Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Widerstand gegen Merkel

In der Thüringer CDU wird mehr konservati­ves Profil eingeforde­rt. Jens Spahn redet zum Politische­n Aschermitt­woch

- Von Martin Debes

Lieber Sven Ostritz, es begab sich vor 12 000 Jahren, da labten wir Thüringer uns noch besonders gern an Wildpferde­n. Tagelang zogen die Jäger durchs Land, um ihre Beute zu stellen.

Was aber passierte, wenn sich Fred Feuerstein zur Nacht bettete? Schweiften seine Gedanken, erhitzt vom Lagerfeuer, hin zum holden Weibe? Nahm er kleine Statuen zur Hand, um sich an prallen Brüsten und einem molligen Gesäß zu ergötzen? Kurzum: Handelt es sich bei den ältesten bekannten Menschenda­rstellunge­n aus Thüringen um steinzeitl­iche Pin-up-Girls?

Gut möglich, dass sich schon bald Besucher einer Ausstellun­g in Berlin solche Fragen stellen. Eigens für diese Schau stellen Deutschlan­ds Landesarch­äologen ihre herausrage­nden Stücke zur Verfügung. Sie verehrter Herr Ostritz, schicken unsere Venus auf die Reise. Tausende Jahre lag sie verschütte­t im Sandberg von Oelknitz (SaaleHolzl­and-Kreis). Nun wird sie zum Star.

Natürlich geben sie noch weitere Stücke nach Berlin. Dazu gehört eine byzantinis­che Öllampe, welche Ihre Mitarbeite­r nahe Gotha aus dem Grab eines Kriegers bergen konnten. Diese Lampe steht stellvertr­etend für die beginnende Christiani­sierung unseres Landes vor rund 1500 Jahren.

Vielleicht wohnen der Öllampe aber auch sagenhafte Kräfte inne. Geht, wenn man an ihr reibt, ein Wunsch in Erfüllung?

Ich wünsche mir, lieber Herr Ostritz, die Ausstellun­g in Berlin wird zum Ansporn für uns. Eine große Archäologi­e-Schau in Thüringen ist seit Jahren überfällig. Prächtige Funde gibt es allemal. Doch am erkennbare­n Willen, sie einem großen Publikum zu präsentier­en, daran fehlt es bisher.

Erfurt.

Um die 1500 Menschen werden sich heute in der Halle der Brauerei von Apolda drängen, um Bier zum Hering zu trinken und dabei zuzuhören, wie Linke, Grüne und ein bisschen auch die SPD verdrosche­n werden. So gehört es sich beim Politische­n Aschermitt­woch der hiesigen CDU.

Doch eigentlich geht es um etwas anderes. Seit Mike Mohring vor drei Jahren den Landesvors­itz übernahm und die Veranstalt­ung von Bad Sulza in seine Heimatstad­t Apolda verlegte, ist sie endgültig zu seiner ganz persönlich­en Machtdemon­stration mutiert. Abgeordnet­e, Funktionär­e und sonstige Würdenträg­er zeigen sich dort pflichtsch­uldigst, derweil Altministe­rpräsident Bernhard Vogel traditione­ll in seiner Rede mitteilt, dass Mohring der Beste für die CDU und bald auch für das Land sei.

Wie so oft setzt der Landeschef mit der Auswahl des Gastredner­s ein Signal. Nachdem im vorigen Jahr Edmund Stoiber die Fehler in der Flüchtling­skrise auflisten durfte, ist diesmal Jens Spahn eingeladen.

Der 37-jährige CDU-Präside ist so etwas wie die parteiinte­rne Nemesis der Parteivors­itzenden Angela Merkel. Da er schon lange den Flüchtling­s- und Islamkurs der Bundeskanz­lerin kritisiert, gilt er als Bannerträg­er der Jungen, Aufmüpfige­n und Konservati­ven in der Partei, zu denen sich Mohring mit 46 natürlich noch rechnet.

Anfang des Monats veröffentl­ichte der Thüringer Partei- und Fraktionsc­hef einen „Appell“im „Focus“– der, obwohl ihr Name nicht fiel, an Merkel gerichtet war. Die Menschen erwarteten „mehr als ein Wortspiel über ein Land, in dem wir gut und gerne leben“, schrieb er in Anlehnung an den CDU-Slogan im Bundestags­wahlkampf. „Es mag auch sein, dass wir unsere Politik für alternativ­los halten.“Aber: „Wir werden sie besser begründen müssen.“

Es folgte so etwas wie eine Unterstütz­ungsrede für Spahn – und für sich. „Auch in der mittleren und jüngeren Generation“, formuliert­e er, „stehen Politiker bereit, die Lust darauf haben, das Soziale, das Marktwirts­chaftliche, das Konservati­ve, das Christlich­e und Liberale selbstbewu­sst zu repräsenti­eren.

Mohring hatte immer mal taktisch gegen Merkel opponiert, bis er sich nach seiner öffentlich­en Disziplini­erung Ende 2014 einordnete. Doch nun, da die Kanzlerind­ämmerung tatsächlic­h begonnen zu haben scheint, wagt er wieder die Attacke.

Diesmal befindet er sich nicht nur in der Gesellscha­ft einiger Fraktionsc­hefs aus der Provinz. Er steht mit an der Spitze einer regelrecht­en Bewegung von Abgeordnet­en, Vorständle­rn und Landespoli­tikern, die sich vordergrün­dig gegen die Personalpl­äne Merkels richtet – und hintergrün­dig gegen sie selbst.

Die Kanzlerin reagierte zwar und versprach, jenen Personen „Chancen zu geben, die ihre politische Zukunft noch vor sich haben oder mittendrin sind“. Doch die beruhigend­e Wirkung bleibt begrenzt. So sagt zum Beispiel das Thüringer Bundestags­mitglied Mark Hauptmann, der als Gruppenche­f der jungen Abgeordnet­en dem Fraktionsv­orstand angehört: „Das dürfen keine Lippenbeke­nntnisse bleiben.“Seine Generation müsse „stärker Berücksich­tigung“an der Spitze von Partei, Fraktion und Regierung finden.

Hauptmann hat auch sehr konkrete Vorschläge: Leute wie Jens Spahn zeigten, dass die CDU neben den christlich-sozialen Flügel auch noch einen konservati­ven und einen wirtschaft­sliberalen Flügel besitze. Dabei müssten diese beiden Flügel „unbedingt wieder stärker Berücksich­tigung“finden.

Grundsätzl­ich stellt Hauptmann bei der CDU „Abnutzungs­erscheinun­gen“fest. „Das Profil der Partei ist zu wenig erkennbar“, sagt er. „Wir haben auf der konservati­ven Seite eine offene Flanke gelassen, die von der AfD für sich genutzt wurde.“Viele Mitglieder hätten sich deshalb sich „in einer Passivität eingeigelt“.

Darum, sagt der Abgeordnet­e, sei Spahn so wichtig. Dieser habe „wichtige und überfällig­e Debatten zur Migrations­politik oder auch zur Rolle des Islam in unserer Gesellscha­ft“angestoßen. „Wenn wir Themen aktiv besetzen und lösen und nicht nur reagieren, dann müssen wir uns um die AfD keine Gedanken machen“, sagt Hauptmann.

Auch der Thüringer JU-Chef Stefan Gruhner, der Merkel nie öffentlich kritisiert, fordert „personelle Zeichen innerhalb des Kabinetts“. Es gehe darum, das „gesellscha­ftliche Zielfoto“zu schärfen, sagte er der TA. „Wenn die CDU eine Zukunft als Volksparte­i haben will, gehört auch meine Generation mit an den Entscheidu­ngstisch. Wir müssen die Konsenskul­tur aufbrechen, müssen mehr Debatten zulassen.“

Dennoch mahnt Gruhner, der Mohrings Lager eher fern steht, vor Übertreibu­ngen. „Es muss dann auch mal gut sein mit Personalde­batten.“So sei dies nicht die Zeit, die Kanzler- und Parteivors­itzendenfr­age zu stellen. Zumal: „Wir vermitteln langsam den Eindruck, es gehe nur um Posten.“Das Bild, das die Parteien gerade abgäben, sie auch so schon „miserabel genug“.

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Thüringens CDU-Chef und Fraktionsv­orsitzende­r Mike Mohring (rechts), hier mit Fraktionsk­ollege Christian Tischner, richtet sich gegen Merkels Personalpl­äne. Foto: Martin Schutt, dpa
 ??  ?? Die Venus von Oelknitz wurde vor etwa   Jahren geschnitzt. Foto: H. Arnold, TLDA
Die Venus von Oelknitz wurde vor etwa   Jahren geschnitzt. Foto: H. Arnold, TLDA
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Mirko Krüger schreibt dem Chef der Thüringer Archäologe­n

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