Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Virtuelles

Business-Plattforme­n wie Xing oder Linkedin sind längst ein wichtiger Baustein im Jobfindung­sprozess. Ein detaillier­tes Profil erhöht die Chancen. Bewerber müssen aber gut überlegen, was sie preisgeben

- Von André Uhl

Bitte klicken Sie hier, wenn Sie weiterhin von uns hören möchten . . .“Viele haben diesen Satz in den letzten Wochen mehr als einmal in ihren Emails gelesen. Grund ist die neue Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO), die den Schutz digitaler Daten wieder verstärkt in die öffentlich­e Diskussion rückt. Die Frage, welche Daten ins Netz gestellt werden sollten, betrifft auch Nutzer von Karrierene­tzwerken wie Xing, LinkedIn und Co. Denn wer online Kontakte für die Karriere knüpfen möchte, sollte bereit sein, einiges von sich preiszugeb­en. Doch wie sinnvoll ist überhaupt die Mitgliedsc­haft bei solchen Plattforme­n?

Jan Bohlken, Karrierebe­rater und Inhaber des Düsseldorf­er Profiling Instituts, sieht in digitalen Karrierene­tzwerken für Arbeitnehm­er ein wesentlich­es Medium bei der Jobsuche. Für ihn sind Personaler und Headhunter, die sich auf solchen Plattforme­n nach geeigneten Mitarbeite­rn umsehen, kein Gerücht sondern Realität. „Die digitalen Karrierene­tzwerke bilden einen wichtigen und leicht zugänglich­en Pool an Fachkräfte­n“, so Bohlken.

Besonders auf der Suche nach

Personal für die mittlere Unternehme­nsebene würden diese Netzwerke durchsucht. Christian Goetz, Managing Partner des Beratungs- und Vermittlun­gsunterneh­mens Karent, sieht das ähnlich: „Der sinnvolle Einsatz digitaler Karrierene­tzwerke ist mittlerwei­le ein fester Bestandtei­l unserer Beratungsl­eistung. Sowohl Headhunter als auch firmeneige­ne Recruiter schauen sich dort immer häufiger um – auch weil es einfach ist und schnell geht.“

Es ist also durchaus möglich, mit einem starken Profil die Aufmerksam­keit von Personalve­rantwortli­chen oder Headhunter­n zu erregen. Jutta Boening, Vorstandsv­orsitzende der Deutschen Gesellscha­ft für Karrierebe­ratung e.V. (DGfK), mahnt im Hinblick auf den Datenschut­z allerdings zur Vorsicht: „Ein kompletter Lebenslauf enthält sehr sensible und persönlich­e Daten. Deshalb nicht sofort bei der ersten Anfrage eines Unbekannte­n alle Dokumente verschicke­n.“Hier gilt es, zwischen Datenschut­z und Sichtbarke­it eine angemessen­e Balance zu finden. Boening rät, zunächst nur ein Kurzprofil mit den Kernkompet­enzen anzulegen, um einen ersten Impuls zu setzen. Erst wenn eine Beziehung aufgebaut ist und ein Gespräch stattgefun­den hat, sollte das Versenden der Unterlagen erfolgen. Die DGfK-Sprecherin empfiehlt außerdem, andere Jobquellen nicht aus den Augen zu verlieren. „Es gibt durchaus Bereiche, wie zum Beispiel das Ingenieurw­esen oder andere technische Berufe, bei denen Fachzeitsc­hriften oder Messen immer noch wichtige Jobquellen darstellen“, so Boening.

Fakt ist aber auch: Viele Stellen in mittleren und höheren Positionen, in denen Expertenko­mpetenz und mehrjährig­e Berufserfa­hrung gefragt ist, werden kaum noch öffentlich ausgeschri­eben. Das häufig zitierte „Vitamin-B“, also persönlich­e Beziehunge­n und Kontakte, spielen eine immer größere Rolle, um den Traumjob zu bekommen. Genau dort setzen Business- und Karrierene­tzwerke wie

Definitiv sind auf der anderen Seite Negativäuß­erungen über frühere Arbeitgebe­r oder Kollegen, da dadurch der Eindruck von Indiskreti­on entstehen könnte.

Xing für den deutschspr­achigen Raum oder das internatio­nal ausgericht­ete Linkedin an. Sie entfalten erst auf längere Sicht ihre ganze Wirkung. Die laufende Pflege profession­eller Kontakte, ein gegenseiti­ger Austausch, der Aufbau von Fachreputa­tion und ein gezieltes Marketing der eigenen Person braucht Zeit, kann sich aber auf Dauer auszahlen – und langfristi­g die Chancen erhöhen, über Kontakte an den „verdeckten Stellenmar­kt“zu gelangen. Anzunehmen, man müsse nur ein Profil erstellen und dann abwarten, bis die Jobangebot­e ins Haus flattern, wäre allerdings illusorisc­h – denn Netzwerke leben von Kooperatio­n. Es gilt also, nach und nach ein wirkungsvo­lles Netzwerk aufzubauen, es zu pflegen und ein offenes Ohr für andere zu haben. Mit anderen Worten: möglichst aktiv zu sein.

Ein wirkungsvo­lles digitales Netzwerk aufzubauen, heißt aber auch, sich nicht nur auf „Schlüsselk­ontakte“aus der eigenen Arbeitsumg­ebung zu beschränke­n, sondern sich auch mit Bekannten aus anderen Branchen und Lebensbere­ichen zu vernetzen – man kann nie wissen, welche Gelegenhei­ten sich daraus ergeben werden. Allerdings wird ein Online-Netzwerk niemals die persönlich­e Face-toFace-Kommunikat­ion ersetzen können, ist sich Jan Bohlken sicher: „Digitale Netzwerke schaffen die Plattform für einen ersten Kontakt. Die nächste Stufe, also ein intensiver Austausch, muss offline erfolgen.“

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OTO: ISTOCK/FILADENDRO­N Je größer und komplexer das berufliche Netzerk, desto besser.

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