Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Spiel auf Zeit im Schlösserstreit
Nach dem Scheitern der Hallenser Großstiftung entscheidet der Bundestag neu. In Thüringen zankt man weiter
Nach zweijährigem Ringen steht jetzt eine Lösung im Schlösserstreit bevor. Das geht aus den Antworten der Thüringer Staatskanzlei auf eine Anfrage unserer Zeitung hervor. Das Wohl und Wehe hängt demnach vom neuerlichen Beschluss im Bundestagshaushaltsausschuss ab. Top oder Flop: Denkbar ist sogar, dass der Bund keinen roten Heller mehr für die Sanierung hiesiger Schlösser spendiert. So oder so – das Spiel auf Zeit nimmt damit ein Ende.
Wir rekapitulieren. Es war genau der 8. November 2018, als freudige Nachrichten aus Berlin überraschten: Der Bund will Thüringen und Sachsen-anhalt mit je 100 Millionen Euro aus einem Sonderinvestitionsprogramm für historische Liegenschaften beglücken, sofern beide Länder die Fördersumme in gleicher Höhe gegenfinanzieren und eine gemeinsame Stiftung gründen. Dann werde sich der Bund sogar zur Hälfte an den Betriebskosten beteiligen; deren Höhe wurde später auf bis zu 60 Millionen Euro pro Jahr konkretisiert. Nur ist es zur Gründung einer solchen „Kulturstiftung Mitteldeutsche Schlösser und Gärten (KMSG)“– mit einem prospektiven Finanzvolumen von 820 Millionen Euro auf sieben Jahre – bis heute nicht gekommen.
Partout konnten sich die Nachbarn nicht einigen; zu unterschiedlich waren ihre organisatorischen und (kultur-)historischen Voraussetzungen. Für Aufruhr sorgte noch im Frühjahr der mies verhandelte Entwurf eines Staatsvertrags über die neue Stiftung in Halle, der Thüringen klar benachteiligt hätte. Und im September vollzog der zuständige Staatskanzleiminister Benjaminimmanuel Hoff (Linke), eigentlich ein großer Befürworter zentralistischer Lösungen, die entscheidende Wende: Auf einem Welterbe-symposium in Bad Liebenstein sprach er sich für „Plan B“aus – einen eigenständigen Weg, der zum Unesco-welterbe-antrag fürs enge, filigrane Netzwerk hiesiger Residenzen führen soll. Die Sachsenanhalter kommen allein zurecht; so wächst nun nicht zusammen, was nicht zusammen gehört.
100 Millionen Euro Investivmittel stehen offenbar nicht zur Disposition
Die ominöse KMSG ist vom Tisch, was aber wird aus dem Geld? Das hängt allein von einem geänderten Maßgabebeschluss des Bundestags ab, dessen sogenannte Haushaltsbereinigungssitzung für den 26. November terminiert ist. Ein einmütiges Raunen aus dem politischen Berlin deutet darauf hin, dass die Investivmittel von je 100 Millionen Euro offenbar nicht infrage stehen.
Erste Tranchen sind bereits fürs nächste Jahr vorgesehen. Und Doris Fischer, Direktorin der Thüringer Schlösserstiftung in Rudolstadt, antwortet stets, wenn man danach fragt: „Wir könnten sofort anfangen!“Der Sanierungsbedarf allein für die von ihr betreuten 31 Schlösser und Gärten wird auf 385 Millionen Euro taxiert.
Was aber wird aus dem avisierten, 210 Millionen schweren Betriebskostenzuschuss? Kein Betrieb, kein Zuschuss, lautet da wohl schlicht die Antwort nach dem Scheitern der länderübergreifenden Stiftung. Es ist kein Geheimnis, dass Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) wie ihre Amtsvorgänger vor dauerhaften Verpflichtungen zurückscheut – aus ihrer Sicht völlig verständlich. Und an Landesstiftungen
in Thüringen und Sachsen-anhalt kann sie sich nicht institutionell beteiligen, ohne Begehrlichkeiten der anderen zu wecken.
Also könnte die angestrebte Kompromisslinie lauten, dass der Bund stattdessen zweckgebundene Fördermittel ausreicht: zur Restaurierung, Digitalisierung und Provenienzforschung von Kulturgütern sowie für die pädagogische Vermittlungsarbeit und das Marketing der Museen. Thüringens Residenznetzwerk könnte so immerhin in den Genuss weiterer satter Millionenzuschüsse seitens des Bundes gelangen – eine Gegenfinanzierung aus der Landeskasse vorausgesetzt. Diese Gelder wären für die Schlossmuseen wie ein warmer Regen.
Schlösserstiftung soll nun auch Museumbetriebe aufnehmen
Langweilig wird hiesige Kulturpolitik trotzdem nicht, der Schlösserstreit verlagert sich auf eine andere Ebene. Noch diese Woche wird der Landtag – Tagesordnungspunkt 54 – mit dem rot-rot-grünen Antrag befasst, die Schlösserstiftung in Rudolstadt gründlich umzubauen: Sie soll demnach nicht nur weitere Schlösser unter die Fittiche nehmen, sondern – entgegen der bisherigen Satzung – sich auch deren Museen miteinverleiben. Der Widerstand aus dem konservativen Lager gegen eine solche sogenannte „Stiftung
Residenzkultur“ist vorprogrammiert; man fürchtet einen zentralistischen Moloch (wir berichteten).
Denn das Gebilde, das somit entstünde, wäre weitaus größer als die Klassik Stiftung Weimar oder die Friedenstein-stiftung zu Gotha – nur im Unterschied zu diesen auf viele Standorte verteilt. Ein weiteres Gegenargument bringt den anvisierten Welterbe-antrag in Stellung: Um Thüringens Schlösserwelt bei der Unesco als historische Brutstätte des Föderalismus anzupreisen, wäre eine zentralistische Organisation ungeeignet, ja geradezu absurd, hieß es aus Cdu-kreisen.
Alternativ sucht man nach einer föderalen Lösung: etwa einem Dienstleistungszentrum für hiesige Schlossmuseen, das sie bei Marketing und Museumspädagogik, Restaurierung, Digitalisierung und Provenienzforschung fachlich wie personell unterstützt, den fruchtbaren, freundschaftlichen Wettbewerb jedoch unter Museumsdirektoren – wie einst unter Herzögen – wahrt.
Wer mit parlamentarischen Gepflogenheiten vertraut ist, ahnt, dass der R2g-antrag zunächst an den Fachausschuss verwiesen und frühestens im Dezember entschieden wird. – Einen Ertrag hat der Schlösserstreit indes schon erzielt: Er hat das Bewusstsein der Bürger für den famosen Wert ihres einzigartigen kulturellen Erbes geweckt.