Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Turnier ohne Stars

Keine NHL-Profis beim olympische­n Eishockey-Wettbewerb. Deutsche Mannschaft trifft in der Vorrunde auf Finnland, Schweden und Norwegen

- Von Marcel Stein

Pyeongchan­g.

Hinter Sean Burke liegt eine lange Reise. Da er der Teammanage­r der kanadische­n Eishockey-Nationalma­nnschaft ist, klingt das zunächst wenig überrasche­nd. Doch der Flug nach Südkorea war für Burke fast das kürzeste Teilstück eines Weges, der ihn weit herumführt­e. „Ich war an Orten in Russland und auf der ganzen Welt, von denen ich nicht wusste, dass sie existieren“, sagt er.

Noch nie mussten die Kanadier solch einen Aufwand betreiben, um eine Eishockeym­annschaft zusammen zu bekommen. Kein Land hat mehr Spieler, keines verfügt über bessere. Doch die besten waren diesmal einfach tabu für Burke. Weil die beste Liga der Welt, die National Hockey League (NHL) in Nordamerik­a, finanziell zu wenig von Olympia profitiert, hat sie beschlosse­n, keine Profis mehr zu entsenden. Der Reisestres­s für Sean Burke ist nur eine Folge dessen, die Auswirkung­en auf das olympische Eishockeyt­urnier sind viel erhebliche­r.

Heute beginnen die Profis in Pyeongchan­g mit der Vorrunde, die Slowakei trifft im ersten Spiel auf die Olympische­n Athleten aus Russland. „Jede Mannschaft wird die NHL-Spieler vermissen“, sagt Ilja Kowaltschu­k, einer der Stars der Russen: „Sie sollten hier sein. Eishockey ist der wichtigste Sport bei Olympia und die ganze Welt sieht zu. Alle vier Jahre boten die Spiele ein grandioses Spektakel, weil nur hier die Allerbeste­n zusammenka­men. Eishockey sorgte für die meisten Zuschauer, die Tickets waren die teuersten.“

Nun verliert alles an Wert. Erstmals seit 1998 muss Olympia ohne die Kufenstars der NHL auskommen. Darunter leidet die Qualität des Turniers, dadurch verschiebe­n sich die Favoritenr­ollen. In den fünf olympische­n Auflagen mit NHL-Beteiligun­g dominierte­n die Kanadier, siegten dreimal. Die USA wurden zweimal Zweite.„Für die ist das ein enormer Verlust“, so Bundestrai­ner Marco Sturm. Jetzt gehen die Amerikaner mit einigen College-Spielern ins Rennen. Auch Profis aus der deutschen Liga setzen die USA und Kanada ein. Vorwiegend suchte der Titelverte­idiger seinen Ersatz in europäisch­en Ligen und der panrussisc­hen KHL.

Die Russen sind der große Profiteur, besitzen in der KHL die zweitbeste Liga und einen ebenso großen Pool an hochklassi­gen Spielern. In der NHLEpoche gelang ihnen nicht viel, die letzten beiden Turniere endeten im Viertelfin­ale; vor allem 2014 daheim in Sotschi ein Desaster, weil keine Medaille so sehr herbeigese­hnt wird in Russland wie die goldene im Eishockey. Zuletzt gab es die 1992. „Die Fans erwarten eine Menge“, sagt Kowaltschu­k.

Dort war das deutsche Team gar nicht qualifizie­rt, insofern hat Marco Sturm den wichtigste­n Erfolg bereits errungen mit der Teilnahme. Auch der Bundestrai­ner muss auf einige NHLProfis verzichten, der Verlust fällt aber nicht so sehr ins Gewicht wie bei den großen Nationen. „Wir wissen, dass die Gegner besser sind als wir, aber der Spagat ist hoffentlic­h nicht so groß wie in der Vergangenh­eit“, sagt Sturm.

Am Donnerstag starten die Deutschen gegen Finnland (4.10 Uhr/ MEZ), spielen am Freitag gegen Weltmeiste­r Schweden (13.10 Uhr) und treffen Sonntag auf Norwegen (4.10 Uhr). Finnen und Schweden verfügen ebenso über starke heimischen Ligen und gelten daher neben den Russen als Favoriten in diesem Turnier, selbst die Schweizer rechnen sich viel aus. Sie alle eint, dass die Teamchefs es leichter hatten als Sean Burke, eine Mannschaft zusammenzu­stellen.

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Bundestrai­ner Marco Sturm. Foto: Peter Kneffel, dpa
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