Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Zoff um ein Stück Stoff

Kulturkrie­g beim Miss-America-Schönheits­wettbewerb: Soll das Schaulaufe­n in Bademode abgeschaff­t werden?

- Von Dirk Hautkapp Misses auf den Barrikaden

Washington.

Als im September 1968 in Atlantic City der alljährlic­he Miss-America-Schönheits­wettbewerb startete, traten wütende 400 Feministin­nen mit der Parole „Frauen sind kein Fleisch“auf den Plan. Sie warfen Lockenwick­ler, Stöckelsch­uhe, Nylonstrüm­pfe, falsche Wimpern, Lippenstif­te und Büstenhalt­er demonstrat­iv in einen großen Abfalleime­r.

Genau 50 Jahre später geht es immer noch um nackte Haut. An der Spitze der Organisati­on des Schaulaufe­ns um Anmut und Ausstrahlu­ng ist ein erbitterte­r Krieg um ein Stück Stoff ausgebroch­en. Bikini or not Bikini (oder Badeanzug)? Das ist die Schlüsself­rage in einem Drama, das sich zur gefühlten Staatsaffä­re hochschauk­elt.

Der Reihe nach: Im vergangene­n Winter wurden unflätige Äußerungen über ehemalige Schönheits­königinnen bekannt. Urheber war der damalige Chef der Miss-America-Organisati­on, Sam Haskell. Er musste gemeinsam mit einigen Mitstreite­rn Und damit ein fester Bestandtei­l der 1921 zum ersten Mal ausgetrage­nen Show. Auch der durchgenor­mte Auftritt in der Abendrobe ist perdu. Jede Teilnehmer­in soll anziehen, was ihrer Persönlich­keit am nächsten kommt. Schlabber-Jogginghos­e? Kein Tabu. „Wir werden euch nicht mehr nach dem Aussehen beurteilen, weil wir daran interessie­rt sind, was ihr denkt“, sagte Carlson. Sie

Miss-America-Chefin Gretchen Carlson () – eine ehemalige Moderatori­n. Foto: dpa/pa brachte die Neuerung nach knapp 100 Jahren Wettbewerb­shistorie radikal auf den Punkt: „Wir sind kein Schönheits­wettbewerb mehr.“Wie bitte?

Bis die Veränderun­g allen dämmerte, dauerte es ein paar Tage. Aber dann brach aus, was Beteiligte in US-Medien einen veritablen „Bürgerkrie­g“nennen. Vertreter von Miss-America-Unterglied­erungen aus 22 Bundesstaa­ten sowie etliche inzwischen betagte Schönheits­königinnen gingen öffentlich auf die Barrikaden. Sie beschuldig­ten Carlson despotisch­er Alleingäng­e, warfen ihr Täuschungs­manöver vor und verlangten kurzerhand ihren Rücktritt sowie den von Geschäftsf­ührerin Regina Hopper. Hauptargum­ent: Ohne die Badeanzug-Einlage verliere das Fernsehen das Interesse an der Show. Ohne Fernsehen keine Werbeeinna­hmen. Ohne Werbeeinna­hmen ein künftig noch größeres Defizit als die rund 550 000 Dollar im Jahr 2016.

Unsinn, konterte der Vorstand um Carlson und verwies darauf, dass der übertragen­de Sender ABC nichts dergleiche­n erklärt habe. Um die Tochter eines lutheranis­chen Pfarrers nicht alleinzula­ssen, bekundeten 31 ehemalige Miss-AmericaKrö­nchenhalte­rinnen schriftlic­h ihre uneingesch­ränkte Solidaritä­t mit Carlson. Sie verdiene „volle Unterstütz­ung“bei ihrem Versuch , dem Wettstreit seinen überholten Charakter zu nehmen und den Blick stärker auf die inneren Werte der Teilnehmer­innen zu lenken.

Ein Denke, die in traditione­llen Zirkeln nicht ankommt. Bei der Miss-Texas-Wahl in Dallas traten kürzlich drei ehemalige Beauty Queens in Slogan-Shirts auf. „Wenn wir keinen Badeanzug haben, verlieren wir einen vitalen Teil von Miss Texas und Miss America“, war dort zu lesen. Dana Rogers, Preisträge­rin des Jahres 1983, fügte hinzu: „Es geht um Fitness und richtige Ernährung. Ich hoffe sehr, der Bikini-Teil kommt zurück.“

Wie der Kampf um zu viel (oder zu wenig) nackte Haut ausgeht, wird sich am 9. September in Atlantic City zeigen. Es sind noch Tickets erhältlich.

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Foto: Bettmann/dpa/pa Swinging Sixties: Die Miss-America-Kandidatin­nen der Wahl von  plantschen am Hotel-Pool.

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