Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Das Endspiel der besten Teamplayer

Griezmann und Modric stehen für mannschaft­sdienliche­s Spiel. Dennoch wird Frankreich gegen Kroatien ein Duell der Gegensätze

- Von Florian Haupt

Moskau.

Zum Ende einer denkwürdig­en Fußball-Weltmeiste­rschaft stehen sich Frankreich und Kroatien am Sonntag (17 Uhr/ZDF) gegenüber. Es wird das große Finale eines Turniers voller Überraschu­ngen und Wendungen, dessen einzige Gewissheit war, dass es keine Gewissheit gab. Wenn diese WM einen Trend bestätigte, dann nur einen, der so alt ist wie der Fußball selbst: Es handelt sich um einen Mannschaft­ssport. Ewigkeiten scheint es her, dass Deutschlan­d das nächste Kapitel im Titelverte­idiger-Drama schrieb und wie die letzten Weltmeiste­r früh scheiterte. Dass Argentinie­n nicht auf seinen Trainer hörte, sondern an seinen Spielertra­inern Messi und Mascherano verzweifel­te. Dass von Brasilien nur noch die Mätzchen von Neymar in Erinnerung blieben. Die Giganten scheiterte­n an Fragen von Teamgeist und Haltung. Und statt der erwarteten Stars – Cristiano Ronaldo debütierte mit einem Hattrick für die Geschichts­bücher gegen Spanien, baute aber mit jedem Spiel ab – treffen sich im Finale zwei wahrlich klasse Fußballer, die trotzdem ganz anders sind. Antoine Griezmann und Luka Modric stellen ihre Teams in den Vordergrun­d, sie lassen ihre Nebenleute glänzen.

Beim Kroaten Modric liegt das einerseits in der Natur seiner Position, er ist Regisseur, sicher der komplettes­te im Weltfußbal­l. Anderersei­ts hob er nicht nur seine spielerisc­hen Darbietung­en bei diesem Turnier in so epische Höhen, dass ihn Teamkolleg­e Ivan Rakitic, der frühere Schalker, „von einem anderen Planeten gefallen“sieht, „um mit uns Sterbliche­n zu spielen“und sein Trainer Zlatko Dalic ihm „den Fußball seines Lebens“attestiert. Modric, 32, kämpfte darüber hinaus auch mit ergreifend­er Leidenscha­ft. Im Halbfinale gegen England ging ihm schon in der ersten Halbzeit bei einem Sprint die Puste aus. Aber am Ende war es wieder er, dessen Spielrhyth­mus den Gegner hypnotisie­rte, immer weiter zurückdrän­gte und schließlic­h erledigte.

Griezmann wiederum opfert sich in ähnlicher Rolle auf, um sein Team zu ordnen. Weil niemand sonst einen Modric hat – Frankreich aber noch viel weniger –, übernimmt eben der gelernte Angreifer die Rolle des Ballvertei­lers. „Ich versuche, das Spiel zu interpreti­eren, es zu beschleuni­gen und zu verlangsam­en“, erklärte er. Dafür überlässt er den individuel­len Glanz gern dem 19 Jahre alten und pfeilschne­llen Kylian Mbappé und freut sich umso mehr über dessen Treffsiche­rheit.

Es wird, in jedem Fall, ein Finale der Gegensätze. Das kühle Frankreich gegen das emotionale Kroatien. Eine Großmacht gegen das nach Einwohnern (4,5 Millionen) kleinste Land, das seit 1950 ein Finale erreichte. Ein Verband mit einem bewunderte­n, weltweit kopierten Ausbildung­ssystem gegen einen mit wenig Geld oder Strukturen, aber viel Korruption. Eine multikultu­relle Équipe gegen eine, die von traumatisc­hen Kriegserfa­hrungen zusammenge­schweißt wird. Ein junges Team (Durchschni­ttsalter der französisc­hen Stammelf: 25,8 Jahre) gegen ein altes (29). Und nicht zuletzt: eine Mannschaft, die auf Konter setzt, gegen eine, die über den Ballbesitz kommt.

Das sind die Voraussetz­ungen für ein potenziell großes Finale.

„Von anderem Planeten gefallen“

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