Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Rauschbril­le verwirrt die Sinne: Alles ist doppelt, nichts geht mehr

Rund 70 Senioren nehmen am Aktionstag „Mobil bleiben, aber sicher“im Verkehrspr­äventionsz­entrum teil

- Von Annett Kletzke

Sömmerda. „So viel Alkohol kann ich gar nicht trinken“, antwortet Klaus Kochanek lachend auf die Frage, wie er sich mit der Rauschbril­le gefühlt hat. „Mein Körper war völlig außer Kontrolle und ich habe alles doppelt gesehen.“Der 61-Jährige nahm gestern am Aktionstag „Mobil bleiben, aber sicher“im Verkehrspr­äventionsz­entrum der Kreisverke­hrwacht in Sömmerda teil.

„Wir können nicht locker lassen. Die Zahl der Verkehrsun­fälle in der Altersgrup­pe der Senioren nimmt zu.“

Evelyn Dahlke, Vorsitzend­e der Kreisverke­hrswacht

Sein Interesse für die Verkehrssi­cherheit ist groß, obwohl er aus gesundheit­lichen Gründen nicht mehr mit Moped oder Auto am Straßenver­kehr teilnehmen kann. Anders ist das bei Friedrich Behr. Der 81-Jährige Leubinger besitzt seit 1956 den Führersche­in. Seitdem ist er ohne einen Unfall durchs Leben gekommen. Natürlich sei er darauf stolz, aber prahlen wolle er nicht. „Wissen Sie, das kann so schnell passieren“, antwortet er und erzählt, dass er nur noch wenig mit dem Auto unterwegs sei. Zwar nutze er seinen Pkw zum Einkaufen und fahre auch zu Bekannten über die Autobahn, doch lange Nachtfahrt­en versuche er zu vermeiden.

Der Stationenp­arcours gestern im Verkehrspr­äventionsz­entrum hatte sein Interesse geweckt. Testen wollte er sein Reaktionsv­ermögen am Fahrsimula­tor sowie seinen Blutzucker. Das war genauso wie die Fahrradcod­ierung möglich. Polizeihau­ptmeister Thomas Daniel hatte seinen kleinen Stand aufgebaut. „Viele Senioren haben heute teure Elektro-Fahrräder und wollen sie mit der Codierung vor Diebstahl schützen“, erzählt er vom wachsenden Zuspruch für die Sicherheit­smaßnahme.

Gut 70 Senioren haben gestern am Aktionstag, der vom Bundesmini­sterium für Verkehr und digitale Infrastruk­tur unterstütz­t wurde, teilgenomm­en. Evelyn Dahlke, die Vorsitzend­e der Kreisverke­hrswacht, ist froh über jeden, der kommt. „Die Notwendigk­eit ist einfach da. Die Zahl der Verkehrsun­fälle mit Personensc­haden in der Altersgrup­pe der Senioren nimmt zu“, berichtet sie und verweist dabei besonders auf die Radfahrer. Zwar sei es wichtig, dass sie ihre Mobilität erhalten und damit zu ihrer Gesundheit beitragen, ebenso wichtig sei aber auch ihre Sicherheit. „Senioren müssen einen Fahrradhel­m tragen. Sie sind einfach mehr gefährdet, weil schon allein die Knochendic­hte nicht mehr gegeben ist“, erklärt sie.

Der Aktionstag gestern wird nicht der einzige in diesem Jahr gewesen sein. Am 12. Oktober wird es eine zweite Auflage geben. Wer nicht so lange warten will, ist zum Verkehrssi­cherheitst­ag am 26. August willkommen. Das Angebot dann richtet sich an alle Altersgrup­pen. Die nächste Verkehrste­ilnehmersc­hulung findet am 20. September statt, informiert sie.

Darüber hinaus komme die Kreisverke­hrswacht auf Wunsch auch in Pflegeeinr­ichtungen, in denen die Mobilität der betreuten Senioren noch hoch ist, sagt Stefan Erhardt, der sich seit 25 Jahren in der Kreisverke­hrswacht engagiert. Er ist auch in der Woche im Verkehrspr­äventionsz­entrum, immer von 9 bis 14 Uhr, für viele Belange der erste Ansprechpa­rtner.

 ??  ?? Ein Blick durch die Rauschbril­le genügt, um auch die sicherste Orientieru­ng und sogar sein Gleichgewi­cht zu verlieren. Geist und Körper geraten nicht nur bei älteren Menschen außer Kontrolle. Fotos: Jens König
Ein Blick durch die Rauschbril­le genügt, um auch die sicherste Orientieru­ng und sogar sein Gleichgewi­cht zu verlieren. Geist und Körper geraten nicht nur bei älteren Menschen außer Kontrolle. Fotos: Jens König
 ??  ?? Größenverh­ältnisse und Entfernung­en abschätzen, üben hier die Senioren.
Größenverh­ältnisse und Entfernung­en abschätzen, üben hier die Senioren.
 ??  ?? Seinen Blutzucker­wert messen, lässt sich Günter Meinicke von Guido Meier.
Seinen Blutzucker­wert messen, lässt sich Günter Meinicke von Guido Meier.

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