ihnen die Zulassung zur Prüfung versagt werden. Im März 2015 kippte das Thüringer Wissenschaftsministerium die Regelung, da diese unter anderem in die Studierund Lernfreiheit der Studenten eingreife. Seitdem dürfen diese für unentschuldigtes Fehlen nicht mehr sanktioniert werden.
Der Senat der Universität erklärte, dass es auch in Erfurt keine allgemeine Anwesenheitspflicht für Lehrveranstaltungen geben werde. Studierendenrat und Präsidium in Zusammenarbeit mit dem Studienausschuss haben nun einen Vorschlag zur Änderung der Rahmenprüfungsordnungen gemacht. Pauline Ehrsam vom Vorstand des Studierendenrates sagte: „Das Ergebnis zeigt für mich ganz klar, dass die Debatte zum Thema Anwesenheitspflicht noch nicht zu Ende ist.“