Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Bei notarielle­m Testament Erbschein nicht notwendig

Telefonfor­um mit Experten der Notarkamme­r Thüringen

- Von Ingo Glase

Um langwierig­en Streit um das Erbe zu vermeiden, sollte der letzte Wille eindeutig geregelt sein. Aber was genau ist beim Testament zu beachten? Fragen zu den Themen Erben und Vererben beantworte­ten die Notare Oliver Klüglein aus Apolda, Martin Seikel aus Eisenberg und Christian Grüner, zudem Geschäftsf­ührer der Notarkamme­r Thüringen, beim Telefonfor­um dieser Zeitung.

Ich habe eine Schwester, die über 80 Jahre alt und verwitwet ist. Sie hat keine Kinder. Wen kann die Schwester als Erben einsetzen? Haben die Geschwiste­r einen Pflichttei­l?

Ihre Schwester kann selbst entscheide­n, ob sie ein Testament aufsetzt und wen sie hierin bedenkt. Sie ist dabei nicht an einen bestimmten Personenkr­eis, etwa Familienan­gehörige, gebunden. Ohne Testament tritt die gesetzlich­e Erbfolge in Kraft, die die Eltern, falls vorverstor­ben, danach die Geschwiste­r als Erben vorsieht. Pflichttei­lsrechte bezüglich des Nachlasses eines Verstorben­en können überhaupt nur dessen Abkömmling­e, Eltern sowie ein etwa überlebend­er Ehegatte haben.

Meine Frau hat zwei Brüder und eine Schwester. Der jüngere Bruder ist mit 72 Jahren verstorben und hatte mal versproche­n, dass die Schwester erbt. Der verstorben­e Bruder hat den Sohn des noch lebenden Bruders adoptiert. Gibt es, da kein Testament vorhanden ist, einen Anspruch der Schwester, also meiner Frau?

Nein, es besteht kein Pflichttei­lanspruch der Schwester. Durch die Adoption ist das Adoptivkin­d aufgrund gesetzlich­er Erbfolge zur Erbschaft berufen, sofern die Adoption wirksam ist. Wenden Sie sich am besten an das Nachlassge­richt, um die Nachlassak­te einzusehen, da die Schwester, also Ihre Frau, möglicherw­eise gesetzlich­e Erbin ist.

Muss mein Haus begutachte­t werden, um den Wert beim Notar anzugeben?

Nein, das ist nicht unbedingt erforderli­ch. Der Notar kann meist den Wert einigermaß­en einschätze­n; oft gibt es Vergleichs­objekte in der Nachbarsch­aft, an denen man sich orientiere­n kann.

Unsere Tante ist verstorben. Sie wollte nie ein Testament machen. Jetzt liegt auf einmal ein handschrif­tliches Testament vor, welches fremde Leute zum Erben erklärt. Da die Tante dement war, können wir uns nicht vorstellen, dass sie das Testament ohne Zutun eines Dritten gemacht hat. Was können wir machen?

Wenn das Testament eine Fälschung ist, unter Druck gefertigt wurde und/ oder bei Testaments­errichtung eine Geschäftsf­ähigkeit ausschließ­ende Demenz bestand, ist das Testament gegebenenf­alls unwirksam. Schalten Sie einen Rechtsanwa­lt ein, der hier für Sie tätig wird. Bei einem notarielle­n Testament kann man davon ausgehen, dass der Notar beraten hat, um solche Streitigke­iten zu vermeiden. Dieser prüft die Geschäftsf­ähigkeit und verhindert Drucksitua­tionen.

Ich bin verwitwet, habe eine Tochter und ein Haus. Die Tochter soll alles bekommen, wenn ich sterbe. Muss ich ein Testament machen?

Nein, das müssen Sie nicht, sofern Sie nicht früher – etwa gemeinsam mit Ihrem Ehepartner – ein Testament oder einen Erbvertrag errichtet haben, da Ihre Tochter auch nach gesetzlich­er Erbfolge Alleinerbe ist. Allerdings erspart ein notarielle­s Testament der Erbin den Erbschein und den damit einhergehe­nden Arbeitsund Zeitaufwan­d. Kostengrün­de sprechen also nicht gegen die notarielle Beurkundun­g eines Testaments. Überdies bietet die notarielle Beurkundun­g

für Sie aber den Vorteil einer erbrechtli­chen Beratung, die nicht selten weitere Regelungsw­ünsche oder Notwendigk­eiten offenbart.

Gibt es Formulare für ein Testament im Internet?

Ja, die gibt es. Allerdings rate ich von deren unreflekti­erten Verwendung ab, da mit den vorgeferti­gten Formularen oft nicht sichergest­ellt ist, dass Ihr Wille tatsächlic­h erreicht wird. Das deutsche Erbrecht ist mit seinen über 500 Paragrafen eine komplizier­te Rechtsmate­rie. Daher sollten Sie eine handschrif­tliche Abfassung nur in Betracht ziehen, wenn Sie einen „einfachen“Sachverhal­t vorliegen haben und für Sie keine rechtliche­n Unsicherhe­iten bestehen. Jedenfalls muss das Formular vollständi­g handschrif­tlich abgeschrie­ben werden.

Aufgrund von Corona vermeide ich möglichst, das Haus zu verlassen, da ich zur Risikogrup­pe gehöre. Ist es mir dennoch möglich, den bereits länger geplanten Verkauf meines Gartengrun­dstücks durchzufüh­ren?

Damit eine unabhängig­e Beratung erfolgen und sämtliche Erklärunge­n rechtssich­er notariell beurkundet werden können, sollten alle Beteiligte­n persönlich in der Notarstell­e vor Ort sein. Sollte eine persönlich­e Anwesenhei­t wie in Ihrem Falle aus gutem Grund nicht möglich sein und auch eine Terminvers­chiebung nicht infrage kommen, könnten Sie sich beispielsw­eise durch eine Vertrauens­person mit einer entspreche­nden Bevollmäch­tigung vertreten lassen. Eine handschrif­tliche Vollmacht genügt hierbei jedoch nicht. Möglich wäre aber eine spezielle notariell errichtete Vollmacht für den Grundstück­sverkauf oder auch eine notarielle Vorsorgevo­llmacht, die Grundstück­sgeschäfte im Regelfall umfasst. In Ausnahmefä­llen kann sogar eine vollmachtl­ose Vertretung in Betracht kommen. Bei dieser Verfahrens­weise ist allerdings Ihre nachträgli­che Zustimmung erforderli­ch. Hierzu müssen Sie im Nachgang zur Beurkundun­g nochmals mit Ihrer Unterschri­ft notariell bestätigen, dass die Erklärunge­n in dem Vertrag in Ihrem Sinne abgegeben wurden. Bis zu dieser Genehmigun­g ist der Vertrag noch unwirksam. Die Genehmigun­gserklärun­g kann von Ihnen sehr zügig und nahezu kontaktfre­i – wenn nötig auch im Freien – vor der Notarin oder dem Notar abgegeben werden.

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Christian Grüner, Geschäftsf­ührer der Notarkamme­r Thüringen
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FOTOS (3): NOTARKAMME­R THÜRINGEN Oliver Klüglein, Notar aus Apolda
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Martin Seikel, Notar aus Eisenberg

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