Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Die Geister, die niemand rief
Eishockey-oberliga: Vor gespensterhafter Kulisse verlieren die Black Dragons gegen Hamburg
Auch die Gäste mussten sich erstmal an die neuen Corona-gepflogenheiten gewöhnen. Sonst waren sie in Erfurt immer eine abgedunkelte Halle, Feuerbälle und eine lautstarke Mannschaftsvorstellung der Black Dragons gewohnt, während der sie am Rande warten mussten. Also fragte ein Hamburger Spieler: „Dürfen wir aufs Eis?“, die Erfurter Ordnerin antwortete: „Ihr dürft, kein Feuerwerk heute.“Dass sie mit diesem Wortlaut auch das Spiel aus Erfurter Sicht vorhersagte, konnte sie nicht ahnen.
In der Kartoffelhalle angekommen, zog jedes Geräusch ein leichtes Echo nach sich. „Viel zu viele in der Halle“, meinte Erfurts Fanbeauftragter Maik Groß, auch wenn abgesehen von den Spielern der beiden Eishockey-oberligisten vielleicht 20 Vereinsoffizielle und Medienvertreter anwesend waren.
Obwohl die Drachen mit der breiten Brust ihres überzeugenden 5:1Auftaktsieges am Freitagabend in Leipzig und der Tabellenführung ins Spiel gingen, waren es die Crocodiles aus der Hansestadt, die den besseren Start erwischten. Sie nutzten ein frühes Powerplay zur Führung, als Lascheit einen verdeckten Schuss abfeuerte, der dem neuen Drachengoalie Kessler durch die Schoner rutschte (4.). Die Gäste waren besser in den Zweikämpfen, es dauerte acht Minuten, ehe Erfurt die erste gute Angriffssequenz hatte. Auch Hamburgs Torwart wurde fast getunnelt, doch der Puck trudelte vorbei. Gerade, als die Drachen nahe am Ausgleich waren und diesen im Getümmel vor dem Gästetor verpassten, brachte der Hamburger Konter das 0:2. Wieder sah Kessler bei Zuravlevs Schuss aus spitzem Winkel unglücklich aus (11.).
Doch das Joly-team spielte unbeeindruckt weiter und dominierte nun die Partie. Erfurts neuer Kanadier Kyle Beach, kurz zuvor noch beim Vorbeifahren an der Hamburger Bank von Suchomer beleidigt, gab seine Antwort sportlich: Sein ansatzloser Schuss schlug zum 1:2 im kurzen Eck ein (18.).
Den Schwung nahmen die Gastgeber
zunächst mit ins zweite Drittel. Sie erzwangen ein doppeltes Überzahlspiel, das ihnen jedoch kein Tor einbrachte. Stattdessen musste Kessler erst mit einem Reflex des Prädikats „Weltklasse“aus einem Meter Entfernung das 1:3 gegen Schaludek verhindern (28.). Zwei Minuten später fiel das dann aber doch: Wieder konterten die Crocodiles, diesmal konnte Kessler den Querpass selbst mit Spagat nicht verhindern, Saggau versenkte.
Nach dem zweiten Zwei-torerückstand hatte das Spiel der Erfurter dann doch einen Knacks weg. Sie leisteten sich nun zu viele leichte Scheibenverluste im eigenen Drittel und in der neutralen Zone. Allein dem mehrfach stark parierenden Kessler war es zu verdanken, dass die Hamburger nicht weiter von dannen zogen. Auf der anderen Seite hatte Beach den einzigen Erfurter Hochkaräter im zweiten Drittel, scheiterte jedoch im Einsgegen-eins an Goalie Kristian (32.). Ansonsten brachte die aufmerksame Gästeabwehr immer wieder im entscheidenden Moment den Schläger dazwischen.
An diesem Bild änderte sich im Schlussdrittel nicht mehr viel. Obwohl die Wende ergebnistechnisch noch im Bereich des Möglichen war, schafften es die Drachen einfach nicht mehr, wirklich Druck aufzubauen. Sie agierten an diesem Tag, anders als in Leipzig, einfach zu ungenau. Hinzu kamen in der Schlussphase mehrere Strafzeiten, die ein Comeback unmöglich machten. Allein von den letzten neun Minuten mussten die Erfurter sechs in Unterzahl verbringen. So „klackerte“sich das Spiel seinem Ende entgegen, denn in der gespenstischen Stille war jede Schlägerberührung des Pucks zu hören. Es blieb bei der verdienten 1:3-Niederlage für die Drachen.
Marcel Weise fasste die Atmosphäre treffend zusammen: „Ohne Zuschauer zu spielen, ist ätzend. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich vorher aufgehört habe“, sagte der langjährige Ehc-spieler, der nun die Heimspiele für den Livestream kommentiert. Und die Geister, die niemand rief, ein wenig vertreibt.