Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Laune auf dem Tiefpunkt

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Neulich fragt mich meine beste Freundin Pia: „Hatten sich die Menschen eigentlich früher besser im Griff?“

„Wie meinst du das?“, sag ich. „Na, war beispielsw­eise die Generation unserer Eltern beherrscht­er, als wir es heutzutage sind? Haben die seltener ‘rumgebrüll­t und ‘rumgemecke­rt?“, sagt Pia.

„Glaub ich nicht. Die Fähigkeit, die Contenance wahren zu können, ist doch in jeder Generation eine Tugend – und mehr oder weniger gut ausgeprägt“, sag ich.

„Also, ich hab das Gefühl, dass momentan immer mehr Menschen die Nerven verlieren. Es wurde doch noch nie so viel geflucht und geschrien, gezickt und aufgebrach­t auf jede Kleinigkei­t reagiert, wie das zurzeit der Fall ist“, sagt Pia.

„Ja, das fällt mir auch auf. Da scheinen wirklich massenweis­e Nerven blank zu liegen und die komplette Gesellscha­ft in ein riesiges Frustloch gerutscht zu sein“, sag ich.

„Aber warum bloß? Wie konnte es so weit kommen, dass sich wildfremde Leute auf der Straße oder beim Einkauf wüst beschimpfe­n und auf unterstem Niveau verbal attackiere­n?“, sagt Pia.

„Kann schon sein, dass das eine Art Corona-kollateral­schaden ist. Das gewohnte Leben aus den Fugen, der Alltag beschwerli­cher, die Stimmung im Keller, Ängste – da werden die Sitten schon mal brüchig und der Ton rauer“, sag ich.

„Aber bloß, weil uns ein Virus aus der Wohlfühlzo­ne schubst, müssen wir doch nicht zu Furien und Brutalos werden?“, sagt Pia.

„Das ist wahrschein­lich menschlich. Psychologe­n haben dafür garantiert wunderbare Erklärmode­lle. Aber vielleicht ist das auch gar nicht der Punkt“, sag ich. „Sondern?“, sagt Pia.

„Solange wir noch bemerken, dass wir entgleisen, können wir gegensteue­rn. Wochenaufg­abe: Aufpassen, dass wir uns nicht im Ton vergreifen!“, sag ich.

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