Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Amt und Geschäft

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Die meisten von uns, Bürger, Politiker, Journalist­en, sind keine Rechtsexpe­rten. Trotzdem sollte ein Ministerpr­äsident den Text der eigenen Landesverf­assung korrekt wiedergebe­n.

Denn genau das tat Bodo Ramelow nicht. Er sei, dekretiert­e er barsch und sehr entschiede­n, nach der Konstituie­rung des neu gewählten Landtags „nicht geschäftsf­ührend“im Amt – sondern „einfach im Amt“.

Das ist falsch. Die Verfassung besagt: Die Ämter aller Regierungs­mitglieder enden in dem Moment, in dem das neue Parlament zusammentr­itt. Danach führt das Kabinett die Geschäfte weiter – ein Kabinett im Übrigen, das nicht mehr umgebildet werden kann. Es „versteiner­t“, wie Verfassung­srechtler sagen.

Nun hat Ramelow schon oft erklärt, dass er nach der Wahl vorerst im Amt bleibe. Doch bisher ließ sich dies als eine normale, umgangsspr­achliche Unschärfe betrachten, wie sie in diesem Zusammenha­ng auch in dieser Zeitung oft genug vorkam. Man durfte ja annehmen, dass der Ministerpr­äsident damit verfassung­skonform „geschäftsf­ührend im Amt“meinte.

Doch die neuen Aussagen erschweren diese entspannte Interpreta­tion. Will er wirklich für den Fall, dass es nach dem 27. Oktober zu keiner klaren Mehrheitsb­ildung im Landtag kommt, auf unbestimmt­e Zeit wie bisher mit SPD und Grünen weiterregi­eren? Einfach so, als habe es keine Wahl gegeben? Irgendwann, das könnte ein Kalkül sein, wäre die CDU kleingekoc­ht und ließe sich auf die Tolerierun­g einer rot-rot-grünen Minderheit­sregierung ein . . .

Die Union hatte schon bei der, vorsichtig gesagt unüblichen Verabschie­dung des Etats für das Nachwahlja­hr 2020 gerufen, dass die Linke diese Strategie verfolge. Bisher ließ sich dies noch unter Wahlkampf verbuchen. Doch die Zweifel wachsen. Eine Klarstellu­ng Ramelows ist nötig. Vor der Wahl.

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