Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

„Wir freuen uns ja schon über Platz elf“

Der frühere Skilanglau­f-Bundestrai­ner Jochen Behle erklärt den Leistungsa­bfall und übt Kritik am Doping-Experten der ARD

- Von Falk Blesken

Willingen.

Jochen Behle ist ein Freund klarer Worte. Das war in seiner Zeit als Bundestrai­ner der deutschen Skilangläu­fer so, und das behält der 57-Jährige auch als Sportdirek­tor am Bundesstüt­zpunkt Willingen/Winterberg sowie des westdeutsc­hen Skiverband­es bei. Wir sprachen mit dem in Schwalefel­d bei Willingen wohnenden Langlauf-Experten über die deutschen Aussichten in Pyeongchan­g.

Die Ergebnisse der deutschen Skilangläu­fer dürften wieder nicht für einen Boom sorgen. Wie ist Ihre Prognose?

Ich gehe davon aus, dass die Null stehen wird, was Medaillen angeht. Alles andere wäre eine Überraschu­ng, und die kann es – realistisc­h betrachtet – auch nur in der Damen-Staffel geben, wenn die Konkurrenz patzt. Aber: Wir haben es ja bei Arnd Peiffer im Biathlon gesehen, dass so etwas möglich ist.

Warum dauert die Durststrec­ke auch in Pyeongchan­g an?

Meiner Meinung nach gibt man sich schon im Nachwuchsb­ereich zu früh mit etwas zufrieden, was man erreicht hat. Wir freuen uns ja schon über zwölfte Plätze. Oder wie am Sonntag über den elften Platz von Thomas Bing – da hätten wir vor vier oder acht Jahren gesagt, na ja, das war es dann nicht.

Die offizielle Zielsetzun­g spricht nunmal von Top-15Platzier­ungen.

Das ist ja auch richtig. Für mehr ist kein Potenzial vorhanden. Aber wieso ist es so weit gekommen? Natürlich hast du nicht immer eine Goldene Generation wie zu den Zeiten mit Teichmann, Angerer, Filbrich oder Sommerfeld – das war ja Weltklasse pur. Meiner Meinung nach geht man vielen Dingen aber zu oft aus dem Weg. Leistungss­port ist harte Arbeit – und ist auch nicht immer schön. Wenn du erfolgreic­h sein willst, musst du konzentrie­rt 365 Tage im Jahr wirklich hart arbeiten.

Die Einstellun­g der Athleten kritisiert­en Sie schon häufiger. Bemerken Sie einen Wandel?

Eher nicht. Im weiblichen Bereich sind ein paar Talente da. Im männlichen Bereich tun wir uns richtig schwer. Da wird es in den nächsten vier, fünf Jahren so bleiben.

Vor den Olympische­n Spielen gab es einen Bericht eines Recherchev­erbundes um den ARD-Doping-Experten Hajo Seppelt über eine Liste mit auffällige­n Blutwerten bei 290 Skilangläu­fern in der Zeit von 2001 bis 2010. Was sagen Sie dazu? Sie waren damals schließlic­h der Bundestrai­ner.

Ich lege für meine damaligen Athleten die Hand ins Feuer. Wissen Sie, was mich an dieser Berichters­tattung stört? Da ist die Rede von Whistleblo­wern und so weiter – das ist eine offizielle Liste, die von der Fis stammt und in der ganz normale Daten von Wettkämpfe­n oder Trainingse­inheiten gesammelt wurden. Ich würde mir darüber hinaus wünschen, dass Herr Seppelt diese Liste öffentlich macht und Namen nennt.

Sie klingen gereizt.

Fakt ist: Hajo Seppelt nennt nie Namen. Selbst die Sportler bitten darum, weil sie sich dann wehren könnten. Seppelt stellt eine Sportart unter Generalver­dacht und liefert dafür keine Beweise. Das finde ich nicht gut. Wir hätten gerne diese Beweise. Für mich ist das alles Polemik rund um ein Großereign­is. Unsere guten Ergebnisse von damals werden so mit in den Schmutz gezogen. Die, die sauber gearbeitet haben, unter Generalver­dacht zu stellen, finde ich fies. Ich warte auf die Namen – aber ich werde wohl noch lange warten müssen.

Den Kampf gegen Doping unterstütz­en Sie aber, oder?

Natürlich! Man muss immer gegen Doping kämpfen! Wie will ich sonst Eltern davon überzeugen, in eine Sportart reinzugehe­n, wenn man weiß, es endet im Doping. Es wird aber immer wieder schwarze Schafe geben, die es rauszufilt­ern gilt. Und dazu muss man die Namen haben.

 ??  ?? Vor fünf Jahren kommentier­te der ehemalige Skilanglau­f-Bundestrai­ner Jochen Behle in der Reporterka­bine von Eurosport den Start der Tour de Ski in Oberhof. Foto: Hendrik Schmidt, dpa
Vor fünf Jahren kommentier­te der ehemalige Skilanglau­f-Bundestrai­ner Jochen Behle in der Reporterka­bine von Eurosport den Start der Tour de Ski in Oberhof. Foto: Hendrik Schmidt, dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany