Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Widerstand gegen Merkel
In der Thüringer CDU wird mehr konservatives Profil eingefordert. Jens Spahn redet zum Politischen Aschermittwoch
Lieber Sven Ostritz, es begab sich vor 12 000 Jahren, da labten wir Thüringer uns noch besonders gern an Wildpferden. Tagelang zogen die Jäger durchs Land, um ihre Beute zu stellen.
Was aber passierte, wenn sich Fred Feuerstein zur Nacht bettete? Schweiften seine Gedanken, erhitzt vom Lagerfeuer, hin zum holden Weibe? Nahm er kleine Statuen zur Hand, um sich an prallen Brüsten und einem molligen Gesäß zu ergötzen? Kurzum: Handelt es sich bei den ältesten bekannten Menschendarstellungen aus Thüringen um steinzeitliche Pin-up-Girls?
Gut möglich, dass sich schon bald Besucher einer Ausstellung in Berlin solche Fragen stellen. Eigens für diese Schau stellen Deutschlands Landesarchäologen ihre herausragenden Stücke zur Verfügung. Sie verehrter Herr Ostritz, schicken unsere Venus auf die Reise. Tausende Jahre lag sie verschüttet im Sandberg von Oelknitz (SaaleHolzland-Kreis). Nun wird sie zum Star.
Natürlich geben sie noch weitere Stücke nach Berlin. Dazu gehört eine byzantinische Öllampe, welche Ihre Mitarbeiter nahe Gotha aus dem Grab eines Kriegers bergen konnten. Diese Lampe steht stellvertretend für die beginnende Christianisierung unseres Landes vor rund 1500 Jahren.
Vielleicht wohnen der Öllampe aber auch sagenhafte Kräfte inne. Geht, wenn man an ihr reibt, ein Wunsch in Erfüllung?
Ich wünsche mir, lieber Herr Ostritz, die Ausstellung in Berlin wird zum Ansporn für uns. Eine große Archäologie-Schau in Thüringen ist seit Jahren überfällig. Prächtige Funde gibt es allemal. Doch am erkennbaren Willen, sie einem großen Publikum zu präsentieren, daran fehlt es bisher.
Erfurt.
Um die 1500 Menschen werden sich heute in der Halle der Brauerei von Apolda drängen, um Bier zum Hering zu trinken und dabei zuzuhören, wie Linke, Grüne und ein bisschen auch die SPD verdroschen werden. So gehört es sich beim Politischen Aschermittwoch der hiesigen CDU.
Doch eigentlich geht es um etwas anderes. Seit Mike Mohring vor drei Jahren den Landesvorsitz übernahm und die Veranstaltung von Bad Sulza in seine Heimatstadt Apolda verlegte, ist sie endgültig zu seiner ganz persönlichen Machtdemonstration mutiert. Abgeordnete, Funktionäre und sonstige Würdenträger zeigen sich dort pflichtschuldigst, derweil Altministerpräsident Bernhard Vogel traditionell in seiner Rede mitteilt, dass Mohring der Beste für die CDU und bald auch für das Land sei.
Wie so oft setzt der Landeschef mit der Auswahl des Gastredners ein Signal. Nachdem im vorigen Jahr Edmund Stoiber die Fehler in der Flüchtlingskrise auflisten durfte, ist diesmal Jens Spahn eingeladen.
Der 37-jährige CDU-Präside ist so etwas wie die parteiinterne Nemesis der Parteivorsitzenden Angela Merkel. Da er schon lange den Flüchtlings- und Islamkurs der Bundeskanzlerin kritisiert, gilt er als Bannerträger der Jungen, Aufmüpfigen und Konservativen in der Partei, zu denen sich Mohring mit 46 natürlich noch rechnet.
Anfang des Monats veröffentlichte der Thüringer Partei- und Fraktionschef einen „Appell“im „Focus“– der, obwohl ihr Name nicht fiel, an Merkel gerichtet war. Die Menschen erwarteten „mehr als ein Wortspiel über ein Land, in dem wir gut und gerne leben“, schrieb er in Anlehnung an den CDU-Slogan im Bundestagswahlkampf. „Es mag auch sein, dass wir unsere Politik für alternativlos halten.“Aber: „Wir werden sie besser begründen müssen.“
Es folgte so etwas wie eine Unterstützungsrede für Spahn – und für sich. „Auch in der mittleren und jüngeren Generation“, formulierte er, „stehen Politiker bereit, die Lust darauf haben, das Soziale, das Marktwirtschaftliche, das Konservative, das Christliche und Liberale selbstbewusst zu repräsentieren.
Mohring hatte immer mal taktisch gegen Merkel opponiert, bis er sich nach seiner öffentlichen Disziplinierung Ende 2014 einordnete. Doch nun, da die Kanzlerindämmerung tatsächlich begonnen zu haben scheint, wagt er wieder die Attacke.
Diesmal befindet er sich nicht nur in der Gesellschaft einiger Fraktionschefs aus der Provinz. Er steht mit an der Spitze einer regelrechten Bewegung von Abgeordneten, Vorständlern und Landespolitikern, die sich vordergründig gegen die Personalpläne Merkels richtet – und hintergründig gegen sie selbst.
Die Kanzlerin reagierte zwar und versprach, jenen Personen „Chancen zu geben, die ihre politische Zukunft noch vor sich haben oder mittendrin sind“. Doch die beruhigende Wirkung bleibt begrenzt. So sagt zum Beispiel das Thüringer Bundestagsmitglied Mark Hauptmann, der als Gruppenchef der jungen Abgeordneten dem Fraktionsvorstand angehört: „Das dürfen keine Lippenbekenntnisse bleiben.“Seine Generation müsse „stärker Berücksichtigung“an der Spitze von Partei, Fraktion und Regierung finden.
Hauptmann hat auch sehr konkrete Vorschläge: Leute wie Jens Spahn zeigten, dass die CDU neben den christlich-sozialen Flügel auch noch einen konservativen und einen wirtschaftsliberalen Flügel besitze. Dabei müssten diese beiden Flügel „unbedingt wieder stärker Berücksichtigung“finden.
Grundsätzlich stellt Hauptmann bei der CDU „Abnutzungserscheinungen“fest. „Das Profil der Partei ist zu wenig erkennbar“, sagt er. „Wir haben auf der konservativen Seite eine offene Flanke gelassen, die von der AfD für sich genutzt wurde.“Viele Mitglieder hätten sich deshalb sich „in einer Passivität eingeigelt“.
Darum, sagt der Abgeordnete, sei Spahn so wichtig. Dieser habe „wichtige und überfällige Debatten zur Migrationspolitik oder auch zur Rolle des Islam in unserer Gesellschaft“angestoßen. „Wenn wir Themen aktiv besetzen und lösen und nicht nur reagieren, dann müssen wir uns um die AfD keine Gedanken machen“, sagt Hauptmann.
Auch der Thüringer JU-Chef Stefan Gruhner, der Merkel nie öffentlich kritisiert, fordert „personelle Zeichen innerhalb des Kabinetts“. Es gehe darum, das „gesellschaftliche Zielfoto“zu schärfen, sagte er der TA. „Wenn die CDU eine Zukunft als Volkspartei haben will, gehört auch meine Generation mit an den Entscheidungstisch. Wir müssen die Konsenskultur aufbrechen, müssen mehr Debatten zulassen.“
Dennoch mahnt Gruhner, der Mohrings Lager eher fern steht, vor Übertreibungen. „Es muss dann auch mal gut sein mit Personaldebatten.“So sei dies nicht die Zeit, die Kanzler- und Parteivorsitzendenfrage zu stellen. Zumal: „Wir vermitteln langsam den Eindruck, es gehe nur um Posten.“Das Bild, das die Parteien gerade abgäben, sie auch so schon „miserabel genug“.