Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Kühlschrank im Kofferraum
Handball ist eine Konstante im Leben Wolfgang Mosebachs – dem Landestrainer zum 60.
Sie passen sich die Bälle zu, bearbeiten das Tor. So wie jeden Donnerstag, wenn die Ut-handballer in der „Blechbüchse“trainieren, als Karsten Döring in der Tür steht: „Ich will nichts Falsches sagen, aber ich glaube, die Grenzen sind offen.“Stille. Wolfgang Mosebach erinnert sich, wie alle sich im falschen Film vorkommen. An diesen Abend am 9. November 1989. Alle hocken sie später noch bei ihm in der Erfurter Wohnung, stoßen auf den 29 Jahre alt gewordenen Gastgeber an und gucken dank Opas Colormat-geschenk in Farbe bis vier Uhr morgens die Bilder vom Mauerfall.
Die Geschichte wäre heute bestimmt erzählt worden, in großer fröhlicher Runde. Heute, wenn Wolfgang Mosebach die Sechzig vollmacht. Mit der Sause aber muss der Gebeseer warten. Dass Corona die Pläne durcheinanderwirbelt, nimmt der gebürtige Sondershäuser gelassen. Nicht das erste Mal, dass es für ihn auf seinem Handball-weg anders kommt.
Der Tag gehört dazu, an dem die Verantwortlichen von Motor Eisenach im Wartburg bei ihm zu Hause vorfahren und den Zehntklässler an die Wartburg holen wollen. Eigentlich ist alles klar. Weil der talentierte Bursche wegen einer Narbe auf dem Sehnerv aber keine Lehre als „Zerspaner“beginnen kann, wie er es vorhatte, reichte es nur zum Elektriker. Strippen ziehen aber, das will der bloß auf dem Parkett.
Dabei ist der Teenager Mittel- und Langstreckenläufer und nur Teilzeit-handballer gewesen, was sich später umkehrt und „eine super Zeit und Ausbildung“beim Studium in Leipzig folgen lässt. Der Sportlehrer schwärmt davon – und von vier Studentenmeister-titeln.
Den Trainingsanzug trägt er damals schon am liebsten, als Rostock, Frankfurt/oder, Berlin anklopfen, um den Dhfk-absolventen zu sich in den Trainerstab zu holen. Der würde ja gern, nur will er nicht in die Partei. Und überhaupt wollte er lieber in die Nähe von Erfurt, der Liebe wegen. Am Ende wird er Kreissportlehrer. In Heiligenstadt. Bis beim Werksverein Umformtechnik Erfurt (UT) eine Stelle frei ist: Trainer für den weiblichen Handball-bereich. Auch nicht gerade das Gelbe vom Ei, sagt sich Mosebach, aber immerhin: „Bevor du nur noch am Schreibtisch sitzt und Sportabzeichen zählst...“
Und er ist auf diesem Weg geblieben. UT, dann TSV Erfurt und seit 1993 Landestrainer, gut 30 Jahre für die Entwicklung junger Handballerinnen, Sonderaufgaben inklusive. Vier Wochen haben es sein sollen, als der TSV nach dem Abstieg für die Regionalliga-frauen einen Trainer braucht. Am Ende springt Mosebach zehn Jahre ein, bejubelt – nun mit dem HC – die Rückkehr in die zweite Liga, ehe Dago Leukefeld wieder übernimmt und er den Nachwuchs beim HC und beim 2000 gegründeten THC formt.
Erfolge sprechen dafür und für eine Einheit aus Training, Sportgymnasium, Sichtung und medizinischer Betreuung. Dreimal deutscher Meister mit der Thc-b-jugend, mit der A-jugend Dm-bronze und mit dem Schüler-team fünf Mal Bundessieger des Schulwettbewerbs „Jugend trainiert für Olympia“, drei Schul-wm-teilnahmen.
Unvergessen bleibt die dritte Meisterschaft, 2009, er feiert sie auf Krücken. Zwei Tage zuvor reißt die Achillessehne, sie soll gleich operiert werden. Mosebach aber interveniert. Am Samstag ist das Rückspiel gegen Dortmund, am Abend die Jugendweihe von Sohn Hannes. Nein, erst danach könne er ins Krankenhaus.
Er ist geradlinig, hat den Ruf, ein harter Trainer zu sein. Er selbst würde sagen, dass er weicher geworden ist. „Immer auch mal einen Schritt zurückgehen, um zwei nach vorn zu kommen“, fasst er die Jahre zusammen. Er, der sein Faible in der Abwehrarbeit sieht, steht für gute Vorbereitung. Sei es auf dem Feld oder im Urlaub, den Mosebach am liebsten campend an Italiens oder Kroatiens Küste verbringt. Mit Zelt, Luftbett und Kühlschrank.
Ein Kühlschrank? „Der gehört einfach dazu“, sagte Wolfgang Mosebach. So wie die Runde am Donnerstag dazugehört, mit den alten Haudegen Andreas Wünscher, Lutz Stöber, Mario Linßer oder dem langjährigen THC-CHEF Karsten Döring in der Blechbüchse. Nur nicht mehr mit der Hand am Ball, sondern mit dem Fuß. „Das ist einfacher“, sagt Mosebach.