Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

„Wir haben geordnete Verhältnis­se“

Justizmini­ster Lauinger über sinkende Asylverfah­ren, Streit mit Richtern und die „Sohnemann“-Affäre

- Von Elmar Otto

Erfurt.

Dieter Lauinger ist Minister für Migration, Justiz und Verbrauche­rschutz. Im Interview spricht der Bündnisgrü­ne über Projekte und Probleme in seinem Verantwort­ungsbereic­h.

Herr Lauinger, Ihr Ministeriu­m führt die Migration als Erstes im Titel. Deshalb lassen Sie uns damit beginnen: Wie hat sich die Zahl der Asylverfah­ren entwickelt?

Die Zahl der anhängigen Asylverfah­ren ist weiter stark rückläufig: von rund 13 000 im Sommer 2016 über 2150 im August 2017 bis zu aktuell knapp 1400. Das ist der Grund, warum ich den gerne von CDU-Spitzenpol­itikern im Munde geführten Satz „Wir müssen endlich mal für Ordnung sorgen“für an den Haaren herbeigezo­gen halte.

Was stimmt an dem Satz nicht? Es kommt doch immer wieder zu Problemen, wie in der Erstaufnah­meeinricht­ung für Flüchtling­e in Suhl. Diese zentrale Anlaufstel­le war sogar lange Zeit ohne wirkliche Leitung, manche sagen: Sie ist es immer noch.

Ich behaupte nicht, dass es keine Probleme gibt. Die sehe ich aber eher im Bereich der Integratio­n als im Ankunftsge­schehen. Denn dort haben wir sie inzwischen gelöst. Die Erstaufnah­meeinricht­ung hat eine Leiterin. Alles in allem haben wir seit zwei Jahren geordnete Verhältnis­se in Thüringen. Wir haben schnelle Entscheidu­ngen in Suhl und einen durchorgan­isierten Ablauf. Wenn man den reinen Verwaltung­sablauf sieht, gibt es keine ungeordnet­en Verfahren.

Sie haben erst kürzlich eingeräumt, dass mehr als jede zweite geplante Abschiebun­g von abgelehnte­n Flüchtling­en aus Thüringen seit 2015 abgebroche­n werden musste. Warum sind Sie nicht in der Lage, geltendes Recht durchzuset­zen.

Dazu muss man wissen: Gerade geltendes Recht verhindert oft Abschiebun­gen. Der Großteil wird nicht am Tag der Abschiebun­g abgebroche­n, weil die Menschen nicht auffindbar sind, sondern bereits im Vorfeld. Dafür gibt es unterschie­dliche Gründe: Entscheidu­ngen der Härtefallk­ommission, gesundheit­liche Probleme, Veränderun­gen der berufliche­n oder privaten Situation. Oft haben wir als Land keinen Einfluss, wenn Passpapier­e nicht vorhanden sind oder Rückführun­gsabkommen nicht funktionie­ren.

Als Justizmini­ster liegen Sie mit Ihrer eigenen Berufsgrup­pe der Richter weiterhin im Clinch. Zuletzt haben die Gerichtspr­äsidenten den Entwurf Ihres Richterges­etzentwurf­s harsch kritisiert. Ficht Sie das nicht an?

Wir wollen tatsächlic­h etwas verändern. Und deshalb wundert es mich nicht, dass auf der einen Seite die Gerichtspr­äsidenten ihre Entmachtun­g kritisiere­n, auf der anderen Seite aber der Richterbun­d steht, dem die Reform nicht weit genug geht und der mehr Rechte für Richterver­tretungen gegen die vermeintli­che Allmacht der Chefpräsid­enten einfordert. Wenn ich das nüchtern betrachte, habe ich das Gefühl, wir liegen mit unserem Vorschlag gar nicht so schlecht.

Wo wären Sie zu Zugeständn­issen bereit?

Das werde ich mit den Koalitions­fraktionen besprechen. Das Entscheide­nde ist für mich die Abschaffun­g des sogenannte­n Letztentsc­heidungsre­chts des Justizmini­sters. Damit wurde in den vergangene­n Jahren immer die jeweilige Regierungs­linie bei der Besetzung von Richterpos­ten durchgeset­zt. Bislang hatte der Minister im Streitfall das letzte Wort. Künftig wird er sich bei unterschie­dlichen Auffassung­en mit den Richterver­tretungen einigen müssen. Es gibt einen Zwang zum Konsens.

Stichworte: Drogenhand­el, Ausbrüche, Suizide. Warum kriegen Sie die Missstände im Justizvoll­zug nicht in den Griff?

So schlimm der Einzelfall ist: Der Justizvoll­zug macht gute Arbeit. Aber sie werden bestimmte Ereignisse auch hinter Gittern nicht verhindern können. Und, um es ganz klar zu sagen, die Vorfälle, die sie nennen, sind die Ausnahme. Wir haben jetzt ein Justizvoll­zugskonzep­t vorgelegt, das eine Optimierun­g der Abläufe in den Gefängniss­en vorsieht.

Aber ein Personalko­nzept sind Sie schuldig geblieben.

Das Personalko­nzept ist deutlich aufwendige­r, wird zurzeit ausgearbei­tet und im Herbst vorgelegt. Aber auch wir spüren den Fachkräfte­mangel: Es fällt uns immer schwerer, ausreichen­d qualifizie­rte Bewerber für neue Stellen im Justizvoll­zug zu bekommen.

2019 ist Landtagswa­hl. Werden Sie einer der grünen Spitzenkan­didaten sein?

Wir stellen die Liste für die Landtagswa­hl im November auf. Aber ich bin der Ansicht, dass der Fraktionsv­orsitzende Dirk Adams ein hervorrage­nder männlicher Spitzenkan­didat wäre. Die gesamte Landtagsfr­aktion hat unter seiner Führung sehr gute Arbeit geleistet.

Schwingt bei der Personalie nicht auch eine strategisc­he Entscheidu­ng mit. Würden Sie als Spitzenkan­didat an erster Stelle stehen, müssten Sie damit rechnen, dass Ihnen ständig die von Ihnen verschulde­te Affäre um die Prüfungsbe­freiung für Ihren Sohn vorgehalte­n wird. Und damit wären Sie für Ihre Partei eine Belastung.

Ich habe mich vor dem gesamten Landtag für eigene Fehler entschuldi­gt. Jetzt werde ich mich dazu aus Respekt vor den Abgeordnet­en ausschließ­lich im Untersuchu­ngsausschu­ss äußern. Auch, wenn die Opposition versuchen wird, das Thema ohne neue Erkenntnis­se weiter zu instrument­alisieren.

Eine ausführlic­here Fassung des Gesprächs finden Sie im Internet unter www.thueringer­allgemeine.de

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Thüringens Justizmini­ster Dieter Lauinger (Bündnis /Die Grünen) verfolgt im Juni eine Debatte zu Asylverfah­ren im Landtag. Foto: Martin Schutt, dpa

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