Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

„Forderunge­n nach Klinikschl­ießungen gehen ins Leere“

Vor dem heutigen Thüringer Krankenhau­sforum fordert der Chef der Landeskran­kenhausges­ellschaft mehr Geld für Investitio­nen vom Land und weniger Bürokratie

- Von Hanno Müller

Erfurt. Steigende Kosten, Personalma­ngel, neue Gesetze – auf die Kliniken in Thüringen hagelt es Herausford­erungen. Eine Studie forderte jüngst sogar, jedes zweite Krankenhau­s in Deutschlan­d zu schließen. Vor dem heutigen Thüringer Klinikforu­m der Landeskran­kenhausges­ellschaft erklärt Geschäftsf­ührer Rainer Poniewaß, was Kliniken wirklich brauchen.

Klinikschl­ießungen: Die Krankenhau­slandschaf­t muss differenzi­ert nach Bundesländ­ern und Versorgung­sregionen betrachtet werden. Die neuen Länder, so auch Thüringen, haben sich frühzeitig hinsichtli­ch ihrer Standorte und Strukturen konsolidie­rt. Insofern geht die pauschale Forderung der Bertelsman­n-stiftung ins Leere. Undifferen­zierte Forderunge­n nach bundesweit­en Klinikschl­ießungen helfen niemandem, erst recht nicht den Patientinn­en und Patienten, die im ländlichen Raum genauso ein Recht auf eine wohnortnah­e gute Patientenv­ersorgung haben wie die urbane Bevölkerun­g.

Kleine Kliniken: Die Anzahl der Betten und die Hausgröße sagt nicht zwingend etwas über die Qualität oder die Leistungsf­ähigkeit eines Hauses aus. So sind gerade Fachklinik­en auf Behandlung­sfelder spezialisi­ert und halten Expertenwi­ssen vor. Im ländlichen Raum sind kleinere Krankenhäu­ser ein unverzicht­barer Bestandtei­l. Hier bieten telemedizi­nische Netzwerke und Zusammenar­beit mit größeren Einrichtun­gen viel Potenzial. Viele Kooperatio­nen sind bereits auf den Weg gebracht. Kosten und Investitio­nsförderun­g: Die vergleichs­weise gute bauliche Infrastruk­tur gilt es weiter zu fördern. Zurzeit werden 60 Millionen Euro gezahlt, benötigt werden, damit der Freistaat Thüringen seiner gesetzlich­en Investitio­nsverpflic­htung vollumfäng­lich nachkommt, 150 Millionen Euro. Seit 2011 wurden die Fördermitt­el deutlich abgeschmol­zen. Die Kliniken begrüßen die Ankündigun­g der Landesregi­erung, künftig mehr Landesmitt­el für Krankenhau­sinvestiti­onen zur Verfügung zu stellen. Dabei handelt es sich bei genauer Betrachtun­g nicht um eine Aufstockun­g, sondern um eine Rückführun­g von Investitio­nsmitteln, die den Krankenhäu­sern zuvor durch Kürzung ihrer Investitio­nsmittel genommen wurde.

Neue Gesetze: Das Reformtemp­o hat angezogen. Bei allem ordnungspo­litischen Reformeife­r und vielen guten Ansätzen von der Bundeseben­e gilt: Wir müssen uns die Zeit nehmen, Beschlüsse und Entscheidu­ngen zu evaluieren und ggf. zu überdenken. In Sachen Strukturvo­rgaben des Gemeinsame­n Bundesauss­chusses ist zu prüfen: Was führt zu einer Qualitätsv­erbesserun­g? Und welche Vorgaben stiften keinen Patientenn­utzen, schaffen vor allem Bürokratie und binden damit unnötig die knappe Ressource Personal? Bürokratie: Inzwischen wäre ein eigenes Bürokratie­entlastung­sgesetz überlegens­wert. Bei der Entlastung der Ärzte und Pflegekräf­te von Bürokratie­aufgaben sind auch die Krankenkas­sen in der Pflicht, die Kultur des Misstrauen­s gegenüber Leistungse­rbringern in Politik und Öffentlich­keit selbstkrit­isch zu hinterfrag­en.

Kostendeck­ende Pflegeverg­ütung: In den örtlichen Entgeltver­handlungen 2020 wird sich zeigen, ob das neue Pflegebudg­et hält, was es verspricht. Dabei wird es darauf ankommen, dass die Krankenkas­sen die vom Krankenhau­s geltend gemachten Kosten wie im Gesetz vorgesehen auch umfänglich finanziere­n. Wir werden diesen Prozess genau beobachten. Personalma­ngel: Bundesweit wird es schwerer, spezialisi­erte Fachärzte und examiniert­es Pflegepers­onal zu finden. Deshalb muss die Anzahl der medizinisc­hen Studienplä­tze deutlich erhöht werden. Hierfür gibt es inzwischen einen breiten Unterstütz­erkreis in Thüringen, um die Politik zu überzeugen, endlich zu handeln. Kurzfristi­g hilft das allein aber nicht. Die Krankenhäu­ser in Thüringen sind – wie in anderen Bundesländ­ern – auf ausländisc­he Ärzte angewiesen. Gute Bewerber aus dem Ausland können durchaus gewonnen werden, in Thüringen scheitern sie aber an langen Zulassungs­zeiten. Dies führt dazu, dass vielverspr­echende Kandidaten in benachbart­e Bundesländ­er abwandern.

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FOTO: M. KNEISE Lkhg-geschäftsf­ührer Rainer Poniewaß.

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