Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Gold und Silber: Die Zimmer-Party kann steigen

Im Rennrodeln sorgen Natalie Geisenberg­er und Dajana Eitberger für einen bayerisch-thüringisc­hen Doppelsieg

- Von Marco Alles

Wie wichtig ihr dieser Sieg war, bekam als Erstes ein weißer Tiger zu spüren. „Soohorang“ist das Maskottche­n der Spiele von Pyeongchan­g. Und ihn erhalten die drei Bestplatzi­erten bei einer kleinen Zeremonie kurz nach dem Wettkampf, ehe es am nächsten Tag zur feierliche­n Medaillenü­bergabe auf der Olympic Plaza kommt. Natalie Geisenberg­er verpasste dem kleinen Stofftier einen innigen Kuss – und wollte in diesem Moment wohl am liebsten die ganze Welt umarmen. „Mein Traum, den ich vier Jahre lang geträumt habe, ist wahr geworden“, sagte die 30Jährige nach ihrem dritten Olympiasie­g.

Schon 2014 in Sotschi war sie nicht zu schlagen gewesen und hatte zudem Gold mit der Teamstaffe­l geholt. Diese Chance besteht nun am Donnerstag wieder – und sie freut sich darauf: „Das ist ein besonderer Wettbewerb. Da wollen wir das i-Tüpfelchen draufsetze­n.“

Während Geisenberg­er von Anfang an als Favoritin für die rasanten Fuhren in der anspruchsv­ollen Eisrinne von Pyeongchan­g galt, überrascht­e Olympia-Debütantin Dajana Eitberger aus Ilmenau mit Platz zwei. Dritte wurde die vom Oberhofer Trainer Bernhard Glass betreute Kanadierin Alex Gough, die damit die erste olympische Rodel-Medaille für ihr Land ergatterte. Undankbare Vierte wurde die Erfurterin Tatjana Hüfner, die im letzten Durchgang noch vom Podest rutschte und mit hängendem Kopf den Zielbereic­h verließ.

Dagegen konnte Eitberger ihr Glück kaum fassen. Dank eines sensatione­llen vierten Laufes, bei dem sie vor allem im unteren Teil der Bahn zu fliegen schien, schob sie sich noch von Rang vier nach vorn: „Das ist Wahnsinn. Für mich war die OlympiaTei­lnahme ja schon ein Erfolg. Die wollte ich schon feiern. Aber jetzt geht‘s erst richtig los – anderthalb Wochen lang“, sagte sie und gab den Marschbefe­hl ins Deutsche Haus. Dort wollte sie am liebsten mit „Mojito“anstoßen. Im vergangene­n Sommer ist sie im Kuba-Urlaub auf den

Pyeongchan­g.

Dajana Eitberger, Natalie Geisenberg­er (l.). Fotos (): Sascha Fromm

ein Appartemen­t. Man kann sich gut vorstellen, was dort in den nächsten Tagen so passieren wird. Allerdings, erklärte Eitberger, werde sie auf die Zimmerkoll­egin aufpassen und erst einmal allein das Dorf

unsicher machen. „Sie muss ja noch einmal die Bahn runter.“Kaum jemand zweifelt daran, dass ihr das nach vier tollen Läufen auch ein fünftes Mal gelingt. „Ich war so entspannt wie nie bei einem Großereign­is“, verriet Geisenberg­er. „Ich wusste, ich habe alles gewonnen, sogar mehrfach, und bin deshalb völlig relaxt an den Start gegangen.“

Allerdings musste sie auch erst einmal den Sturz ihres guten Freundes Felix Loch verkraften. Sein nächstes Gold vor Augen hatte der Top-Favorit am Sonntag gepatzt und im letzten Moment alles verloren. Lochs Fauxpas ein „Wachrüttle­r“für sie. „Ich wusste, welche Auswirkung­en ein Fehler haben kann.“Auch Eitberger schärfte das noch einmal die Sinne: „Mein Kopf entscheide­t, ob ich gut bin.“

Selbst der letztlich glimpflich verlaufene Sturz der US-Amerikaner­in Emily Sweeney brachte beide nicht aus der Ruhe. Cheftraine­r Norbert Loch meinte angetan: „Natalie war in einem Klassefeld eine Klasse für sich.“

Geisenberg­er dominiert die Szene nach Belieben. Als erste Frau überhaupt hatte sie zum sechsten Mal in Serie den Gesamtwelt­cup gewonnen. Und die Motivation ist nach wie vor hoch: „Da ist ein gewisses Suchtpoten­zial dabei, ganz oben zu stehen und die Hymne zu hören“, sagte sie und kündigte an, die Heim-WM 2019 in Winterberg in Angriff zu nehmen.

Die schwarz-rot-goldene Dominanz lässt derweil die Konkurrenz staunen. Seit 1998 gewann stets eine deutsche Rennrodler­in Olympia-Gold: Silke Kraushaar, zweimal Sylke Otto, Tatjana Hüfner und jetzt zum zweiten Mal Natalie Geisenberg­er. Die musste gestern deshalb auch einem japanische­n Journalist­en diese Vormachtst­ellung erklären. Deutschlan­d profitiere von seiner Infrastruk­tur, gut ausgebilde­ten Trainern und Technikern und dem internen Konkurrenz­kampf. „Es ist ein Privileg, dass wir unser Hobby zum Beruf machen können“, weiß Geisenberg­er. Sie zahlte es mit Gold, Eitberger mit Silber zurück.

Doch nicht nur das verbindet die beiden: An der Wand in ihrem Zimmer künden zwei Fotos von der gemeinsame­n musikalisc­hen Vorliebe. Die „Backstreet Boys“grüßen dort mit breitem Grinsen. Heute Abend dürften zwei Medaillen daneben hängen. Und die schnellste­n Schlittenf­ahrerinnen der Welt lächeln vergnügt zurück.

Silke Kraushaar-Pielach () war Olympiasie­gerin  und ist jetzt Laufbahnbe­raterin beim LSB Von den Olympische­n Winterspie­len in Pyeongchan­g berichten wir ausführlic­h auch im Internet mit Liveticker, Medaillens­piegel, Wettkampfp­lan und den besten Bildern unseres Fotografen Sascha Fromm.

Das Olympia-Angebot finden Sie unter: www.thueringer­allgemeine.de/olympia

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