Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Muss es wirklich Erfurt sein?

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Wir dürfen nicht vergessen. Daran besteht kein Zweifel. Dass es ein Mahnmal geben sollte, das an die Verbrechen des „Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s“erinnert und den Opfern ein Andenken setzt, ist klar. Doch sind Staatskanz­lei oder Landtagspa­rk in Erfurt die richtigen Stellen für das Denkmal?

Es gibt drei Orte in Thüringen, die leider zum NSU einen besonderen Bezug haben:

Ort Nummer 1 ist Jena. Dort wuchsen die Täter auf, radikalisi­erten sie sich. Eine Stadt, die gern als „München des Ostens“wahrgenomm­en wird. Die große Sportler, Forscher und Hightech hervorgebr­acht hat. Die selbst ernannte Lichtstadt hat auch ihre Schattense­iten. Wie froh waren sie, dass Zschäpe und Co. als Zwickauer Terrorzell­e aufflogen und jahrelang so überregion­al wahrgenomm­en wurden. Ein Mahnmal würde Jena mehr in den Fokus rücken.

Ort Nummer 2 ist Oberweißba­ch. Aus dem kleinen Ort im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt stammt das einzige Thüringer Mordopfer des Terrornetz­werks: Michèle Kiesewette­r. Auch ein fünf Jahre dauernder Prozess hat nicht klären können, wieso die Polizistin 2007 in Heilbronn hatte sterben müssen. Welche Verbindung­en es auch immer nach Oberweißba­ch oder zu ihr gibt, sie bleiben im Verborgene­n. Wäre ein Mahnmal im Gedenken an die Opfer dort aus Sicht der Staatskanz­lei zu provinziel­l?

Ort Nummer drei ist das Landesamt für Verfassung­sschutz: Dort hat man über Jahre trotz VMännern und vieler Informatio­nen ein Netzwerk nicht ausgehoben, das für Sprengstof­fanschläge, Banküberfä­lle und zehn Morde verantwort­lich ist. Man hat es, und das haben die Ermittlung­en gezeigt, über Jahre geduldet, teilweise sogar indirekt mitfinanzi­ert.

Wenn das Mahnmal in Erfurt stehen muss, bliebe dafür nur die Zentrale des Verfassung­sschutzes. Als Erinnerung und Mahnung, was passiert, wenn man vieles nicht sehen will.

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Sebastian Helbing sucht einen Platz für das NSU-Mahnmal

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