Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Gnadenlose Tour
Sport, und insbesondere der Radsport, kann mitunter extrem hart sein. Der Traum vom Grünen Trikot des Sprintbesten in Paris war für Marcel Kittel so greifbar nah wie noch nie. Und dann macht ein Augenblick alle Erfolge der letzten beiden grandiosen Wochen zu nichte. Alles Schinden und Leiden umsonst.
Die Tour de France ist gnadenlos. Das bekam vor zwei Jahren Tony Martin zu spüren. Damals stürzte Kittels Ex-Teamkollege im Gelben Trikot und musste mit Schlüsselbeinbruch aufgeben. Das merkte Kittels Spurt-Kontrahent Mark Cavendish, als er zu Beginn der diesjährigen Frankreich-Schleife durch Weltmeister Peter Sagan in die Werbebande gefahren wurde. Das wurde Gesamt-Mitfavorit Richie Porte zum Verhängnis, der in einer Abfahrt stürzte und sich das Becken brach. Nahezu jedes Mal fordert dieses Rennen Opfer.
Müßig zu spekulieren, ob Kittels Sturz vermeidbar war, ob er sich in dieser brisanten Situation weiter vorn im Feld hätte aufhalten sollen, ob sein Erzrivale Michael Matthews ohnehin den Punkte-Rückstand zum Thüringer wettgemacht hätte... Hätte, hätte – Fahrradkette. Der langgehegte Traum ist aus. Für dieses Jahr.
Dennoch: Marcel Kittel hat sich mit fünf Etappensiegen zum aktuell besten Massensprinter der Welt gekürt. Er fuhr nach Tiefschlägen 2015 in der Form seines Lebens. Tendenz steigend. Das sollte ihm, bei aller Enttäuschung, Mut geben.
Also: Kopf hoch und Blick nach vorn!