Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Nachfolger gesucht
Viele Firmenchefs, die in den 90er-jahren gegründet haben, müssen nun die Übergabe organisieren
Jürgen Schneider sucht einen Nachfolger für sein Lebenswerk: die Omega-veranstaltungstechnik in Weimar. Die Firma gründete der 60-Jährige vor drei Jahrzehnten – im Jahr der Wiedervereinigung, als viele Menschen die Chance nutzten, sich etwas aufzubauen. Nun ist der Ruhestand in Sichtweite, aber: „Bisher hat sich noch keine Lösung gefunden“, sagt Schneider. Die Corona-krise erschwere die Nachfolgebemühungen zusätzlich. Wenn es nicht anders geht, dann würde er das Unternehmen auch über das Rentenalter hinaus führen, sagt er.
Die Veranstaltungsbranche sei derzeit so gut wie tot. Das mache es nicht attraktiv, einen Betrieb zu übernehmen, der in diesem Bereich sein Hauptgeschäft habe, erklärt Schneider. Seine Firma hat ihren Sitz im Weimarer Norden. Dort baute Schneider Ende der 1990er, als sich das Unternehmen stetig vergrößerte, das dreigeschossige Wohn- und Geschäftshaus: „Zum Glück ist die Immobilie komplett abbezahlt. Wir können uns deshalb zwar nicht zurücklehnen, aber unsere laufenden Kosten bringen uns nicht um.“
Den Übergabeprozess hat Schneider erstmal auf Eis gelegt. Er wünscht sich, dass die Firma mit Wohn- und Geschäftshaus übernommen wird und er weiter dort wohnen bleiben kann. Am liebsten wäre ihm, er könnte sich so, wie er begonnen hat – nämlich Stück für Stück –, nun auch aus dem Geschäft zurückziehen. „Wenn es soweit ist, bin ich bereit loszulassen“, sagt er.
Glaubt man Christian Lins, ist diese Bereitschaft entscheidend für eine erfolgreiche Nachfolge. Im Jahr 2014 übernahm er den Gothaer Betrieb für Selbstklebeprodukte, den sein Vater Volker Lins 1990 gründete. „Er konnte gut loslassen. Das ist sowieso das A und O bei diesem Prozess“, sagt Lins. Er habe seinen Vater immer um Rat fragen können, aber er sei von Beginn an alleiniger Entscheidungsträger gewesen. Genauso, wie man lernen müsse, die Verantwortung abzugeben, sei es auch wichtig, die Belegschaft mitzunehmen, um selbst in der Firma anzukommen, so Lins.
Nach dem Studium 2012 stieg der damals 31-Jährige zunächst für ein Jahr als Assistent der Geschäftsführung in das Unternehmen ein – bevor er sie komplett übernahm. Für ihn sei nicht von Anfang an klar gewesen, dass er den Betrieb fortführe. „Mein Vater hat mich nie in diese Richtung gedrängt. Ich konnte mir das irgendwann selbst gut vorstellen, wollte aber erstmal einen Einblick bekommen“, erzählt Lins. Die Übernahme sei zum richtigen Zeitpunkt geschehen.
Bevor die familieninterne Lösung feststand, habe man im Unternehmen vorgefühlt, ob es Mitarbeiter gibt, die auch Interesse an dieser Position zeigen. Das abzutasten sei allemal sinnvoll, denn so ließen sich mögliche Konflikte vorbeugen. Obwohl sich einige Mitarbeiter erst daran gewöhnen mussten, nicht mehr den Senior als Ansprechpartner zu haben, ging es gut. „Da war mein Vater konsequent und hat auf mich verwiesen“, erzählt Lins. Insgesamt sei die Übernahme gut verlaufen.
Vor zwei Jahren wurde der Betrieb in der Kategorie „Erfolgreichste Firmennachfolger“für den Thüringer Wirtschaftspreis nominiert. Gewonnen hat das Unternehmen zwar nicht, dennoch zeige schon die Nominierung, dass man auf dem richtigen Weg sei.
Den richtigen Wege hat auch Florian Frommeld gefunden, als er 2019 die externe Unternehmensnachfolge bei der Gesellschaft für internationale Wirtschaftsförderung und Management in Erfurt antrat. Gegründet wurde die Firma 1996 von Bernd Nennstiel. „Beide Parteien müssen versuchen, sich in die Situation des anderen hineinzuversetzen“, so Frommeld. Der Übernehmende müsse verstehen, dass nicht alles, was in den vergangenen Jahrzehnten gut funktioniert hat, über den Haufen geworfen werden kann. Damit stoße man sein Gegenüber nur vor den Kopf und die Verhandlungen seien beendet.
Umgekehrt müsse der Übergebende Verständnis zeigen, denn der Nachfolger setze sich nicht einfach in das gemachte Nest. Vor ihm habe es über einen Zeitraum von fünf Jahren zahlreiche Interessenten gegeben, die aber offenbar nicht überzeugen konnten. „Man muss sich schon gegenseitig was gönnen können. Das haben wir gut hinbekommen“, erzählt Frommeld, der gebürtig aus dem Allgäu kommt. Während des Studiums in Jena fand er in Thüringen seine zweite Heimat.
Genau wie Lins übernahm er aber nicht sofort, sondern arbeitete erst ein Jahr in der Geschäftsführung mit. „Vor der finalen Vertragsunterzeichnung wollte ich einfach da sein, um am Alltagsgeschäft teilhaben zu können“, das sei dem heute 40-Jährigen wichtig gewesen. Denn das Vertrauen zueinander müsse aufgebaut werden. „Wenn das im engen Kreis funktioniert, färbt das auch auf die Mitarbeiter und Kunden ab.“Von ihnen habe die Firma durch die Übernahme „glücklicherweise niemanden verloren“, betont Frommeld.