Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Landkreis will Armut entgegentreten
Präventionsstrategie zeigt Handlungsfelder und mögliche Maßnahmen auf. Ab Herbst Umsetzung konkreter Projekte
Landkreis.
Drei Jahre lang diskutierten und analysierten Akteure aus Kreisverwaltung, Kommunen und freien Trägern – nun liegt als Ergebnis dieses langen Prozesses ein Strategiepapier zur Armutsprävention im Landkreis Sömmerda vor. Der Kreistag bestätigte das Papier einstimmig, das bis zum Jahr 2024 Leitfaden für die Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung von Chancengleichheit und Armutsprävention im Landkreis sein soll.
Es ist nicht der Mangel an materieller Ausstattung allein, der Menschen arm macht, sondern es gibt verschiedene individuelle und umfeldbedingte Komponenten, die eine Armutsgefährdung bedeuten, wird im Bericht dargestellt. Aber natürlich ist das Einkommen ein wesentlicher Faktor.
Im Landkreis waren im Januar 2017 rund 69,9 Prozent der Personen in Bedarfsgemeinschaften erwerbsfähige Leistungsberechtigte, wird ausgeführt. Davon war fast ein Viertel über 55 Jahre alt und 15,6 Prozent alleinerziehend. Im Jahresdurchschnitt 2017 gab es im Landkreis 764 Langzeitarbeitslose, 167 von ihnen waren länger als vier Jahre arbeitslos.
Wer über längere Zeit arbeitslos ist, dem fehlt nicht nur das Einkommen, sondern auch soziale Kontakte, Anerkennung, Prestige. Es gibt eine Wechselwirkung von Arbeitslosigkeit und gesundheitlichen Einschränkungen, so eine Erkenntnis aus den Analysen. Arbeitslosigkeit kann krank machen und Krankheit kann arm machen. Es sei zudem zu beobachten, dass arme bzw. von Armut bedrohte Menschen häufiger an chronischen Krankheiten leiden. Wie Studien belegten, stelle auch der Bildungsgrad einen Faktor in Bezug auf die Gesundheit dar. Ein hoher Bildungsgrad wirke sich positiv auf das Ernährungs-, Bewegungsund Entspannungsverhalten aus und trage zur Ausprägung gesundheitsförderlicher Lebensstile bei. Der Landkreis sollte also Strategien zur Stärkung gesundheitlicher Ressourcen und zur Minderung gesundheitlicher Belastungen sozial benachteiligter Gruppen entwickeln, lautet eine Handlungsempfehlung. Dabei sollte man im frühesten Kindesalter ansetzen.
Ein spezifisches Armutsrisiko von Frauen besteht darin, aufgrund von Betreuungs- und Pflegearbeit kein oder nur ein geringes eigenes Einkommen zu haben und deshalb auch keine oder nur geringe eigene Ansprüche auf Sozialleistungen zu erwerben. Auswirkungen hat dies zum Beispiel auch bei einer Scheidung. Die längere Lebenserwartung von Frauen erhöht ebenso ihr Armutsrisiko. Außerdem der Fakt, dass der durchschnittliche Bruttoverdienst von Frauen in Deutschland immer noch deutlich geringer als der von Männern ist.
Auch Alleinerziehende und Familien mit drei und mehr Kindern tragen ein höheres Armutsrisiko. Im Landkreis Sömmerda lebten Anfang vergangenen Jahres 527 Personen in 148 Alleinerziehenden-Haushalten im SGB II-Leistungsbezug, was rund einem Fünftel aller Leistungsbezieher entspricht. Hinzu kamen 45 Alleinerziehende-Bedarfsgemeinschaften im SGB III-Leistungsbezug.
Weitere Faktoren, die untersucht wurden, sind die Schuldnerberatung (die Empfehlung ergeht, diese beispielsweise um eine mobile Variante auszuweiten), die Schulabbrecherquote (diese lag im Schuljahr 2015/16 mit 100 Schülern bzw. 13,5 Prozent aller Absolventen im Landkreis deutlich über dem Durchschnittswert von Thüringen von 10,2 Prozent) und von Wohnungslosigkeit Bedrohte (dies waren im Landkreis in den Jahren 2014/15/16 insgesamt 156 Personen, darunter 56 Kinder).
Aus all den Fakten wurden Handlungsfelder definiert und mögliche Maßnahmen zugeordnet, wie zum Beispiel die Unterstützung bei der Berufswegeplanung des Einzelnen, Aktivierungsmaßnahmen für SGB-IILeistungsempfänger und mehr öffentlich geförderte Arbeit, die Förderung sozialer Netzwerke, mobile Beratungs- und Versorgungsdienste und die Stärkung ehrenamtlicher Strukturen.
Nach der Sommerpause soll nach den theoretischen Vorbetrachtungen die Umsetzungsphase mit konkreten Projekten starten, kündigte Landrat Harald Henning (CDU) an. Er dankte allen Beteiligten für den Austausch auf Augenhöhe, für Ideenfindung und Mitwirkung und lud dazu ein, weiter aktiv an dem Prozess teilzuhaben.