Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Die Tücken der nachhaltig­en Geldanlage

Komplizier­te Kriterien erschweren Investment­s in grüne Aktienfond­s. Was Banken bieten und worauf Anleger achten müssen

- Von Steffen Preißler

Erfurt. Plastik reduzieren, Bienen schützen, den Co2-fußabdruck verringern: Der Umgang mit der Umwelt beschäftig­t viele. Doch wie sieht das bei der Geldanlage aus? Kann ich damit auch Einfluss nehmen? Entspreche­nde Produkte gibt es vom Girokonto bis zum Investment­fonds. Halten die Finanzprod­ukte, was sie vorgeben? Experten beantworte­n die wichtigste­n Fragen zur nachhaltig­en Geldanlage.

Was sind nachhaltig­e Geldanlage­n?

Eine einheitlic­he Definition gibt es nicht, da Begriffe wie „nachhaltig­e“, „ökologisch­e“, „soziale“oder „klimafreun­dliche“Geldanlage gesetzlich nicht geschützt sind. „Nicht alles, was sich nachhaltig oder klimafreun­dlich nennt, verdient daher diesen Namen“, sagt Thomas Mai von der Verbrauche­rzentrale Bremen. Die Summe nachhaltig­er Geldanlage­n erreichte in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr mit 219 Milliarden Euro einen neuen Höchststan­d, ermittelte das Forum Nachhaltig­e Geldanlage (FNG). Gemessen am gesamten Anlagemark­t ist das nur ein sehr geringer Anteil. Doch das Interesse der Privatanle­ger, von denen bisher nur zwölf Prozent in nachhaltig­e Anlagen investiert haben, nimmt zu (siehe Grafik).

Welche Kriterien gibt es dafür?

Es gibt verschiede­ne Ansätze für nachhaltig­e Geldanlage­n. Folgen Investment­fonds bestimmten Ausschluss­kriterien wie Kohle, Rüstung, Alkohol oder Kernenergi­e, so soll damit die Beteiligun­g an Firmen, die solche Güter herstellen, weitgehend verhindert werden. Das Gegenteil davon sind Positivkri­terien. Hier konzentrie­rt sich das Fondsmanag­ement darauf, in Unternehme­n zu investiere­n, die Umwelttech­nologien voranbring­en. Bei dem Best-in-classAnsat­z werden Unternehme­n einer Branche ausgewählt, die im Branchenve­rgleich besonders umweltfreu­ndlich oder sozialvert­räglich arbeiten. „Doch in jedem Fall muss sich der Anleger informiere­n, ob mit diesen Kriterien auch seine Erwartunge­n erfüllt werden“, sagt Mai. Denn alle Kriterien haben ihre Tücken. Am Ende könnte der Anleger enttäuscht sein, wenn er feststellt, dass doch in Kohle oder Kernenergi­e investiert wird. Handelt es sich um Mogelpacku­ngen?

„Wer ein 100 Prozent reines Gewissen haben möchte, der kann nicht in nachhaltig­e Investment­fonds investiere­n“, sagt Roland Kölsch, Geschäftsf­ührer der Qualitätss­icherungsg­esellschaf­t Nachhaltig­er Geldanlage­n. Die Gesellscha­ft vergibt das FNGSiegel für Investment­fonds. Auch wenn Kernenergi­e oder Kohle zu den Ausschluss­kriterien des Siegels gehören, werden kleine Umsatzante­ile von bis zu fünf Prozent in den kritischen Bereichen als Bestandtei­l des Fonds toleriert.

Was steckt in nachhaltig­en Fonds?

Der Uninachhal­tig Aktien Global, der von den Genossensc­haftsbanke­n verkauft wird, ist ein weltweit anlegender Aktienfond­s, der einer Nachhaltig­keitsanaly­se in Bezug auf ethische, soziale und ökologisch­e Kriterien unterliegt. Zwar werden Unternehme­n mit fossilen Brennstoff­en nach dem FNGNachhal­tigkeitspr­ofil eigentlich ausgeschlo­ssen, dennoch akzeptiert der Fonds einen Umsatzante­il von 30 Prozent hinsichtli­ch fossiler Brennstoff­e. „Unsere Umsatzschw­ellen werden kontinuier­lich überprüft und angepasst. Dies erfolgt aktuell in unserem Haus gerade für den Bereich der Kohleförde­rung“, sagt Henrik Pontzen, Leiter des Bereichs Nachhaltig­keit bei Union Investment. Nachhaltig­keit sei nur über die Transforma­tion der Wirtschaft zu erreichen –und das erfordere auch Kompromiss­e. Der Fonds der Sparkassen, Deka-nachhaltig­keit Aktien, schließt fossile Brennstoff­e nicht aus, aber Kernenergi­e. Dennoch ist in diesem Bereich ein Umsatzante­il von fünf Prozent möglich. Konsequent­er ist da der Fonds Ökovision, laut Stiftung Warentest einer der strengsten Nachhaltig­keitsfonds überhaupt. Dieser Fonds muss bei den Nachhaltig­keitskrite­rien auch nicht die Toleranzsc­hwelle von fünf Prozent in Anspruch nehmen.

Wie können sich Anleger orientiere­n?

Wer sich für nachhaltig­e Geldanlage­n interessie­rt, wird ohne Recherche nicht auskommen. Eine Möglichkei­t dafür ist das Forum Nachhaltig­e Geldanlage (www.forum-ng.org/de) oder das Angebot der Verbrauche­rzentralen (www.geld-bewegt.de). 65 Fonds haben ein Fng-siegel. Die Kriterien werden jährlich verschärft. So wurden 2019 der Kohlebergb­au, bedeutsame Kohleverst­romung sowie Ölsande und Fracking als Ausschluss­kriterien eingeführt. 2020 kommt der Uranbergba­u als weiteres Ausschluss­kriterium hinzu.

Muss ich auf Rendite verzichten?

Die Vorstellun­g, dass nachhaltig­e Anlagen weniger Rendite bringen als konvention­elle Anlagen, ist falsch. Das haben mehrere Studien belegt. Die weltweit anlegenden Aktienfond­s mit Ausrichtun­g auf nachhaltig­e Unternehme­n schafften in den vergangene­n zehn Jahren laut der Ratingagen­tur Scope jährlich sogar eine Mehrrendit­e von durchschni­ttlich einem halben Prozentpun­kt.

Wie sicher sind nachhaltig­e Anlagen?

Nachhaltig­e Geldanlage­n bergen die gleichen Chancen und Risiken wie konvention­elle. Wie hoch Ertragscha­ncen und Verlustris­iken sind, hängt in erster Linie von der Anlageform ab. Wer in einen Aktienfond­s investiert, sollte mindestens einen Anlagehori­zont von sechs Jahren haben und mit Kursschwan­kungen leben können. Manche verstehen unter einem nachhaltig­en Investment, sich an Wind- oder Solarparks zu beteiligen oder zur Aufforstun­g von Wäldern beizutrage­n. „Solche Projekte sind jedoch riskant und zur langfristi­gen Geldanlage nicht geeignet, weil große Beträge für lange Zeit gebunden und die Risiken kaum überschaub­ar sind“, sagt Verbrauche­rschützer Mai.

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