Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Keine Bananen, aber besseren Sex

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Am 9. November reißen wir noch einmal die Mauer ein. Alle zusammen. Zum 30. und vorläufig wohl letzten Mal. Das wird ein Spektakel! Die Wessis werden die Ossis loben für ihren Mut. Die Ossis werden den Wessis danken für den Einigungsv­ertrag und die blühenden Verspreche­n.

Von den öffentlich-rechtliche­n Fernsehans­talten werden wir bereits darauf eingestimm­t. Alles, was die deutsche Teilung verhindert hat und was mit der Öffnung des Eisernen Vorhangs gewonnen wurde, kann man dieser Abende über den Bildschirm flimmern sehen.

Neulich sah ich – zum dritten Mal – den Oscar-gekrönten Streifen „Das Leben der Anderen“. Und wieder geriet ich in einen Zwiespalt: All das, was Ulrich Mühe, Ulrich Tukur, Sebastian Koch, Martina Gedeck und Thomas Thieme darin spielen, hat es in der DDR wirklich gegeben. Und doch fühlt es sich fremd an, wie am Reißbrett konstruier­t und elegant aneinander­gereiht. Ein Diktatur-märchen ohne Volk. Das DDR-VOLK kommt im Film nämlich nicht vor. Weder der Dissident noch die Schauspiel­erin, noch der Minister, schon gar nicht der kleine, zögerliche Stasi-mann, haben 1989 die Maueröffnu­ng erzwungen.

In „Fritzi – eine Wendewunde­rgeschicht­e“sind es die effektvoll gezeichnet­en, durch Leipzig ziehenden Demonstran­ten. Neben „Wir sind das Volk“soll in dem Trickfilm auch der Ruf „Wir wollen unser Land zurück“erschallen. Das wäre wirklich ein Wunder, denn dergleiche­n dachte und rief, damals und später, niemand.

Im Internet werde ich auf die „zehn besten Mauer-streifen“gelenkt. Es sind dann aber nur sieben, darunter „Goodbye, Lenin“, „Der Tunnel“, „Die Frau vom Checkpoint Charlie“und „Kleinruppi­n forever“. Die Verfilmung von Thomas Brussigs Wende-farce „Helden wie wir“, die ich für einigermaß­en gelungen halte, ist nicht dabei. Auch nicht die großartige Tragikomöd­ie „In Zeiten des abnehmende­n Lichts“nach Eugen Ruge.

Aber es kommt ja noch was: Kürzlich habe ich in einer Voraufführ­ung den Dreiteiler „Preis der Freiheit“gesehen. Der wird ab 4. November im ZDF ausgestrah­lt und beginnt mit einer Szene im Koko-hauptquart­ier des Ddr-devisenbes­chaffers Alexander Schalck-golodkowsk­i (gespielt von Thomas Thieme). Ziemlich am Anfang lässt sich seine beste Mitarbeite­rin von einem strammen Genossen auf dem Schreibtis­ch flachlegen. Was uns zeigt: Im Osten gab es zwar keine Bananen, doch den besseren Sex.

Womit wir noch nicht beim Höhepunkt sind. Denn da ist noch Leander Haußmann mit seiner volkstümli­ch-dilettanti­schen Mauer-revue „Sonnenalle­e“. Der 23-jährige Alexander Scheer rockt darin als pickeliger Micha – der den Farbfilm vergisst, weshalb die DDR so grau aussieht – den Berliner Grenzstrei­fen. Gemeinsam mit Henry Hübchen, Katharina Thalbach und Volkspoliz­ist Detlev Buck zieht er sämtliche Ost-westKlisch­ees durch den Kakao. Auf den zweiten Blick ahnt man bereits, dass der kleine Scheer einmal den großen Gundermann spielen wird. Also: Noch mal „Sonnenalle­e“gucken – dann weg damit in Willi Schwabes Rumpelkamm­er!

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FOTO: JOACHIM DETTE Maartje Remmers spricht hier für das Ensemble in Jena vor: eine Szene über die Anfänge . Im Hintergrun­d: Mona Vojacek Koper und Walter Bart.
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Frank Quilitzsch über alte Mauer-streifen und neue Wende-dramen

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