Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Gefühlte Niederlage
Nach dem 1:1 gegen Wolfsburg herrscht dicke Luft bei RB Leipzig – und in der Kabine wird es zum ersten Mal laut
Leipzig. Es ist ein Markenzeichen von Oliver Mintzlaff, alles, was dem von ihm geleiteten Bundesligisten RB Leipzig widerfährt, abzumoderieren. Kritik in eigener Sache? Hört man deshalb nie, weshalb sich jeder seinen Teil denken konnte, als der 44-Jährige seinen Eindruck vom 1:1 gegen Wolfsburg zusammenfasste. „Das Unentschieden fühlt sich wie eine Niederlage an“, sagte er. „Fünf Punkte aus den letzten vier Heimspielen sind zu wenig, und zwei Punkte aus den vergangenen vier Pflichtspielen sind auch zu wenig. Das ist extremst ärgerlich.“
RB Leipzig kann plötzlich nicht mehr gewinnen. Nach den sieben Auftaktsiegen im Pokal, in der Liga und der Champions League, folgten zuletzt zwei Niederlagen (Schalke und Lyon) sowie zwei Remis (Leverkusen und Wolfsburg), die plötzlich an den Nerven des Vorjahresdritten zerren, der in dieser Saison mit Neu-trainer Julian Nagelsmann eigentlich einen Schritt vorwärts machen wollte.
Stattdessen aber präsentiert sich die Mannschaft aktuell derart „schlampig“im Aufbau und Abschluss, wie Nagelsmann befand, sowie verstört und „unkonzentriert“wie Kevin Kampl bei seinem Comeback nach zweimonatiger Verletzungspause urteilte, dass Mintzlaff sich zum ersten Mal nicht zurückhielt mit seiner Kritik, sondern ihr weiter freien Lauf ließ: Eine ordentliche erste Halbzeit hätte sein Team gespielt, aber keine Großchancen kreiert. Nach der Pause durch einen Kraftakt von Timo Werner in Führung gegangen (58.) – und danach plötzlich jeglichen Zugriff zum Spiel verloren, was zum 1:1 durch Wout Weghorst acht Minuten vor dem offiziellen Ende führte. „Wir haben einfach aufgehört mit Fußballspielen“, zürnte Mintzlaff, „wieso, weshalb, warum auch immer. Ich bin ja nicht der Trainer und auch kein Spieler. Und wenn du das tust und um den Ausgleich bettelst, dann bekommst du ihn auch. Das ist zu wenig, da erwarte ich mehr!“
Was genau, auch das beantwortete Mintzlaff: „Drei Punkte“, wenn sie auf dem Silbertablett liegen. Vor allem in den Heimspielen, was am Mittwoch gleich wieder der Fall ist, wenn Zenit St. Petersburg zum dritten Champions-league-spiel vorbeischaut, was in der aktuellen Verfassung entweder zu einem Befreiungsschlag wird – oder aber zur Manifestation einer handfesten sportlichen Krise.
Nur, die Russen sitzen mit vier Punkten an der Gruppenspitze und reisen mit einem 6:1-Kantersieg gegen Rostow und der Tabellenführung der Premier-liga an. Ein Selbstläufer wird das also nicht, sagte Mittelfeldspieler Diego Demme, der berichtete, dass Nagelsmann zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt laut geworden sei in der Kabine. „Wir müssen alles besser machen“, sagte er. „Die Stimmung ist gerade nicht so toll. Wir brauchen auch wieder bessere Laune.“