Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Käse-Fondue als gelebte Demokratie
Obwohl man die Schweizer kaum versteht, kann man sie sehr gern haben
Als Deutsche kann man sich in der Schweiz schon einsam fühlen, weil man die Schweizer einfach nicht versteht. Und doch ist die Schweiz mein absolutes Lieblingsland.
Zugegeben, leicht haben es die Eidgenossen mit ihren vier Landessprachen (neben Deutsch noch Französisch, Italienisch und Rätoromanisch) sowie den unzähligen Dialekten auch nicht, was selbst untereinander zu Verständigungsproblemen führt. Nach der Frage, „was die Schweiz zusammenhält“muss jeder Schweizer kurz nachdenken. Die Sprache ist es nicht.
Es sind eher Dinge von übergeordneter Wichtigkeit wie Unabhängigkeit, Freiheit, Neutralität und eine entschlossene Geheimniskrämerei. So ist auch zu erklären, warum sich berühmte Menschen und das große Geld die Schweiz als Wahlheimat ausgesucht haben, beide bleiben unbehelligt.
Meine Enkeltöchter versuchen bei jedem Besuch, mir ihre Sprache näher zu bringen. Ich verstehe sie inzwischen problemlos, wenn sie mich zum sMörgli (Frühstück) rufen und mich um Ankämödeli (Butter) bitten. Wenn sie mich allerdings zu einem „Mischtchratzerli“(Hähnchen) fragen, gehe ich davon aus, dass sie sich ein spezielles Spielzeug wünschen. Mein Sohn, der schon lange in der Schweiz lebt sagt, dass beispielsweise „Chuchichäschtli“nur dann drollig klingt, wenn es unklar ausgesprochen wird. Ansonsten gäbe es an diesem Wort nichts auszusetzen. Hier wird mein ganzes Dilemma sichtbar.
Dialekt und Mundart spricht jeder Schweizer, egal welcher sozialen Schicht er angehört. Eine standardisierte Rechtschreibung dafür gibt es nicht. Jeder schreibt sein Dialekt nach Gefühl. Schwyzerdüütsch ist Emotion und Heimatgefühl, eben die „Sprache des Herzens“. Die Eidgenossen bleiben gerne unter sich und immer mehr Deutsche sagen, es ist „kalt“in der Schweiz: „Ich wollte hier leben, konnte mich aber emotional nicht ansiedeln.“Und gehen enttäuscht wieder zurück.
Die direkte Demokratie der Eidgenossen gilt als Paradebeispiel für die Bürgerbeteiligung, nach der in Deutschland gelegentlich „gerufen“wird. Wussten Sie, dass das Schweizer Käsefondue ein urdemokratisches Essen ist? Jeder stochert dezent, bedacht und höflich im heißen Käse und nimmt sich so viel er kann. Bereits „Asterix & Obelix“, die französischen ComicHelden, trafen auf ein skurriles Völkchen, das jodelt, Alphorn bläst, Uhren liebt, Käsefondue isst und allergrößten Wert auf das Bankgeheimnis legt. Klischees bleiben, so ist das eben.
Die Schweiz ist für mich ein „außergewöhnliches Vorzeigeobjekt“, höllisch interessant und mit eindrucksvollen Bergen. Zauberhaft und wundersam zugleich! Mit einer verblüffenden Sprache, die keiner versteht. Ein Land mit vielen Gesichtern. Und mein Lieblingsland.
Außergewöhnliches Vorzeigeobjekt