Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Das Duell der Giganten in der Champions League
Superprofi Ronaldo gegen Lebemann Neymar, alter Ruhm gegen neue Macht: Real Madrid tritt heute gegen Paris SG an
Madrid.
Der große Tag, auf den die Fußball-Welt seit der Achtelfinal-Auslosung gewartet hat – er ist gekommen. Heute in der Champions League treffen sich Real Madrid und Paris St. Germain zum ersten Duell der ungleichen Supermächte (20.45 Uhr/ZDF und Sky), und nach einer Formsteigerung zuletzt sehen die zuvor dauerkriselnden Spanier wieder etwas optimistischer auf die ganze Angelegenheit. Wer in der sportlichen Krise war und wiederkommt, der ist oft umso gefährlicher, zumal wenn er Real Madrid heißt. Der größte Klub der Welt, nach wie vor, immer und ewig.
Immer und ewig? Wenn ihn PSG lässt. Für Madrid steht die Saison auf dem Spiel. Für Paris die Zukunft.
Es ist ein klassisches Leitmotiv: Das Alte gegen das Neue, die Noblesse gegen den Parvenü. Beide Rollen sind auf höchstem Niveau besetzt. Auf der einen Seite die Mannschaft, die zuletzt als erste im modernen Format den wichtigsten Europacup verteidigen konnte. Auf der anderen der Klub, der Reichtümer wie keiner zuvor in die Hand nahm, um die angestammte Hierarchie zu stürzen.
Für Paris ist das Spiel vor allem eine mentale Herausforderung. Wird diesmal gelingen, was vor einem Jahr bei der fatalen 1:6-Pleite beim FC Barcelona so grandios danebenging? Bei jenem letzten Auftritt in Spanien brach PSG völlig weg und vergeigte einen 4:0-Vorsprung aus dem Hinspiel. Diesmal kommt das Auswärtsspiel, in dem die szenische Angst auferstehen könnte, zuerst. Endgültig abgerechnet wird am 6. März im Pariser Prinzenpark.
Über die Machtfrage hinaus hat so ein Aufeinandertreffen natürlich auch Nebenhandlungen. Insbesondere die um Neymar, den glamourösen Trickser, den sie in Madrid angeblich so gern bei sich hätten. Erst die Monate des Epilogs werden zeigen, inwieweit Real es wirklich auf ihn abgesehen hat. Und inwieweit die permanenten Gerüchte im Hinblick auf das Aufeinandertreffen nur bewusst im Umlauf gelassen wurden, um ein bisschen Verwirrung beim Gegner zu stiften. Wobei es dafür eigentlich gar nicht Madrid braucht, weil das Neymar schon selbst besorgt – zuletzt mit drei Tagen Geburtstagsparty und Nacktfotos auf Instagram – eines privat im Schnee, nur mit Unterhose und Weihnachtsmütze bedeckt, vier Tage vor dem Spiel in Madrid. Erkältet sollte er da besser nicht auflaufen, sonst wird irgendwann selbst die Engelsgeduld der katarischen PSG-Besitzer überstrapaziert.
Natürlich erinnern sie sich in Paris daran, dass ihnen ja genau so ein Typ gefehlt hatte in jener Nacht von Barcelona, als Neymar noch als Barca-Star nach eigener Ansicht „das beste Spiel meines Lebens“machte. Den Brasilianer schert nichts, kein pfeifendes Stadion, kein tretender Rivale. Im Gegenteil, er scheint sich danach zu sehnen. Der Alltagsfußball ist ihm jedenfalls oft zu lästig. Und so gehörte zur jüngsten Geburtstags-Orgie auch das Klubgeschenk, ein Training und das Pokalspiel unter der Woche in Sochaux sausen lassen zu dürfen.
Vom ultraprofessionellen Cristiano Ronaldo mit seinen Schlaftrainern und Kältekammern könnte sich Neymar nicht stärker unterscheiden. Vor der direkten Attacke auf den Thron des Weltfußballers der letzten beiden Jahre ist auch das natürlich eine Geschichte, die über ein bloßes Spiel hinaus zeigt: Kann man in diesen Zeiten noch so freizügig wie Neymar leben und trotzdem der Beste sein?
Bei Real und in der spanischen Liga mit einem weit größeren Medieninteresse und härterer Konkurrenz ginge das wohl nicht, und so ist man sich beiderseitig keineswegs sicher, dass das mit Neymar in Madrid so eine gute Idee wäre. Abgesehen davon, dass PSG-Präsident Nasser Al-Khelaifi sowieso betont, Neymar bleibe „zu 2000 Prozent“in Paris. Und ob sich Präsident Florentino Pérez noch mal einen Korb abholen will wie vor Neymars Wechsel nach Europa? Da hatte er schon einen geheimen Medizincheck für Real absolviert – und ging dann zum Erzrivalen Barcelona.
Auch gegen PSG haben die einstigen Transferkönige aus Madrid schon eine Niederlage am Markt erlitten. Aus diesem Grund müssen sie heute auch gegen Kylian Mbappé antreten. Der 19-jährige Angreifer stand eigentlich fest auf ihrer Liste, nur nicht unbedingt zu den Konditionen, die Paris bot: ein Spitzengehalt, eine Art Stammplatzgarantie und das Versprechen auf großen Glitzer. So wie es Real einst lehrte mit Figo, Zidane oder Beckham. Letztlich kopieren die Franzosen nur Pérez’ alte Idee, über Stars die Marke zu potenzieren, und so begegnen sie sich also heute im Estadio Santiago Bernabéu: die alten Galaktischen und die neuen.