Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Im Hauptwerk „Vaterunser“stecken die Kriegserlebnisse
Kabinettausstellung im Stadtmuseum Weimar erinnert an Maler und Zeichenlehrer Hugo Flintzer
Weimar. Von Friedrich Justin Bertuchs vielfältigen Unternehmungen ist die Zeichenschule die einzige Einrichtung, die seit 1776 bis heute mit ihren künstlerisch-praktischen Angeboten einen geachteten Platz in der Weimarer Bildungslandschaft einnimmt.
Natürlich gab es in der langen Zeit der Schule Höhen und Täler, Glanzzeiten und weniger strahlende Dezennien. Und es gab die Unterbrechung von 1930 bis 1972. Leider gingen im zweiten Weltkrieg wichtige Archivalien verloren, so dass bisher keine umfassende Würdigung dieser Einrichtung erfolgen konnte.
Es ist eine reizvolle Aufgabe, schrittweise das Leben und Wirken von Direktoren der Einrichtung zu erkunden und vorzustellen. Die diesjährige Ausstellung über Hugo Flintzer schließt inhaltlich an die Präsentation zum Maler und Zeichenlehrer Franz Goepfart (1866-1926) an, welche 2016 dank des Engagements von Dietrich Goepfart gezeigt werden konnte.
Hugo Flintzer war von 1896 bis 1917 Franz Goepfarts Vorgänger im Direktorenamt. In dieser künstlerisch bewegten Epoche prägte er zwei Jahrzehnte lang die Großherzogliche Zeichenschule. Eine Enkelin des Malers hatte dem Stadtmuseum schon vor Jahrzehnten wichtige Werke übereignet und auch das jetzige Vorhaben mit ihrem Wissen und mit Sachzeugen überaus freundlich unterstützt.
Heiteres und Ernstes aus Flintzers vielgestaltigem Werk kann bis zum 8. Januar im Bertuchhaus bewundert werden: Kinderzeichnungen und Märchenhaftes aus den Skizzenbüchern, sommerliche Skizzen vom Ostseestrand, Illustrationen zur klassischen Literatur, Porträtgemälde und Zeichnungen zum Festzug zur Goldenen Hochzeit von Carl Alexander und Sophie aus dem Jahr 1892.
Gegen Ende seines Lebens gelang Flintzer ein Hauptwerk: der Zyklus „Das Vaterunser“. In diesen großformatigen farbigen Kohlezeichnungen verarbeitete er die Kriegserlebnisse aus der Zeit 1914/1916.
Acht dieser Bilder sind jetzt erstmalig in der Kabinettausstellung im Vortragsraum des Museums zu bewundern. Zwei Bilder befinden sich im Obergeschoss des Hauses im Eingangsbereich der Ausstellung zur Nationalversammlung 1919. Flintzers Schilderungen vom Leid und Elend des Krieges sind das Bedeutendste, das Vermächtnis, das wir dem Künstler verdanken.
Nach der Rückkehr aus dem Krieg im Frühjahr 1916 hatte Flintzer intensiv in einem Gefangenenlager in Erfurt geholfen. Dies wurde ihm zum Verhängnis: Er infizierte sich mit Typhus und starb plötzlich und unerwartet 55-jährig am 23. Juni 1917 in Weimar.
Die Zeitung Deutschland widmete ihm einen ehrenvollen Nachruf. Das Donndorf-Museum zeigte eine Gedenkausstellung, darüber berichtet die Weimarische Zeitung vom 4. April 1918.
Auch in der Gedächtnisausstellung für Carl Alexander 1918 war er vertreten mit seinem Selbstbildnis, einer Landschaft und seinen Anteilen an der Dokumentation zum Festzug 1892. Das Selbstbildnis und der Festzug können jetzt wieder bewundert werden.
Sein Schüler, der Steinmetz und Bildhauer Max Schwarz, gestaltete sein Grabmal auf dem Historischen Friedhof mit keltischem Ringkreuz und der Inschrift-Tafel. Glücklicherweise hat sich dazu auch ein historisches Foto erhalten.
Flintzers Witwe Sarah, geb. Hörschelmann, überlebte den Ehemann bis 1944. Die Grabtafel enthält jedoch einen anderen Vornamen und dokumentiert damit einen bedeutsamen zeitgeschichtlichen Vorgang: Ein Weimarer Standesbeamter hatte Sarah Flintzer empfohlen, den Vornamen zu wechseln. Die Enkel besuchten dann „Tante Sarah, die jetzt Sophie heißt“.
Die Familie hütete den Nachlass und zwei Nachfahren verfassten schriftliche Erinnerungen. Die in Leipzig lebende Tochter Marianne deponierte ihre Gemälde in einer Bank. Bei der Öffnung des Safes 1945 wurden diese von einem sowjetischen Offizier beschlagnahmt.
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Stadtmuseum Weimar, Kabinettaustellung über
Hugo Flintzer, bis . Januar, geöffnet Dienstag bis Sonntag bis Uhr