Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Die Tücken der nachhaltigen Geldanlage
Komplizierte Kriterien erschweren Investments in grüne Aktienfonds. Was Banken bieten und worauf Anleger achten müssen
Erfurt. Plastik reduzieren, Bienen schützen, den Co2-fußabdruck verringern: Der Umgang mit der Umwelt beschäftigt viele. Doch wie sieht das bei der Geldanlage aus? Kann ich damit auch Einfluss nehmen? Entsprechende Produkte gibt es vom Girokonto bis zum Investmentfonds. Halten die Finanzprodukte, was sie vorgeben? Experten beantworten die wichtigsten Fragen zur nachhaltigen Geldanlage.
Was sind nachhaltige Geldanlagen?
Eine einheitliche Definition gibt es nicht, da Begriffe wie „nachhaltige“, „ökologische“, „soziale“oder „klimafreundliche“Geldanlage gesetzlich nicht geschützt sind. „Nicht alles, was sich nachhaltig oder klimafreundlich nennt, verdient daher diesen Namen“, sagt Thomas Mai von der Verbraucherzentrale Bremen. Die Summe nachhaltiger Geldanlagen erreichte in Deutschland im vergangenen Jahr mit 219 Milliarden Euro einen neuen Höchststand, ermittelte das Forum Nachhaltige Geldanlage (FNG). Gemessen am gesamten Anlagemarkt ist das nur ein sehr geringer Anteil. Doch das Interesse der Privatanleger, von denen bisher nur zwölf Prozent in nachhaltige Anlagen investiert haben, nimmt zu (siehe Grafik).
Welche Kriterien gibt es dafür?
Es gibt verschiedene Ansätze für nachhaltige Geldanlagen. Folgen Investmentfonds bestimmten Ausschlusskriterien wie Kohle, Rüstung, Alkohol oder Kernenergie, so soll damit die Beteiligung an Firmen, die solche Güter herstellen, weitgehend verhindert werden. Das Gegenteil davon sind Positivkriterien. Hier konzentriert sich das Fondsmanagement darauf, in Unternehmen zu investieren, die Umwelttechnologien voranbringen. Bei dem Best-in-classAnsatz werden Unternehmen einer Branche ausgewählt, die im Branchenvergleich besonders umweltfreundlich oder sozialverträglich arbeiten. „Doch in jedem Fall muss sich der Anleger informieren, ob mit diesen Kriterien auch seine Erwartungen erfüllt werden“, sagt Mai. Denn alle Kriterien haben ihre Tücken. Am Ende könnte der Anleger enttäuscht sein, wenn er feststellt, dass doch in Kohle oder Kernenergie investiert wird. Handelt es sich um Mogelpackungen?
„Wer ein 100 Prozent reines Gewissen haben möchte, der kann nicht in nachhaltige Investmentfonds investieren“, sagt Roland Kölsch, Geschäftsführer der Qualitätssicherungsgesellschaft Nachhaltiger Geldanlagen. Die Gesellschaft vergibt das FNGSiegel für Investmentfonds. Auch wenn Kernenergie oder Kohle zu den Ausschlusskriterien des Siegels gehören, werden kleine Umsatzanteile von bis zu fünf Prozent in den kritischen Bereichen als Bestandteil des Fonds toleriert.
Was steckt in nachhaltigen Fonds?
Der Uninachhaltig Aktien Global, der von den Genossenschaftsbanken verkauft wird, ist ein weltweit anlegender Aktienfonds, der einer Nachhaltigkeitsanalyse in Bezug auf ethische, soziale und ökologische Kriterien unterliegt. Zwar werden Unternehmen mit fossilen Brennstoffen nach dem FNGNachhaltigkeitsprofil eigentlich ausgeschlossen, dennoch akzeptiert der Fonds einen Umsatzanteil von 30 Prozent hinsichtlich fossiler Brennstoffe. „Unsere Umsatzschwellen werden kontinuierlich überprüft und angepasst. Dies erfolgt aktuell in unserem Haus gerade für den Bereich der Kohleförderung“, sagt Henrik Pontzen, Leiter des Bereichs Nachhaltigkeit bei Union Investment. Nachhaltigkeit sei nur über die Transformation der Wirtschaft zu erreichen –und das erfordere auch Kompromisse. Der Fonds der Sparkassen, Deka-nachhaltigkeit Aktien, schließt fossile Brennstoffe nicht aus, aber Kernenergie. Dennoch ist in diesem Bereich ein Umsatzanteil von fünf Prozent möglich. Konsequenter ist da der Fonds Ökovision, laut Stiftung Warentest einer der strengsten Nachhaltigkeitsfonds überhaupt. Dieser Fonds muss bei den Nachhaltigkeitskriterien auch nicht die Toleranzschwelle von fünf Prozent in Anspruch nehmen.
Wie können sich Anleger orientieren?
Wer sich für nachhaltige Geldanlagen interessiert, wird ohne Recherche nicht auskommen. Eine Möglichkeit dafür ist das Forum Nachhaltige Geldanlage (www.forum-ng.org/de) oder das Angebot der Verbraucherzentralen (www.geld-bewegt.de). 65 Fonds haben ein Fng-siegel. Die Kriterien werden jährlich verschärft. So wurden 2019 der Kohlebergbau, bedeutsame Kohleverstromung sowie Ölsande und Fracking als Ausschlusskriterien eingeführt. 2020 kommt der Uranbergbau als weiteres Ausschlusskriterium hinzu.
Muss ich auf Rendite verzichten?
Die Vorstellung, dass nachhaltige Anlagen weniger Rendite bringen als konventionelle Anlagen, ist falsch. Das haben mehrere Studien belegt. Die weltweit anlegenden Aktienfonds mit Ausrichtung auf nachhaltige Unternehmen schafften in den vergangenen zehn Jahren laut der Ratingagentur Scope jährlich sogar eine Mehrrendite von durchschnittlich einem halben Prozentpunkt.
Wie sicher sind nachhaltige Anlagen?
Nachhaltige Geldanlagen bergen die gleichen Chancen und Risiken wie konventionelle. Wie hoch Ertragschancen und Verlustrisiken sind, hängt in erster Linie von der Anlageform ab. Wer in einen Aktienfonds investiert, sollte mindestens einen Anlagehorizont von sechs Jahren haben und mit Kursschwankungen leben können. Manche verstehen unter einem nachhaltigen Investment, sich an Wind- oder Solarparks zu beteiligen oder zur Aufforstung von Wäldern beizutragen. „Solche Projekte sind jedoch riskant und zur langfristigen Geldanlage nicht geeignet, weil große Beträge für lange Zeit gebunden und die Risiken kaum überschaubar sind“, sagt Verbraucherschützer Mai.