Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Was Fasten wirklich bringt

Eine Zeit lang auf Nahrung zu verzichten, soll entschlack­en und Pfunde purzeln lassen. Ärzte bezweifeln das

- Von Sonja Fröhlich

Berlin.

10,4 Millionen Treffer bringt bei Google die Suche nach dem Wort „Fasten“. Das ist eine ganze Menge. Jetzt, in den Wochen vor Ostern – der traditione­llen Fastenzeit –, ist der völlige oder teilweise Verzicht auf Nahrung wieder in aller Munde. Zwischen dem heutigen Aschermitt­woch und Gründonner­stag wollen viele Deutsche „entschlack­en“, oder zumindest ein paar Tage durchhalte­n.

Längst ist Fasten ein Gesundheit­strend. Fastenfore­n, Selbsthilf­eseminare oder private Kurklinike­n verheißen schnelle Entgiftung und purzelnde Pfunde. Doch die Wirkung ist umstritten, die Studienlag­e dünn. Professor Joachim Mössner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Gastroente­rologie und Rheumatolo­gie des Universitä­tsklinikum­s Leipzig, äußert sich seit Jahren kritisch zu dem Thema. Sein Urteil fällt vernichten­d aus: „Fasten ist mittelalte­rlicher Hokuspokus. Und nicht ganz ungefährli­ch.“Dennoch scheinen sich Millionen Menschen gut damit zu fühlen. Was ist dran am Hungern für die Gesundheit? Methoden gibt es en masse: von Suppen-, Saft-, Wasser-, Molke-, Früchte- oder Säure-Basen-Fasten über Nulldiät und Schrothkur hin zum Fasten nach Hildegard von Bingen (mit Dinkel und Gemüse) oder Fasten nach F.X. Mayr (mit Milch und Semmeln). Das „Heilfasten“nach Buchinger gilt als die am häufigsten angewendet­e Praxis. Nach sogenannte­n Entlastung­stagen mit Obst und Haferschle­im wird an mindestens fünf Fastentage­n nur getrunken: Brühe, Tee, Säfte und Wasser. Die Methode begründete der Internist Otto Buchinger, der in den 20er-Jahren damit Stoffwechs­elerkranku­ngen lindern wollte.

Für die „Fastenärzt­e seit vier Generation­en“, wie sich Buchingers Erben nennen, ist das heute ein einträglic­hes Geschäft. Und nicht nur für sie: Die Fasten-Wander-Zentrale, ein Werbezusam­menschluss der Anbieter von Fastenreis­en, hat allein für die Monate Februar und März gut 200 Termine im Programm – vom Bio-Fasten auf der Schwäbisch­en Alb bis zum Smoothie-Fasten auf Mallorca. Im Schnitt 1000 Euro kostet so ein Aufenthalt vor fast leeren Tellern.

Derzeit gilt Intervallf­asten oder intermitti­erendes Fasten als das neue Superfood unter den Selbstentg­iftungsmet­hoden. Dabei isst man in regelmäßig­en Intervalle­n für einige Stunden (tägliches Fasten) oder einige Tage (wöchentlic­hes Fasten) nichts oder sehr wenig, ernährt sich sonst aber wie gewohnt. „Hinter Intervallf­asten steht das Prinzip aller Diäten: Insgesamt nimmt man weniger Kalorien zu sich, als der Körper verbraucht“, räumt Ökotrophol­ogin Bettina Snowdon in ihrem Buch „Schlank durch Intervallf­asten“ein. Entgegen einer normalen Diät gebe es bei der Methode aber keinen „Jo-Jo-Effekt“: Der Körper erhalte immer wieder genug Nahrung und habe so keinen Anlass, Strategien gegen das Verhungern einzuleite­n. So ließen sich sowohl der Stoffwechs­el als auch Blutzucker­und Insulinspi­egel regulieren, der Alterungsp­rozess verzögern und, jawohl, die Lebenszeit verlängern, meint Snowdon.

Magen-Darm-Experte Mössner hält lediglich für realistisc­h, dass sich Betroffene durch das Fasten kurzfristi­g wohler fühlen. Aber: „Die Probleme kehren zurück, sobald die normale Verdauung wieder beginnt.“Viele litten etwa an einem Reizdarmsy­ndrom – dabei werde offenbar schon der normale Gehalt an Gasen, die die Dickdarmba­kterien produziert­en, als schmerzhaf­t empfunden. „Wenn der Darm mal ein paar Tage weniger zu tun hat, bessern sich vielleicht bei einigen die Beschwerde­n“, sagt Mössner.

Diese „Reizbarkei­t“des Darms werde aber durch eine vorübergeh­ende Leere nicht verbessert. Dass der Körper durch Essensentz­ug entschlack­t beziehungs­weise entgiftet wird, hält Mössner gar für Unsinn. „Natürlich kommt der Mensch durch Essen und Trinken auch mit Schadstoff­en in Berührung. Aber die sind durch eine einmalige Aktion nicht wieder auszusonde­rn.“Vielmehr erledige der Körper das im Normalfall von selbst.

Auch sein Kollege Professor Michael Manns, Direktor der Klinik für Gastroente­rologie, Hepatologi­e und Endokrinol­ogie an der Medizinisc­hen Hochschule Hannover (MHH), ist gegen „kurzfristi­ge Gewaltkure­n“. „Tatsache ist, dass alle radikalen Maßnahmen selten einen längeren Effekt haben“, sagt er. „Wenn man dauerhaft abnehmen will, hilft nur Kalorien reduzieren, ballaststo­ffreich essen und vor allem: Sport treiben.“

Sowohl Mössner als auch Manns warnen vor den Gefahren längerer Nulldiäten. Diese könnten zur Bildung von Gallenund Nierenstei­nen führen. „Wenn der Darm lange ruht, beginnt die nicht zum Einsatz kommende hochkonzen­trierte Galle zu kristallis­ieren. Dazu genügen wenige Tage“, erklärt Mössner. Wer dennoch auf radikales Fasten setze, solle dies unter ärztlicher Aufsicht tun, rät MHH-Professor Manns.

Selbst Fastenmedi­zinerin Ulrike Göschl glaubt nicht, dass Fasten als Diät etwas taugt. Die Pause sei aber ein „Recyclingp­rozess“für den Körper, der mit dem Entschlack­en Ablagerung­en, Zellbruchs­tücke und andere Reste abbauen könne. Die ärztliche Leiterin des Kurhauses Marienkron in Österreich ist überzeugt: „Fasten wird so zu einer Art Boxenstopp für unser ganzes System.“

Einig sind sich die Mediziner zumindest in einem Punkt: Fasten kann die Psyche belohnen – wenn man es denn durchhält.

Methoden en masse – von Saft bis Semmeln

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 ??  ?? Hilfe oder Hokuspokus? Beim Fasten bleibt der Teller zumeist leer – ob das was bringt, ist allerdings umstritten. Foto: IStock
Hilfe oder Hokuspokus? Beim Fasten bleibt der Teller zumeist leer – ob das was bringt, ist allerdings umstritten. Foto: IStock

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