Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Zweifel an Diesel-Nachrüstplänen
Daimler, BMW und Audi wollen Abgasausstoß per Software begrenzen. Doch Experten sehen das Vorhaben kritisch
Berlin. Deutschlands Autokonzerne werden in der Debatte um zu hohe Abgaswerte von Dieselmotoren immer mehr zu Getriebenen. Das Kraftfahrtbundesamt prüft, Umweltverbände klagen, Kunden rebellieren. Die aus Konzernsicht größte Bedrohung: Fahrverbote für Dieselautos in besonders belasteten Städten.
Aktuell verhandelt das Verwaltungsgericht Stuttgart über eine Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen das Land BadenWürttemberg. Das Ziel der Kläger: Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Stuttgart will solche Fahrverbote ab 1. Januar 2018 ohnehin einführen, auch in München kann es so weit kommen. Bei Daimler glaubt man dennoch fest an die Zukunft des Dieselantriebs. Im südafrikanischen Kapstadt stellte der Konzern ausgerechnet jetzt ein neues Dieselfahrzeug vor: Die XKlasse. Der Pick-up sei unter anderem für „argentinische Farmer mit riesigem Landbesitz“und „australische Bauunternehmer, die abgelegene Baustellen erreichen müssen“gemacht. Marktpotenzial: 3,2 Millionen Fahrzeuge mit Dieselabgasen. In Deutschland versuchen die meisten Autohersteller gerade das Dieselproblem kleiner zu machen: Hersteller wie Porsche denken über ein Ende des Dieselantriebs nach. Audi und BMW wollen Fahrzeuge nachzurüsten, allerdings nur Autos der Euro-5-Norm.
Halb mitgerissen, halb getrieben will nun auch Daimler mehr als drei Millionen Dieselfahrzeuge nachrüsten. Das Computerprogramm zur Motorsteuerung soll dabei aktualisiert werden. Rund 200 Millionen Euro lässt der Konzern sich das kosten – aber ist die Umrüstung mehr als ein Ablasshandel? Macht die neue Technik die Luft wirklich sauberer?
Nicht nur das Software-Update, sondern auch den Werkstattbesuch will der Konzern übernehmen. Interessant dabei ist besonders, dass Daimler nicht nur Autos der alten Euro-5Norm nachrüstet, sondern auch Fahrzeuge der Euro-6-Norm – das ist die neuste Norm. Eigentlich sollten diese Fahrzeuge bereits besonders sauber sein.
Bei Daimler kommt neben der Sorge vor Fahrverboten seit Kurzem noch etwas mehr Druck hinzu: Die Dieselfahrzeuge des Konzerns sollen im Straßenbetrieb deutlich mehr giftige Stickoxide ausstoßen als im Testbetrieb. Deshalb vermutet die Staatsanwaltschaft Stuttgart auch in Daimler-Motoren eine Schummelsoftware, wie sie VW eingesetzt hat.
Aus der Politik kommt viel Skepsis zu den neuen Sauberkeitsversprechen: „Grundsätzlich begrüßen wir die Daimler-Pläne zur Nachrüstung der EU-5- und EU-6-Fahrzeuge“, sagte
BadenWürttembergs Verk ehrsminister Winfried Hermann (Grüne). „Unklar ist bislang allerdings, wie die Nachrüstung funktioniert, und was sie bewirken kann.“
Auch bei der CDU schwindet langsam die Geduld mit den Autokonzernen. „Die Nachrüstung darf nicht auf Kosten der Autofahrer gehen“, sagte MarieLuise Dött, die umweltpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag. „Wenn die Autos Mängel haben, ist es Pflicht der Hersteller, die Probleme zu beheben. Klappt das nicht, müssen sie die Wagen ganz zurücknehmen.“Allein von BMW sind bundesweit rund 700.000 Fahrzeuge mit Euro-5Norm unterwegs. Der Konzern rechnet damit, dass mehr als die Hälfte der Wagen umgerüstet wird. Am 2. August wollen Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) mit den Konzernen reden, um eine gemeinsame Nachrüstung zu beschließen.
Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des CAR-Instituts der Uni Duisburg-Essen, hält die Software-Nachrüstung für nicht ausreichend. Weil dadurch möglicherweise der Dieselverbrauch steige, „bringt das nicht genug.
Die Luft in den Großstädten wird dadurch nicht sauberer.“Dudenhöffer meint, dass nur Veränderungen der Motoren helfen, etwa größere Tanks für die Flüssigkeit „Adblue“zur Schadstoffverminderung. Diese Nachrüstung würde 1000 bis 2000 Euro pro Auto kosten. Den Herstellern sei das zu teuer.
Angesichts der Zahlen bei Daimler werde die Dimension des Skandals klar, sagte Sabine Leidig, umweltpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag. Beim Thema Nachrüstungen sieht sie viele offene Fragen: „Ohne Verpflichtung durch das Kraftfahrtbundesamt und nachfolgender Kontrolle ist deren Wirksamkeit höchst zweifelhaft.“Zudem sei unklar, wer im Zweifelsfall für umrüstungsbedingte Schäden haften müsse.