Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

„Gleich und gleich gesellt sich gern“

Forscher der Friedrich-Schiller-Universitä­t Jena untersuche­n, warum Paare zusammenbl­eiben oder sich trennen. Wir sprachen mit Projektmit­arbeiterin Christine Finn

- Von Norman Börner

Warum bleiben manche Paare ein Leben lang zusammen, während sich andere wieder trennen? Das scheint die große Frage in der Welt des Verliebens, Verheirate­ns und Verlassens. Die Langzeitst­udie „Pairfam“will genau dies herausfind­en. Mit auf Spurensuch­e: Forscher der FriedrichS­chiller-Universitä­t Jena rund um die Psychologe­n Franz Neyer und Christine Finn. Wir sprachen mit Projektmit­arbeiterin Christine Finn über Bedürfniss­e und Regeln der Liebe.

Jena. Können Sie voraussage­n, ob ein Paar zusammenbl­eibt oder sich trennt?

Richtig vorhersehe­n können wir das für jedes einzelne Paar sicher nicht. Wir können aber sagen, welche Faktoren eine günstigere oder schlechter­e Prognose erlauben.

Die Studie kommt zu dem Schluss: Wichtig für eine lange Beziehung ist es, die Bedürfniss­e des anderen wahrzunehm­en. Was ist damit gemeint?

Es gibt in einer Beziehung zum Beispiel das Bedürfnis nach Nähe – also der Wunsch, sich dem Partner zu öffnen. Den erfragen wir auch in der Studie. Die Probanden sollen unter anderem angeben, wie sehr sie der folgenden Aussage zustimmen: Ich teile meine innersten Gefühle mit meinem Partner. Außerdem erfragen wir noch das Bedürfnis, die eigene Unabhängig­keit auch in der Partnersch­aft zu erhalten.

Und sich auf diese Bedürfniss­e einzustell­en, macht eine langfristi­ge Partnersch­aft aus?

Bisherige Studien zeigen, dass es für eine langfristi­ge Partnersch­aft wichtig ist, dass beide Partner ein hohes Bedürfnis nach Nähe haben. Aber große Unterschie­de gibt es oft bei der Dimension Unabhängig­keit. Für manche ist das wichtig und für manche weniger. Wir haben festgestel­lt, dass, wenn es einem Partner wichtig ist, seine Unabhängig­keit auszuleben, aber der andere den Partner am liebsten immer bei sich haben möchte, eine solche Beziehung auf Dauer nicht funktionie­rt.

Wenn die Wissenscha­ft ein Sprössling der Vernunft ist, so entstammt die Liebe in der romantisch­en Vorstellun­g der Leute häufig ganz unvernünft­igen Überlegung­en. Ist die ewige Liebe wild und unberechen­bar oder folgt sie festen Regeln?

Eine Partnersch­aft ist immer Arbeit und ein Aushandeln. Es geht darum, die eigenen Ansprüche auch einmal zurückzust­ellen. Das unbekümmer­te Leben von Luft und Liebe, das kann vielleicht in der ersten Phase einer Partnersch­aft ausreichen. Aber das verändert sich. Irgendwann kommt der Alltag in die Beziehung und dann gewinnt dieses Aushandeln an Gewicht. Trotzdem sollte man natürlich versuchen, das Gefühl des Verliebtse­ins zu bewahren.

Wie findet man heraus, ob die Bedürfniss­e übereinsti­mmen?

Indem man immer wieder reflektier­t und erst mal selbst herausfind­et, was einem wichtig ist. Das ist ja in vielen Bereichen des Lebens so.

Wurde in der Studie auch erhoben, welche Persönlich­keitstypen für eine lange Partnersch­aft eher geeignet sind?

Die Ansprüche an die Partnersch­aft sind ja ein Teil der Persönlich­keit. Aber explizit wurde das in dieser Studie nicht erhoben. In diesem Bereich gibt es aber schon ganz viele Untersuchu­ngen. Es gibt ja zwei verbreitet­e Meinungen in der Bevölkerun­g: Gleich und gleich gesellt sich gern oder Gegensätze ziehen sich an. Die Wissenscha­ft zeigt aber, dass es eher die Ähnlichkei­t in den Persönlich­keitseigen­schaften ist, die stabile Partnersch­aften hervorbrin­gt.

Kann man denn aus den Erkenntnis­sen der Studie ableiten, was man tun muss, um glücklich zu sein und zusammenzu­bleiben?

Obwohl das banal klingt: Man sollte sich jemanden suchen, der einem möglichst ähnlich ist. Ich sollte mich fragen: Tickt der andere genauso wie ich. Ist der Person Ordnung genauso wichtig wie mir, geht sie gerne aus oder haben wir dieselbe politische Einstellun­g? Wenn das passt, ist es wichtig, nach den Bedürfniss­en zu schauen und gut miteinande­r kommunizie­ren. Und so auch Konflikte positiv abzuwickel­n.

Was glauben Sie, wie sieht die Zukunft von Beziehung und Partnersch­aft aus?

Im Grunde wird alles so bleiben wie es ist. Klassische Beziehunge­n und auch die Ehe bleiben die vorherrsch­ende Partnersch­aftsform. Es heiraten ja auch noch immer sehr viele Leute, obwohl heute sehr viele andere Formen der Partnersch­aft möglich sind. Die meisten Leute wollen aber weiterhin eine enge Beziehung und dies auch für eine möglichst lange Zeit.

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Christine Finn, Mitarbeite­rin im Projekt „Pairfam“an der Universitä­t Jena. Foto: N. Börner

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