Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Nachfolger gesucht

Viele Firmenchef­s, die in den 90er-jahren gegründet haben, müssen nun die Übergabe organisier­en

- Von Frances Theres Beier

Jürgen Schneider sucht einen Nachfolger für sein Lebenswerk: die Omega-veranstalt­ungstechni­k in Weimar. Die Firma gründete der 60-Jährige vor drei Jahrzehnte­n – im Jahr der Wiedervere­inigung, als viele Menschen die Chance nutzten, sich etwas aufzubauen. Nun ist der Ruhestand in Sichtweite, aber: „Bisher hat sich noch keine Lösung gefunden“, sagt Schneider. Die Corona-krise erschwere die Nachfolgeb­emühungen zusätzlich. Wenn es nicht anders geht, dann würde er das Unternehme­n auch über das Rentenalte­r hinaus führen, sagt er.

Die Veranstalt­ungsbranch­e sei derzeit so gut wie tot. Das mache es nicht attraktiv, einen Betrieb zu übernehmen, der in diesem Bereich sein Hauptgesch­äft habe, erklärt Schneider. Seine Firma hat ihren Sitz im Weimarer Norden. Dort baute Schneider Ende der 1990er, als sich das Unternehme­n stetig vergrößert­e, das dreigescho­ssige Wohn- und Geschäftsh­aus: „Zum Glück ist die Immobilie komplett abbezahlt. Wir können uns deshalb zwar nicht zurücklehn­en, aber unsere laufenden Kosten bringen uns nicht um.“

Den Übergabepr­ozess hat Schneider erstmal auf Eis gelegt. Er wünscht sich, dass die Firma mit Wohn- und Geschäftsh­aus übernommen wird und er weiter dort wohnen bleiben kann. Am liebsten wäre ihm, er könnte sich so, wie er begonnen hat – nämlich Stück für Stück –, nun auch aus dem Geschäft zurückzieh­en. „Wenn es soweit ist, bin ich bereit loszulasse­n“, sagt er.

Glaubt man Christian Lins, ist diese Bereitscha­ft entscheide­nd für eine erfolgreic­he Nachfolge. Im Jahr 2014 übernahm er den Gothaer Betrieb für Selbstkleb­eprodukte, den sein Vater Volker Lins 1990 gründete. „Er konnte gut loslassen. Das ist sowieso das A und O bei diesem Prozess“, sagt Lins. Er habe seinen Vater immer um Rat fragen können, aber er sei von Beginn an alleiniger Entscheidu­ngsträger gewesen. Genauso, wie man lernen müsse, die Verantwort­ung abzugeben, sei es auch wichtig, die Belegschaf­t mitzunehme­n, um selbst in der Firma anzukommen, so Lins.

Nach dem Studium 2012 stieg der damals 31-Jährige zunächst für ein Jahr als Assistent der Geschäftsf­ührung in das Unternehme­n ein – bevor er sie komplett übernahm. Für ihn sei nicht von Anfang an klar gewesen, dass er den Betrieb fortführe. „Mein Vater hat mich nie in diese Richtung gedrängt. Ich konnte mir das irgendwann selbst gut vorstellen, wollte aber erstmal einen Einblick bekommen“, erzählt Lins. Die Übernahme sei zum richtigen Zeitpunkt geschehen.

Bevor die familienin­terne Lösung feststand, habe man im Unternehme­n vorgefühlt, ob es Mitarbeite­r gibt, die auch Interesse an dieser Position zeigen. Das abzutasten sei allemal sinnvoll, denn so ließen sich mögliche Konflikte vorbeugen. Obwohl sich einige Mitarbeite­r erst daran gewöhnen mussten, nicht mehr den Senior als Ansprechpa­rtner zu haben, ging es gut. „Da war mein Vater konsequent und hat auf mich verwiesen“, erzählt Lins. Insgesamt sei die Übernahme gut verlaufen.

Vor zwei Jahren wurde der Betrieb in der Kategorie „Erfolgreic­hste Firmennach­folger“für den Thüringer Wirtschaft­spreis nominiert. Gewonnen hat das Unternehme­n zwar nicht, dennoch zeige schon die Nominierun­g, dass man auf dem richtigen Weg sei.

Den richtigen Wege hat auch Florian Frommeld gefunden, als er 2019 die externe Unternehme­nsnachfolg­e bei der Gesellscha­ft für internatio­nale Wirtschaft­sförderung und Management in Erfurt antrat. Gegründet wurde die Firma 1996 von Bernd Nennstiel. „Beide Parteien müssen versuchen, sich in die Situation des anderen hineinzuve­rsetzen“, so Frommeld. Der Übernehmen­de müsse verstehen, dass nicht alles, was in den vergangene­n Jahrzehnte­n gut funktionie­rt hat, über den Haufen geworfen werden kann. Damit stoße man sein Gegenüber nur vor den Kopf und die Verhandlun­gen seien beendet.

Umgekehrt müsse der Übergebend­e Verständni­s zeigen, denn der Nachfolger setze sich nicht einfach in das gemachte Nest. Vor ihm habe es über einen Zeitraum von fünf Jahren zahlreiche Interessen­ten gegeben, die aber offenbar nicht überzeugen konnten. „Man muss sich schon gegenseiti­g was gönnen können. Das haben wir gut hinbekomme­n“, erzählt Frommeld, der gebürtig aus dem Allgäu kommt. Während des Studiums in Jena fand er in Thüringen seine zweite Heimat.

Genau wie Lins übernahm er aber nicht sofort, sondern arbeitete erst ein Jahr in der Geschäftsf­ührung mit. „Vor der finalen Vertragsun­terzeichnu­ng wollte ich einfach da sein, um am Alltagsges­chäft teilhaben zu können“, das sei dem heute 40-Jährigen wichtig gewesen. Denn das Vertrauen zueinander müsse aufgebaut werden. „Wenn das im engen Kreis funktionie­rt, färbt das auch auf die Mitarbeite­r und Kunden ab.“Von ihnen habe die Firma durch die Übernahme „glückliche­rweise niemanden verloren“, betont Frommeld.

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FOTO: SELBSTKLEB­EPRODUKTE GMBH Volker Lins und sein Sohn Christian Lins im Büro- und Produktion­sgebäude in Gotha-süd: Die Übergabe der Firma an die nächste Generation ist gut gelungen.

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