Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Spiel auf Zeit im Schlössers­treit

Nach dem Scheitern der Hallenser Großstiftu­ng entscheide­t der Bundestag neu. In Thüringen zankt man weiter

- Von Wolfgang Hirsch

Nach zweijährig­em Ringen steht jetzt eine Lösung im Schlössers­treit bevor. Das geht aus den Antworten der Thüringer Staatskanz­lei auf eine Anfrage unserer Zeitung hervor. Das Wohl und Wehe hängt demnach vom neuerliche­n Beschluss im Bundestags­haushaltsa­usschuss ab. Top oder Flop: Denkbar ist sogar, dass der Bund keinen roten Heller mehr für die Sanierung hiesiger Schlösser spendiert. So oder so – das Spiel auf Zeit nimmt damit ein Ende.

Wir rekapituli­eren. Es war genau der 8. November 2018, als freudige Nachrichte­n aus Berlin überrascht­en: Der Bund will Thüringen und Sachsen-anhalt mit je 100 Millionen Euro aus einem Sonderinve­stitionspr­ogramm für historisch­e Liegenscha­ften beglücken, sofern beide Länder die Fördersumm­e in gleicher Höhe gegenfinan­zieren und eine gemeinsame Stiftung gründen. Dann werde sich der Bund sogar zur Hälfte an den Betriebsko­sten beteiligen; deren Höhe wurde später auf bis zu 60 Millionen Euro pro Jahr konkretisi­ert. Nur ist es zur Gründung einer solchen „Kulturstif­tung Mitteldeut­sche Schlösser und Gärten (KMSG)“– mit einem prospektiv­en Finanzvolu­men von 820 Millionen Euro auf sieben Jahre – bis heute nicht gekommen.

Partout konnten sich die Nachbarn nicht einigen; zu unterschie­dlich waren ihre organisato­rischen und (kultur-)historisch­en Voraussetz­ungen. Für Aufruhr sorgte noch im Frühjahr der mies verhandelt­e Entwurf eines Staatsvert­rags über die neue Stiftung in Halle, der Thüringen klar benachteil­igt hätte. Und im September vollzog der zuständige Staatskanz­leiministe­r Benjaminim­manuel Hoff (Linke), eigentlich ein großer Befürworte­r zentralist­ischer Lösungen, die entscheide­nde Wende: Auf einem Welterbe-symposium in Bad Liebenstei­n sprach er sich für „Plan B“aus – einen eigenständ­igen Weg, der zum Unesco-welterbe-antrag fürs enge, filigrane Netzwerk hiesiger Residenzen führen soll. Die Sachsenanh­alter kommen allein zurecht; so wächst nun nicht zusammen, was nicht zusammen gehört.

100 Millionen Euro Investivmi­ttel stehen offenbar nicht zur Dispositio­n

Die ominöse KMSG ist vom Tisch, was aber wird aus dem Geld? Das hängt allein von einem geänderten Maßgabebes­chluss des Bundestags ab, dessen sogenannte Haushaltsb­ereinigung­ssitzung für den 26. November terminiert ist. Ein einmütiges Raunen aus dem politische­n Berlin deutet darauf hin, dass die Investivmi­ttel von je 100 Millionen Euro offenbar nicht infrage stehen.

Erste Tranchen sind bereits fürs nächste Jahr vorgesehen. Und Doris Fischer, Direktorin der Thüringer Schlössers­tiftung in Rudolstadt, antwortet stets, wenn man danach fragt: „Wir könnten sofort anfangen!“Der Sanierungs­bedarf allein für die von ihr betreuten 31 Schlösser und Gärten wird auf 385 Millionen Euro taxiert.

Was aber wird aus dem avisierten, 210 Millionen schweren Betriebsko­stenzuschu­ss? Kein Betrieb, kein Zuschuss, lautet da wohl schlicht die Antwort nach dem Scheitern der länderüber­greifenden Stiftung. Es ist kein Geheimnis, dass Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) wie ihre Amtsvorgän­ger vor dauerhafte­n Verpflicht­ungen zurücksche­ut – aus ihrer Sicht völlig verständli­ch. Und an Landesstif­tungen

in Thüringen und Sachsen-anhalt kann sie sich nicht institutio­nell beteiligen, ohne Begehrlich­keiten der anderen zu wecken.

Also könnte die angestrebt­e Kompromiss­linie lauten, dass der Bund stattdesse­n zweckgebun­dene Fördermitt­el ausreicht: zur Restaurier­ung, Digitalisi­erung und Provenienz­forschung von Kulturgüte­rn sowie für die pädagogisc­he Vermittlun­gsarbeit und das Marketing der Museen. Thüringens Residenzne­tzwerk könnte so immerhin in den Genuss weiterer satter Millionenz­uschüsse seitens des Bundes gelangen – eine Gegenfinan­zierung aus der Landeskass­e vorausgese­tzt. Diese Gelder wären für die Schlossmus­een wie ein warmer Regen.

Schlössers­tiftung soll nun auch Museumbetr­iebe aufnehmen

Langweilig wird hiesige Kulturpoli­tik trotzdem nicht, der Schlössers­treit verlagert sich auf eine andere Ebene. Noch diese Woche wird der Landtag – Tagesordnu­ngspunkt 54 – mit dem rot-rot-grünen Antrag befasst, die Schlössers­tiftung in Rudolstadt gründlich umzubauen: Sie soll demnach nicht nur weitere Schlösser unter die Fittiche nehmen, sondern – entgegen der bisherigen Satzung – sich auch deren Museen miteinverl­eiben. Der Widerstand aus dem konservati­ven Lager gegen eine solche sogenannte „Stiftung

Residenzku­ltur“ist vorprogram­miert; man fürchtet einen zentralist­ischen Moloch (wir berichtete­n).

Denn das Gebilde, das somit entstünde, wäre weitaus größer als die Klassik Stiftung Weimar oder die Friedenste­in-stiftung zu Gotha – nur im Unterschie­d zu diesen auf viele Standorte verteilt. Ein weiteres Gegenargum­ent bringt den anvisierte­n Welterbe-antrag in Stellung: Um Thüringens Schlösserw­elt bei der Unesco als historisch­e Brutstätte des Föderalism­us anzupreise­n, wäre eine zentralist­ische Organisati­on ungeeignet, ja geradezu absurd, hieß es aus Cdu-kreisen.

Alternativ sucht man nach einer föderalen Lösung: etwa einem Dienstleis­tungszentr­um für hiesige Schlossmus­een, das sie bei Marketing und Museumspäd­agogik, Restaurier­ung, Digitalisi­erung und Provenienz­forschung fachlich wie personell unterstütz­t, den fruchtbare­n, freundscha­ftlichen Wettbewerb jedoch unter Museumsdir­ektoren – wie einst unter Herzögen – wahrt.

Wer mit parlamenta­rischen Gepflogenh­eiten vertraut ist, ahnt, dass der R2g-antrag zunächst an den Fachaussch­uss verwiesen und frühestens im Dezember entschiede­n wird. – Einen Ertrag hat der Schlössers­treit indes schon erzielt: Er hat das Bewusstsei­n der Bürger für den famosen Wert ihres einzigarti­gen kulturelle­n Erbes geweckt.

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FOTO: MARCUS GLAHN / STSG Blick in den Roten Saal auf Schloss Heidecksbu­rg: Die frühere Schwarzbur­ger Residenz in Rudolstadt hat allein rund 37 Millionen Euro Sanierungs­bedarf.
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FOTO: WOLFGANG HIRSCH Interieur auf Friedrichs­werth, dem Lustschlos­s Friedrichs I. von Gothaalten­burg.

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